×

Wir verwenden Cookies, um LingQ zu verbessern. Mit dem Besuch der Seite erklärst du dich einverstanden mit unseren Cookie-Richtlinien.


image

Der Mann im Nebel, Gustav Falke, 09 - 2. Buch, Kapitel 6 - 8

09 - 2. Buch, Kapitel 6 - 8

6.

Im Schloss war Besuch angekommen. Randers hörte es unterwegs von den Leuten auf dem Felde. Besuch in einem Segelboot.

Ob er hinginge? Er war doch neugierig. Besuch, der in einem Segelboot kam. Das war doch interessant. Er interessierte sich so für das Segeln. Und wer mag das sein, der hier ein Segelboot hat.

Er traf nur Fides im Salon und eine fremde Dame, eine kleine, lebhafte, unscheinbare Person mit vollen Formen, ganz hübschen, braunen Augen und einem etwas groben und lebhaften Teint.

"Sieht die gesund aus," dachte er. "Fräulein Krüger," stellte Fides vor. Also nichts Adeliges.

Eine leise Enttäuschung.

Das Fräulein sah ihn mit unverhohlener Neugier an. Er las deutlich aus ihren Blicken: "Also das ist er?" "Ich habe Fräulein Krüger von Ihnen erzählt," sagte Fides gleich. Randers verbeugte sich.

"Sie halten sich zu Ihrer Gesundheit hier auf, Herr Doktor?" fragte das Fräulein.

"Das nicht gerade." "Ich meinte das." Sie sah Fides fragend an.

"Allerdings," sagte er schnell. Wenn Fides so gesagt hatte, wollte er nicht anders sagen. "Ich reise überhaupt zu meiner Erholung oder Zerstreuung, was ja oft dasselbe ist." "Der Herr Doktor schwärmt für die See," sagte Fides. "Die haben Sie ja erster Hand hier," meinte das Fräulein. Wie gewöhnlich sie sich ausdrückt, dachte Randers. Und ihre Stimme klingt wie eine verrostete Schiffsglocke.

"Sie sind mit dem Segelboot gekommen, gnädiges Fräulein?" "Ja, haben Sie es gesehen?" "Ich hörte es von den Leuten. Mit Ihrem Herrn Gemahl?" "Mein Bruder." Beide Damen unterdrückten mühsam ein Lächeln. Er nannte sie Fräulein und fragte nach ihrem Herrn Gemahl.

"Ach so! Pardon," entschuldigte er sich und wurde über und über rot. "Der Herr Doktor ist ein grosser Seemann," sagte Fides. "Es ist ein Kapitän an ihm verloren gegangen." War das Spott?

Er lächelte etwas gezwungen.

"Da werden Sie sich gewiss unsre Jacht ansehen; sie ist ganz neu, ein ausgezeichnetes Seeboot," sagte die Schiffsglocke. "Wenn Sie erlauben, es würde mich sehr interessieren." "Vielleicht machen Sie mal eine Fahrt mit Herrn Krüger?" fragte Fides.

"Er würde sich gewiss freuen, er ist so stolz auf seine Jacht und hört sie gerne loben." "Ja, das ist seine schwache Seite," bekräftigte das Fräulein. "Ich wollte eigentlich morgen abreisen," sagte Randers. Er war durchaus noch nicht entschlossen, aber es kam plötzlich über ihn, er musste es sagen, er wollte sehen, wie sie es aufnähme. "So plötzlich?" rief Fides. Sie schien ernstlich überrascht.

"Aber warum so schnell? Gefällt es Ihnen nicht mehr bei uns? Ich meinte, Sie wollten die Jagd mitmachen?" "Ja so, daran dachte ich nicht," sagte er. "Sehen Sie," rief sie triumphierend. Es lag ihr also an seinem Bleiben. Und sie machte daraus kein Hehl, selbst in der Gegenwart der Fremden.

"Papa hat übrigens Ihr Wort," sagte Fides. "Dann freilich." Nachher besahen sie alle zusammen die Jacht. Randers bewunderte den jungen Gutsbesitzer, einen grossen schönen Mann, schlank, muskulös, mit gutmütigem, wettergebräunten Gesicht. Er sah ganz aus wie ein Seemann. Ein buschiger, dunkelblonder Schnurrbart verdeckte etwas das einzig Unschöne in diesem Gesicht, den grossen Mund. Der junge Mann lachte oft und laut, wie seine Schwester, und dann zeigte er zwei prächtige Reihen weisser, fester Zähne.

Der kann ein Segeltau durchbeissen, dachte Randers. Jedesmal, wenn der junge Mann lachte, kam ihm die Vorstellung:

"Er kann ein Segeltau durchbeissen." "Was meinen Sie?" fragte Fides.

Randers erschrak und wurde rot.

Hatte er es denn laut gesagt?

