Die Sprache der Nazis | Geschichte
. In diesem Video schauen wir uns ganz genau die Sprache der Nationalsozialisten an. Wie sie Begriffe umdeuten und neu einführen,
um zu lügen, einzuschüchtern und aufzuhetzen.
Leider werden viele rhetorische Tricks und Begriffe,
die schon die Nazis angewendet haben, heute wieder benutzt.
Vielleicht habt ihr gemerkt, dass ich in den Videos,
die ich für den "musstewissen"-Kanal zum Thema Nationalsozialismus mache,
immer wieder auf die Sprache gekommen bin.
Das ist mir besonders wichtig, denn dadurch, wie wir sprechen,
gestalten wir die Wirklichkeit.
Ein ganz einfaches Beispiel kennt ihr alle: Zu diesem Glas kann man sagen,
es ist halbleer oder es ist halbvoll.
Beides beschreibt den faktischen Zustand richtig.
Aber zu sagen, das Glas ist halbvoll,
signalisiert etwas anderes als zu sagen,
dass das Glas halbleer ist.
Ein halbleeres Glas ist auf dem Weg, ganz leer zu werden.
Ein halbvolles Glas ist dagegen schon zur Hälfte gefüllt.
"Halbvoll" signalisiert dem Zuhörer einen Zuwachs,
"halbleer" dagegen eine Abnahme.
In der Politik wird generell viel mit der Sprache gearbeitet.
Wenn der Rentenbeitrag angepasst wird, klingt das besser als:
Der Rentenbeitrag wird erhöht.
Personal entlassen ist unangenehm.
Personal freisetzen klingt doch viel netter.
Das Wort Kollateralschaden hört sich sehr technisch
und irgendwie auch sauber an.
Gemeint ist, dass unschuldige Zivilisten gestorben sind.
Manchmal werden Begriffe auch
mit einer ganz bestimmten Bedeutung aufgeladen.
Z.B. der Begriff Atomkraft.
Da denkt jeder an Explosion und Verstrahlung.
Dagegen denkt man bei Kernenergie an unendliche Kraft.
Das alles ist Manipulation durch Sprache.
Aber dagegen wende ich mich auch nicht, denn das sind eben einfach
Möglichkeiten, die unsere Sprache hergibt. Etwas ganz anderes ist es,
wenn man eine Sprache verwendet, die nach und nach die Gedanken vergiftet.
Die Nationalsozialisten haben das ständig gemacht.
Bei der Propaganda setzen sie ganz unverhohlen auf Lügen.
Hitler gibt das selbst zu und sagt: Je größer die Lüge ist, umso besser.
Denn großen Lügen fällt man leichter zum Opfer.
Und Hitler lügt ja auch, was das Zeug hält.
Dauernd redet er davon, dass er Frieden will
und bereitet den Krieg vor.
Eine weitere Lüge ist, dass die anderen Staaten
– oder auch die Juden – Deutschland den Krieg aufgezwungen hätten,
während Hitler immer den Krieg verhindern wollte.
Man hat sich sozusagen nur verteidigt.
Hitler setzt die Sprache als Waffe ein.
Denn indem man die Sprache ganz bewusst wählt,
kann man das Denken der Menschen lenken. Sein Propagandaminister,
also der oberste Volksverführer, Joseph Goebbels erklärt:
"Das Volk soll anfangen, einheitlich zu denken,einheitlich zu reagieren".
Die Nationalsozialisten schreiben neue Wörterbücher,
in denen Begriffe aus der Parteisprache erklärt
und eingeführt werden.
In den Duden schreiben sie Wörter wie "Rassenschande",
"Halbjude" oder "Volksgenosse" hinein.
Und ganz normale Lexika werden sprachlich angepasst.
Heute hätte Goebbels vielleicht eine ganze Abteilung aufgestellt,
die Wikipedia-Artikel im Sinne der NS-Sprache umgebaut hätten.
Natürlich überwacht das Propaganda- ministerium auch die Medien.
Die Zeitungsredaktionen bekommen ganz direkte Befehle.
Z.B. dürfen im Krieg nur noch deutsche Flugzeuge
als Kampfflugzeuge bezeichnet werden.
Englische Flugzeuge heißen dann eben nur Flugzeuge.