"Ich meine, ob man wohl ein Segeltau durchbeissen kann." Sie sah ihn erstaunt an, lachte kurz auf und sagte:

"Was Sie für sonderbare Einfälle haben." Die Jacht war wirklich sehr hübsch. Sie war ganz weiss angestrichen, hatte eine kleine Kajüte an Bord, trug am Mast einen langen, rotseidenen Wimpel. Am Spiegel stand mit goldenen Buchstaben: Seeschwalbe.

"Ein hübscher Name," sagte Randers. "Es ist das schnellste Boot hier herum," erklärte Herr Krüger. "Es läuft seine zwölf bis dreizehn Meilen in der Stunde." Er sprach hauptsächlich zu Randers und schien ihn für einen grossen Kenner zu halten. Randers musste sehr vorsichtig sein, wenn er sich nicht blossstellen wollte.

Einmal wollte er sagen: "Ich verstehe so viel nicht davon." Und er hätte es auch gesagt, wenn Fides nicht dabei gewesen. Aber jetzt sagte er es nicht, sondern nickte nur immer mit dem Kopf, wenn der andre wieder einen technischen Ausdruck gebrauchte, den er nicht verstand.

Sie hatten beide gleiche Mützen auf, weisse Schirmmützen, und sie hatten beide das Sturmband unterm Kinn.

Ob Fides darauf achtete?

Der Graf fragte Randers, was er in den letzten beiden Tagen getrieben hätte, er hätte sich ja gar nicht sehen lassen. Ja, was hatte er getrieben? Er hatte einige Stunden am Strand gelegen und auf die See hinausgeträumt, und war ein paar Stunden spazieren gelaufen.

"Bis nach Grossenbrode." "Da hätten Sie ja gleich zu uns herüber kommen können," meinte Fräulein Krüger. "Waren Sie schon auf Fehmarn?" "Nein." "Aber kommen Sie doch mal," lud der junge Mann ein. "Ich bringe Sie mit dem Boot zurück. Ich hole Sie auch ab." "Sie sollten das tun," redete der Graf zu. "Sie lernen zugleich im Sassnitzer Gut eine Musterwirtschaft kennen." Herr Krüger lachte gutmütig, halb geschmeichelt, halb bescheiden abweisend.

"Lassen Sie gut sein, lieber Krüger. Alles was recht ist. Durchaus musterhaft," sagte der Graf. Also ein Mustermensch, dachte Randers, und ein hübscher Kerl. Was hat er für Zähne! Und obendrein hat er eine Jacht!

Randers bekam mit einmal Lust, ihm ein Schiffstau zwischen die Zähne zu schieben. Was er wohl für ein Gesicht machen würde?

Randers musste lachen.

Der Einfall war zu albern, aber er konnte ihn nicht wieder los werden. Er musste immer an das Gesicht des jungen Mannes denken, wenn er ihm ein Schiffstau zwischen die Zähne schieben würde. Er durfte ihn zuletzt gar nicht mehr ansehen.

Als die Gesellschaft sich wieder ins Schloss begab, empfahl Randers sich. Die Geschwister lachten ihm zu viel. Und er mochte keine Mustermenschen leiden.

Niemand bat ihn zu bleiben, auch Fides nicht. Er war also überflüssig. Mochten sie unter sich bleiben!

7.

Als die Jacht zwei Stunden später gegen den Wind weit in die See hinauslief, lag Randers am Strand und sah ihr nach.

Es war eine stramme Nordostbrise, die auf das Segel drückte. Wie ein Pfeil schoss das weisse Fahrzeug durch die Wellen. Es leuchtete auf dem tiefen Blau des Wassers. Wenn Randers die Augen zusammenkniff, machte es ihm den Eindruck eines grossen, weissen Vogels, der dicht über die Wellen hin pfeilte. Die Jacht lag ganz nach rechts.

Wenn sie umschlüge?

Ob sie schwimmen könnten?

Bei diesem Wellengang würde es ihnen nichts nützen und in dieser Entfernung. Der junge Mann war sicher ein guter Schwimmer, aber es würde ihm nichts nützen, er würde hinunter müssen.

"Dann kann er Fides nicht heiraten." Randers sagte das ganz laut.

Er verfolgte jede Bewegung der Jacht.

Jetzt legten sie um.

"Brillant!" rief er und richtete sich halb auf.

Wie ein Pfeil schoss die Seeschwalbe wieder auf die Rosenhagener Ufer zu.

Da sass er nun am Steuerruder, lachte und zeigte die grossen, weissen Zähne. Lachte vielleicht über ihn, über eine Bemerkung der rostigen Schiffsglocke über ihn. Vielleicht sprachen sie auch über Fides. Sie waren sehr vertraut mit Fides gewesen, kamen gewiss oft von Sassnitz herüber. Übrigens kein übler Geschmack von dem jungen Mann.

Aber zum Teufel! Was waren das für Gedanken? War er denn eifersüchtig? Wollte er, Henning Randers, denn Fides Bruckner heiraten?

Und dann, wie lächerlich! Die schönen Zähne und die Musterwirtschaft machten den jungen Mann noch nicht ebenbürtig.

Komtesse Fides Bruckner und Herr Krüger, Gutsbesitzer auf Fehmarn.

Die Jacht lief jetzt wieder seewärts. Randers kletterte die steile Uferhöhe hinan. Er wollte dem Musterwirt nicht länger nachgaffen.

"Morgen gehst du. Das ist ja alles Unsinn!" sagte er laut.

Er war an ein grosses Brachfeld gekommen, ging quer hinüber, kletterte über ein Hecktor und verfolgte einen schmalen Fusssteig längs einer Weide, wo ein paar Kätnerkühe lagen und wiederkäuten. Wie dumm die Tiere glotzten.

Er stellte sich vor sie, glotzte sie wieder an und ahmte ihr Kauen nach.

Sie liessen sich nicht irre machen, kauten und bewegten die Ohren.

"Glückliches Rind," sagte Randers laut. "Ewiger Gleichmut, satte Zufriedenheit." Aus dem Knick sprang ein kleiner, barfüssiger Bengel, den das laute Sprechen anlockte.

"Sind dat din Köh?" fragte Randers.

"Nee." "Hört de to 'n Haf?" "Nee." "Wen hört se denn?" "Peemöller sin." "Wat deihst du hier denn?" Der Junge wandte sich verlegen ab.

"Muggst du woll gern 'n Groschen hebben?" Das Gesicht des Kleinen strahlte, aber er schwieg.

Randers schenkte ihm ein Zehnpfennigstück und ging weiter.

Als er auf die Landstrasse hinaus kam, zögerte er.

Das Dach des Rixdorfer Herrenhauses leuchtete in der Abendsonne zwischen den hohen Parkbäumen herüber.

Er fühlte ein Verlangen nach Fides, ein eifersüchtiges Verlangen, mit ihr über die Sassnitzer zu sprechen.

Aber es gab keinen Vorwand, der einen zweiten Besuch an diesem Tage entschuldigt hätte.

Er ging in den Krug, trank einen Schnaps und setzte sich in die kleine Laube hinter dem Hause.

Es roch hier nach dem Schweinestall, und die Hühner kamen und bettelten.

Sch, sch, jagte er sie.

Sie blieben in einiger Entfernung stehen, auf einem Bein, drehten die Hälse und blinzelten ihn an.

Aber er hatte nichts für sie übrig. Er kritzelte in sein Tagebuch.

8.

Ein paar warme, weiche Regentage kamen, und Randers war in bester Laune. Es war, als hätte ihm nur dieser Regen gefehlt.

Der Himmel war gleichmässig bewölkt, alles Laub feucht und glänzend. Beständig tröpfelte es von den Bäumen, von den Hecken, hing in tausend blitzenden Perlen an den Gräsern, an den Ähren, die noch ungeschnitten auf den Feldern standen, und an den Ähren, die schon in Garben zusammengehockt waren. Und die Rosen im Park wussten nicht, wohin mit all dem Nass, neigten sich und liessen es in grossen, schweren Tropfen auf die schwarzen Beete fallen. Und von dem vorspringenden Dach der Veranda tröpfelte es in ungleichem Rhythmus auf die Steinstufen der Gartentreppe, gluckste in der Regentraufe und plätscherte aus der Traufe in die grosse Tonne.

Randers hatte seinen Stuhl dicht an die Treppe gerückt, sass vornüber gebeugt, die Hände zwischen den Knieen gefaltet, und trank diese weiche Regenmusik mit entzücktem Ohr. Er war ganz glücklich in einer sanften, zufriedenen, dankbaren Stimmung.

Er war nun schon zwei Tage im Schloss. Sie hatten ihn bei diesem Wetter durchaus nicht in seiner armseligen Behausung lassen wollen. Er hatte endlich die Einladung wenigstens für einen Tag angenommen und war dann doch für die Nacht geblieben. Und welch eine Nacht.

Er hatte sie halb am offenen Fenster verträumt, voll von den Gesprächen des Abends, voll von den Glockenlauten ihrer Stimme und erhellt von dem Lichte ihrer Augen.

Sie hatten über die Krügers gesprochen, über den Segelsport, und er war wieder in seine nautische Schwärmerei verfallen und war wieder auf seine Kapitänsaristokratie im besonderen und auf den Adel im allgemeinen gekommen. Er hatte eine Lanze gebrochen für die Geschlechter gegen die plebejische Masse, gegen diesen Mischmasch der Allzuvielen, ohne Tradition, ohne Erziehung, ohne Kultur. Er war heftig und ungerecht geworden, so dass sie ihm wiedersprachen. Warum er aristokratischer als sie selbst sein wolle?

Der Graf hatte dem Geistesadel seine Reverenz gemacht. Nur der Geldadel kam bei ihnen allen gleich schlecht weg. Randers aber kam hartnäckig immer wieder auf den Geburtsadel zurück.

"Da ist die lange Tradition, die Zucht von Geschlechtern her, da sind die feinsten, höchsten Kräfte der Familie, des Stammes, der Rasse bis zur Blüte getrieben." "Bis zur Überkultur!" warf der Graf ironisch ein.

Aber Randers liess sich nicht irre machen.

"Da ist Harmonie nach innen und aussen," fuhr er fort. "Die Ruhe, die vornehme Sicherheit, die Standesbewusstsein, Machtbewusstsein und Besitz verleihen. Mit einem Wort Kultur. Und der Adel sollte diese seine höchsten Güter nicht preisgeben, seine Exklusivität bewahren. Da darf sich nichts eindrängen, was nicht hineingehört, nichts Fremdes, Zerstörendes, Nivellierendes." "Sie plaidieren für standesgemässe Verbindung," warf Fides etwas spöttisch ein. Ihr Spott kränkte und reizte ihn.

"Ja," sagte er. "Auch bis zur letzten Konsequenz?" "Ja, wie so?" "Sie würden selbst unter keinen Umständen eine Aristokratin heiraten?" "Nein." Randers erinnerte sich nicht genau mehr aller Worte, aber es war sehr beredt gewesen, schroff und unerbittlich. Es war ihm jetzt ganz leicht ums Herz. Er hatte nun einen Schutzwall aufgerichtet zwischen sich und ihr; sie wusste jetzt, wie sie mit ihm daran war, dass er sich durchaus nicht mit lächerlichen Absichten und überhebenden Hoffnungen trug. Jetzt konnte er ihr auch ruhig sagen, dass sie Fjordaugen habe und die Stimme einer norwegischen Hirtin.

Und er sagte es ihr, sich halb nach ihr umwendend, ganz unvermittelt.

"Ich habe alle diese Zeit darüber nachgedacht. Sie haben Fjordaugen, Komtesse." Fides sass mit ihrer Handarbeit neben ihm, ein wenig zurück, um von den Tropfen, die von dem Verandadach fielen, nicht bespritzt zu werden.

"Fjordaugen?" fragte sie und lachte. "Was ist nun das wieder?" "Sie waren nie in Norwegen?" "Nein." "Dann kennen Sie auch nicht diesen wunderbaren Wasserspiegel zwischen den Schären. Klar und blank, und blau, als läge der Himmel zu ihren Füssen, und doch von einer Tiefe, von einer dunklen, schwarzen Tiefe, die wundersame, beängstigende Geheimnisse zu bergen scheint. Und über dieser Tiefe das goldige, grüngoldige Flimmern der Sonne, und in diesem Spiegel die Felsen, die Wälder, die Wolken. Und mitten dazwischen ein kleines Boot, das sich wiegt, wie zwischen zwei Himmeln. Und dann die Stille, die grosse feierliche Stille umher. Ich kann es Ihnen nicht so sagen, wie es ist." "Und das alles finden Sie in meines Augen?" Sie lächelte und sie errötete.

"Und in Ihrer Stimme," sagte er. "Das wird immer wunderlicher. Was Sie für Einfalle haben." Randers lachte. Sein gutmütiges, überlegenes Lachen.

Dann nach einer Pause:

"Ich habe einmal ähnliche Augen gesehen." Also doch, dachte Fides.

"Die erinnerten mich an die Kirche von Drontheim." "Also Kirchenaugen," lachte sie. "Ja, Kirchenaugen." Der Ausdruck gefiel ihm.

"Haben Sie die Dolgorucki gehört?" fragte er.

"Die Dolgorucki? Die—(sie suchte nach einem Ausdruck) die Musikantin? Nein, ich hatte nicht die Ehre." "Warum sprechen Sie so verächtlich von ihr?" "Nun, ich bitte!" Er runzelte die Stirn und sah auf seine Stiefelspitzen.

"Warum verurteilen Sie sie? Hat es nicht etwas Imponierendes, dieses stolze Sichhinwegsetzen über Familie und Gesellschaft, über alle Vorurteile ihres Standes und ihrer Geburt? Nur der Kunst zu Liebe. Liegt darin nicht auch wieder etwas echt Aristokratisches?" "Sie scheinen diesen Begriff sehr weit zu dehnen," sagte sie. "Sie vergessen die Künstlerin." "Wenn es nur das wäre." "Etwas Trotz, abenteuerlicher Sinn—" "Also." Eine lange Pause entstand. Er fühlte, dass sich das alles nicht so ganz mit seinen gestrigen Auseinandersetzungen vereinigte.

"Sie vergessen die Künstlerin," wiederholte er. Sie lächelte über seine Hartnäckigkeit.

"Und diese Künstlerin hatte die Kirchenaugen?" fragte sie.

"Ich konnte diese Augen nicht sehen, ohne an die Kirche von Drontheim zu denken. Das heisst, nur wenn die Fürstin spielte. Dann war ein wunderbares, geniales Feuer in diesen Augen; sie waren ganz leuchtend blau, und ich hatte denselben Eindruck wie bei meinem ersten Eintritt in diese Kirche, die ganz aus bläulichem Stein erbaut ist. Die blauen Pfeiler, die blaue Wölbung, es ist, als ob Sie den Himmel sehen." "Mir scheint, es steckt ein Dichter in Ihnen. Ich habe Sie in Verdacht, Verse zu machen," sagte Fides.


09 - 2. Buch, Kapitel 6 - 8

6.

Im Schloss war Besuch angekommen. Randers hörte es unterwegs von den Leuten auf dem Felde. Besuch in einem Segelboot.

Ob er hinginge? Er war doch neugierig. Besuch, der in einem Segelboot kam. Das war doch interessant. Er interessierte sich so für das Segeln. Und wer mag das sein, der hier ein Segelboot hat.

Er traf nur Fides im Salon und eine fremde Dame, eine kleine, lebhafte, unscheinbare Person mit vollen Formen, ganz hübschen, braunen Augen und einem etwas groben und lebhaften Teint.

"Sieht die gesund aus," dachte er. "Fräulein Krüger," stellte Fides vor. Also nichts Adeliges.

Eine leise Enttäuschung.

Das Fräulein sah ihn mit unverhohlener Neugier an. Er las deutlich aus ihren Blicken: "Also das ist er?" "Ich habe Fräulein Krüger von Ihnen erzählt," sagte Fides gleich. Randers verbeugte sich.

"Sie halten sich zu Ihrer Gesundheit hier auf, Herr Doktor?" fragte das Fräulein.

"Das nicht gerade." "Ich meinte das." Sie sah Fides fragend an.

"Allerdings," sagte er schnell. Wenn Fides so gesagt hatte, wollte er nicht anders sagen. "Ich reise überhaupt zu meiner Erholung oder Zerstreuung, was ja oft dasselbe ist." "Der Herr Doktor schwärmt für die See," sagte Fides. "Die haben Sie ja erster Hand hier," meinte das Fräulein. Wie gewöhnlich sie sich ausdrückt, dachte Randers. Und ihre Stimme klingt wie eine verrostete Schiffsglocke.

"Sie sind mit dem Segelboot gekommen, gnädiges Fräulein?" "Ja, haben Sie es gesehen?" "Ich hörte es von den Leuten. Mit Ihrem Herrn Gemahl?" "Mein Bruder." Beide Damen unterdrückten mühsam ein Lächeln. Er nannte sie Fräulein und fragte nach ihrem Herrn Gemahl.

"Ach so! Pardon," entschuldigte er sich und wurde über und über rot. "Der Herr Doktor ist ein grosser Seemann," sagte Fides. "Es ist ein Kapitän an ihm verloren gegangen." War das Spott?

Er lächelte etwas gezwungen.

"Da werden Sie sich gewiss unsre Jacht ansehen; sie ist ganz neu, ein ausgezeichnetes Seeboot," sagte die Schiffsglocke. "Wenn Sie erlauben, es würde mich sehr interessieren." "Vielleicht machen Sie mal eine Fahrt mit Herrn Krüger?" fragte Fides.

"Er würde sich gewiss freuen, er ist so stolz auf seine Jacht und hört sie gerne loben." "Ja, das ist seine schwache Seite," bekräftigte das Fräulein. "Ich wollte eigentlich morgen abreisen," sagte Randers. Er war durchaus noch nicht entschlossen, aber es kam plötzlich über ihn, er musste es sagen, er wollte sehen, wie sie es aufnähme. "So plötzlich?" rief Fides. Sie schien ernstlich überrascht.

"Aber warum so schnell? Gefällt es Ihnen nicht mehr bei uns? Ich meinte, Sie wollten die Jagd mitmachen?" "Ja so, daran dachte ich nicht," sagte er. "Sehen Sie," rief sie triumphierend. Es lag ihr also an seinem Bleiben. Und sie machte daraus kein Hehl, selbst in der Gegenwart der Fremden.

"Papa hat übrigens Ihr Wort," sagte Fides. "Dann freilich." Nachher besahen sie alle zusammen die Jacht. Randers bewunderte den jungen Gutsbesitzer, einen grossen schönen Mann, schlank, muskulös, mit gutmütigem, wettergebräunten Gesicht. Er sah ganz aus wie ein Seemann. Ein buschiger, dunkelblonder Schnurrbart verdeckte etwas das einzig Unschöne in diesem Gesicht, den grossen Mund. Der junge Mann lachte oft und laut, wie seine Schwester, und dann zeigte er zwei prächtige Reihen weisser, fester Zähne.

Der kann ein Segeltau durchbeissen, dachte Randers. Jedesmal, wenn der junge Mann lachte, kam ihm die Vorstellung:

"Er kann ein Segeltau durchbeissen." "Was meinen Sie?" fragte Fides.

Randers erschrak und wurde rot.

Hatte er es denn laut gesagt?

"Ich meine, ob man wohl ein Segeltau durchbeissen kann." Sie sah ihn erstaunt an, lachte kurz auf und sagte:

"Was Sie für sonderbare Einfälle haben." Die Jacht war wirklich sehr hübsch. Sie war ganz weiss angestrichen, hatte eine kleine Kajüte an Bord, trug am Mast einen langen, rotseidenen Wimpel. Am Spiegel stand mit goldenen Buchstaben: Seeschwalbe.

"Ein hübscher Name," sagte Randers. "Es ist das schnellste Boot hier herum," erklärte Herr Krüger. "Es läuft seine zwölf bis dreizehn Meilen in der Stunde." Er sprach hauptsächlich zu Randers und schien ihn für einen grossen Kenner zu halten. Randers musste sehr vorsichtig sein, wenn er sich nicht blossstellen wollte.

Einmal wollte er sagen: "Ich verstehe so viel nicht davon." Und er hätte es auch gesagt, wenn Fides nicht dabei gewesen. Aber jetzt sagte er es nicht, sondern nickte nur immer mit dem Kopf, wenn der andre wieder einen technischen Ausdruck gebrauchte, den er nicht verstand.

Sie hatten beide gleiche Mützen auf, weisse Schirmmützen, und sie hatten beide das Sturmband unterm Kinn.

Ob Fides darauf achtete?

Der Graf fragte Randers, was er in den letzten beiden Tagen getrieben hätte, er hätte sich ja gar nicht sehen lassen. Ja, was hatte er getrieben? Er hatte einige Stunden am Strand gelegen und auf die See hinausgeträumt, und war ein paar Stunden spazieren gelaufen.

"Bis nach Grossenbrode." "Da hätten Sie ja gleich zu uns herüber kommen können," meinte Fräulein Krüger. "Waren Sie schon auf Fehmarn?" "Nein." "Aber kommen Sie doch mal," lud der junge Mann ein. "Ich bringe Sie mit dem Boot zurück. Ich hole Sie auch ab." "Sie sollten das tun," redete der Graf zu. "Sie lernen zugleich im Sassnitzer Gut eine Musterwirtschaft kennen." Herr Krüger lachte gutmütig, halb geschmeichelt, halb bescheiden abweisend.

"Lassen Sie gut sein, lieber Krüger. Alles was recht ist. Durchaus musterhaft," sagte der Graf. Also ein Mustermensch, dachte Randers, und ein hübscher Kerl. Was hat er für Zähne! Und obendrein hat er eine Jacht!

Randers bekam mit einmal Lust, ihm ein Schiffstau zwischen die Zähne zu schieben. Was er wohl für ein Gesicht machen würde?

Randers musste lachen.

Der Einfall war zu albern, aber er konnte ihn nicht wieder los werden. Er musste immer an das Gesicht des jungen Mannes denken, wenn er ihm ein Schiffstau zwischen die Zähne schieben würde. Er durfte ihn zuletzt gar nicht mehr ansehen.

Als die Gesellschaft sich wieder ins Schloss begab, empfahl Randers sich. Die Geschwister lachten ihm zu viel. Und er mochte keine Mustermenschen leiden.

Niemand bat ihn zu bleiben, auch Fides nicht. Er war also überflüssig. Mochten sie unter sich bleiben!

7.

Als die Jacht zwei Stunden später gegen den Wind weit in die See hinauslief, lag Randers am Strand und sah ihr nach.

Es war eine stramme Nordostbrise, die auf das Segel drückte. Wie ein Pfeil schoss das weisse Fahrzeug durch die Wellen. Es leuchtete auf dem tiefen Blau des Wassers. Wenn Randers die Augen zusammenkniff, machte es ihm den Eindruck eines grossen, weissen Vogels, der dicht über die Wellen hin pfeilte. Die Jacht lag ganz nach rechts.

Wenn sie umschlüge?

Ob sie schwimmen könnten?

Bei diesem Wellengang würde es ihnen nichts nützen und in dieser Entfernung. Der junge Mann war sicher ein guter Schwimmer, aber es würde ihm nichts nützen, er würde hinunter müssen.

"Dann kann er Fides nicht heiraten." Randers sagte das ganz laut.

Er verfolgte jede Bewegung der Jacht.

Jetzt legten sie um.

"Brillant!" rief er und richtete sich halb auf.

Wie ein Pfeil schoss die Seeschwalbe wieder auf die Rosenhagener Ufer zu.

Da sass er nun am Steuerruder, lachte und zeigte die grossen, weissen Zähne. Lachte vielleicht über ihn, über eine Bemerkung der rostigen Schiffsglocke über ihn. Vielleicht sprachen sie auch über Fides. Sie waren sehr vertraut mit Fides gewesen, kamen gewiss oft von Sassnitz herüber. Übrigens kein übler Geschmack von dem jungen Mann.

Aber zum Teufel! Was waren das für Gedanken? War er denn eifersüchtig? Wollte er, Henning Randers, denn Fides Bruckner heiraten?

Und dann, wie lächerlich! Die schönen Zähne und die Musterwirtschaft machten den jungen Mann noch nicht ebenbürtig.

Komtesse Fides Bruckner und Herr Krüger, Gutsbesitzer auf Fehmarn.

Die Jacht lief jetzt wieder seewärts. Randers kletterte die steile Uferhöhe hinan. Er wollte dem Musterwirt nicht länger nachgaffen.

"Morgen gehst du. Das ist ja alles Unsinn!" sagte er laut.

Er war an ein grosses Brachfeld gekommen, ging quer hinüber, kletterte über ein Hecktor und verfolgte einen schmalen Fusssteig längs einer Weide, wo ein paar Kätnerkühe lagen und wiederkäuten. Wie dumm die Tiere glotzten.

Er stellte sich vor sie, glotzte sie wieder an und ahmte ihr Kauen nach.

Sie liessen sich nicht irre machen, kauten und bewegten die Ohren.

"Glückliches Rind," sagte Randers laut. "Ewiger Gleichmut, satte Zufriedenheit." Aus dem Knick sprang ein kleiner, barfüssiger Bengel, den das laute Sprechen anlockte.

"Sind dat din Köh?" fragte Randers.

"Nee." "Hört de to 'n Haf?" "Nee." "Wen hört se denn?" "Peemöller sin." "Wat deihst du hier denn?" Der Junge wandte sich verlegen ab.

"Muggst du woll gern 'n Groschen hebben?" Das Gesicht des Kleinen strahlte, aber er schwieg.

Randers schenkte ihm ein Zehnpfennigstück und ging weiter.

Als er auf die Landstrasse hinaus kam, zögerte er.

Das Dach des Rixdorfer Herrenhauses leuchtete in der Abendsonne zwischen den hohen Parkbäumen herüber.

Er fühlte ein Verlangen nach Fides, ein eifersüchtiges Verlangen, mit ihr über die Sassnitzer zu sprechen.

Aber es gab keinen Vorwand, der einen zweiten Besuch an diesem Tage entschuldigt hätte.

Er ging in den Krug, trank einen Schnaps und setzte sich in die kleine Laube hinter dem Hause.

Es roch hier nach dem Schweinestall, und die Hühner kamen und bettelten.

Sch, sch, jagte er sie.

Sie blieben in einiger Entfernung stehen, auf einem Bein, drehten die Hälse und blinzelten ihn an.

Aber er hatte nichts für sie übrig. Er kritzelte in sein Tagebuch.

8.

Ein paar warme, weiche Regentage kamen, und Randers war in bester Laune. Es war, als hätte ihm nur dieser Regen gefehlt.

Der Himmel war gleichmässig bewölkt, alles Laub feucht und glänzend. Beständig tröpfelte es von den Bäumen, von den Hecken, hing in tausend blitzenden Perlen an den Gräsern, an den Ähren, die noch ungeschnitten auf den Feldern standen, und an den Ähren, die schon in Garben zusammengehockt waren. Und die Rosen im Park wussten nicht, wohin mit all dem Nass, neigten sich und liessen es in grossen, schweren Tropfen auf die schwarzen Beete fallen. Und von dem vorspringenden Dach der Veranda tröpfelte es in ungleichem Rhythmus auf die Steinstufen der Gartentreppe, gluckste in der Regentraufe und plätscherte aus der Traufe in die grosse Tonne.

Randers hatte seinen Stuhl dicht an die Treppe gerückt, sass vornüber gebeugt, die Hände zwischen den Knieen gefaltet, und trank diese weiche Regenmusik mit entzücktem Ohr. Er war ganz glücklich in einer sanften, zufriedenen, dankbaren Stimmung.

Er war nun schon zwei Tage im Schloss. Sie hatten ihn bei diesem Wetter durchaus nicht in seiner armseligen Behausung lassen wollen. Er hatte endlich die Einladung wenigstens für einen Tag angenommen und war dann doch für die Nacht geblieben. Und welch eine Nacht.

Er hatte sie halb am offenen Fenster verträumt, voll von den Gesprächen des Abends, voll von den Glockenlauten ihrer Stimme und erhellt von dem Lichte ihrer Augen.

Sie hatten über die Krügers gesprochen, über den Segelsport, und er war wieder in seine nautische Schwärmerei verfallen und war wieder auf seine Kapitänsaristokratie im besonderen und auf den Adel im allgemeinen gekommen. Er hatte eine Lanze gebrochen für die Geschlechter gegen die plebejische Masse, gegen diesen Mischmasch der Allzuvielen, ohne Tradition, ohne Erziehung, ohne Kultur. Er war heftig und ungerecht geworden, so dass sie ihm wiedersprachen. Warum er aristokratischer als sie selbst sein wolle?

Der Graf hatte dem Geistesadel seine Reverenz gemacht. Nur der Geldadel kam bei ihnen allen gleich schlecht weg. Randers aber kam hartnäckig immer wieder auf den Geburtsadel zurück.

"Da ist die lange Tradition, die Zucht von Geschlechtern her, da sind die feinsten, höchsten Kräfte der Familie, des Stammes, der Rasse bis zur Blüte getrieben." "Bis zur Überkultur!" warf der Graf ironisch ein.

Aber Randers liess sich nicht irre machen.

"Da ist Harmonie nach innen und aussen," fuhr er fort. "Die Ruhe, die vornehme Sicherheit, die Standesbewusstsein, Machtbewusstsein und Besitz verleihen. Mit einem Wort Kultur. Und der Adel sollte diese seine höchsten Güter nicht preisgeben, seine Exklusivität bewahren. Da darf sich nichts eindrängen, was nicht hineingehört, nichts Fremdes, Zerstörendes, Nivellierendes." "Sie plaidieren für standesgemässe Verbindung," warf Fides etwas spöttisch ein. Ihr Spott kränkte und reizte ihn.

"Ja," sagte er. "Auch bis zur letzten Konsequenz?" "Ja, wie so?" "Sie würden selbst unter keinen Umständen eine Aristokratin heiraten?" "Nein." Randers erinnerte sich nicht genau mehr aller Worte, aber es war sehr beredt gewesen, schroff und unerbittlich. Es war ihm jetzt ganz leicht ums Herz. Er hatte nun einen Schutzwall aufgerichtet zwischen sich und ihr; sie wusste jetzt, wie sie mit ihm daran war, dass er sich durchaus nicht mit lächerlichen Absichten und überhebenden Hoffnungen trug. Jetzt konnte er ihr auch ruhig sagen, dass sie Fjordaugen habe und die Stimme einer norwegischen Hirtin.

Und er sagte es ihr, sich halb nach ihr umwendend, ganz unvermittelt.

"Ich habe alle diese Zeit darüber nachgedacht. Sie haben Fjordaugen, Komtesse." Fides sass mit ihrer Handarbeit neben ihm, ein wenig zurück, um von den Tropfen, die von dem Verandadach fielen, nicht bespritzt zu werden.

"Fjordaugen?" fragte sie und lachte. "Was ist nun das wieder?" "Sie waren nie in Norwegen?" "Nein." "Dann kennen Sie auch nicht diesen wunderbaren Wasserspiegel zwischen den Schären. Klar und blank, und blau, als läge der Himmel zu ihren Füssen, und doch von einer Tiefe, von einer dunklen, schwarzen Tiefe, die wundersame, beängstigende Geheimnisse zu bergen scheint. Und über dieser Tiefe das goldige, grüngoldige Flimmern der Sonne, und in diesem Spiegel die Felsen, die Wälder, die Wolken. Und mitten dazwischen ein kleines Boot, das sich wiegt, wie zwischen zwei Himmeln. Und dann die Stille, die grosse feierliche Stille umher. Ich kann es Ihnen nicht so sagen, wie es ist." "Und das alles finden Sie in meines Augen?" Sie lächelte und sie errötete.

"Und in Ihrer Stimme," sagte er. "Das wird immer wunderlicher. Was Sie für Einfalle haben." Randers lachte. Sein gutmütiges, überlegenes Lachen.

Dann nach einer Pause:

"Ich habe einmal ähnliche Augen gesehen." Also doch, dachte Fides.

"Die erinnerten mich an die Kirche von Drontheim." "Also Kirchenaugen," lachte sie. "Ja, Kirchenaugen." Der Ausdruck gefiel ihm.

"Haben Sie die Dolgorucki gehört?" fragte er.

"Die Dolgorucki? Die—(sie suchte nach einem Ausdruck) die Musikantin? Nein, ich hatte nicht die Ehre." "Warum sprechen Sie so verächtlich von ihr?" "Nun, ich bitte!" Er runzelte die Stirn und sah auf seine Stiefelspitzen.

"Warum verurteilen Sie sie? Hat es nicht etwas Imponierendes, dieses stolze Sichhinwegsetzen über Familie und Gesellschaft, über alle Vorurteile ihres Standes und ihrer Geburt? Nur der Kunst zu Liebe. Liegt darin nicht auch wieder etwas echt Aristokratisches?" "Sie scheinen diesen Begriff sehr weit zu dehnen," sagte sie. "Sie vergessen die Künstlerin." "Wenn es nur das wäre." "Etwas Trotz, abenteuerlicher Sinn—" "Also." Eine lange Pause entstand. Er fühlte, dass sich das alles nicht so ganz mit seinen gestrigen Auseinandersetzungen vereinigte.

"Sie vergessen die Künstlerin," wiederholte er. Sie lächelte über seine Hartnäckigkeit.

"Und diese Künstlerin hatte die Kirchenaugen?" fragte sie.

"Ich konnte diese Augen nicht sehen, ohne an die Kirche von Drontheim zu denken. Das heisst, nur wenn die Fürstin spielte. Dann war ein wunderbares, geniales Feuer in diesen Augen; sie waren ganz leuchtend blau, und ich hatte denselben Eindruck wie bei meinem ersten Eintritt in diese Kirche, die ganz aus bläulichem Stein erbaut ist. Die blauen Pfeiler, die blaue Wölbung, es ist, als ob Sie den Himmel sehen." "Mir scheint, es steckt ein Dichter in Ihnen. Ich habe Sie in Verdacht, Verse zu machen," sagte Fides.