Damit sollen die Menschen das Gefühl bekommen, die deutschen Flugzeuge
sind besser und stärker als die englischen.
In Wirklichkeit stimmte das natürlich nicht.
Worum geht es den Nazis? Was wollen sie erreichen?
Es geht darum, die Wahrheit zu verschleiern.
Es geht darum, rationale Argumente zu verdrängen durch Gefühlsargumente.
Es geht darum, mit Sprache den Boden für Taten zu legen,
v.a. für die Anwendung von Gewalt.
Und es geht darum, neue Werte einzuführen.
Den Wert des Volkes vor dem Wert des Einzelnen z.B.
Eine wichtige Technik ist, dass die Nazis Wörter aus Fachsprachen
in die Alltagssprache hineinbringen.
Z.B. aus der Medizin, der Biologie oder der Technik.
Die Gleichschaltung ist dafür ein Beispiel.
"Gleichschaltung" ist ein Begriff aus der Elektrotechnik.
Die Nationalsozialisten wollen das Volk gleichschalten,
damit alle in dieselbe Richtung denken.
Gleichschalten klingt eben technisch und steril. Man könnte auch sagen –
und es bedeutet das Gleiche: Wir verbieten dir deine eigene Meinung.
Ich denke, euch ist der Unterschied schon klar geworden.
Solche Ausdrücke aus Fachsprachen haben einen wissenschaf. Anstrich,
klingen vernünftig. Wer so redet, kommt objektiv und rational rüber.
Eine andere Technik ist das Verwenden von Euphemismen. Also Begriffe,
die die Wahrheit verschleiern, indem sie etwas besser dastehen lassen,
als sie ist. "Schutzhaft" ist so ein Wort. Da kommen Leute also in Haft,
damit sie geschützt sind. Oder damit das Volk geschützt ist vor ihnen.
Oder der Begriff "Säuberung". Es wird etwas saubergemacht. Wunderbar.
Aber wenn eine Stadt von Juden gesäubert werden soll,
sind damit Mord und Vertreibung gemeint.
"Säubern" - da klingt auch noch etwas anderes an.
Säubern tut man verdreckte oder verschmutzte Sachen.
Juden sind also Dreck. Und Dreck muss weg, oder?
Wenn Hitler über seine Gegner redet,
benutzt er oft Worte aus der Kriminalistik. "Verbrecher" z.B.
Die Demokraten nennen er und andere "Novemberverbrecher",
weil sie sich tatsächlich oder auch nur angeblich
an der Novemberrevolution 1918 beteiligt haben.
Sie haben in den Augen der Nazis "Verrat" begangen.
Und was tut man mit den Gegnern dann?
Man bekämpft sie nicht nur, nein, man "erledigt" sie.
Macht sie fertig. Löscht sie aus.
Solche besonders brutalen Worte senken die Hemmschwelle.
Und warum auch nicht?
Immerhin hat man es ja angeblich mit Kriminellen zu tun.
Die politischen Gegner oder auch die Juden handeln
in den Worten der Nazis "schändlich".
Sie "besudeln", "verderben", "belügen", "bestehlen" und so weiter.
Das eigene Tun, die eigene Partei und natürlich der Führer selbst
werden dagegen immer heldenhaft verkauft.
Immer im Superlativ sprechen, immer alles "einmalig", "einzig",
"gigantisch","historisch", "total", "ungeheuer" machen.
Damit machen die Nazis die eigenen Ideen größer.
Bestimmt habt ihr schon mal den Ausdruck gehört, dass Hitler
der "größte Feldherr aller Zeiten" genannt wurde.
Oft verwendet Hitler auch religiöse Begriffe,
um seine Ideen sozusagen zu heiligen.
Da gibt es das "ewige" Reich.
Die NS-Ideologie ist ein "Glaubensbekenntnis".
Zum Ende seiner Reden sagt Hitler oft Amen.
Und wenn bei einer Versammlung vorne einer ruft "Sieg" und die Leute
rufen zurück "Heil", dann erinnert das doch an einen Gottesdienst.
Der Pfarrer spricht bestimmte Worte vor und die Gemeinde antwortet.
"Wir bitten Dich" – "erhöre uns".
Manche Begriffe sind auch sogenannte Totschlagargumente.
Nehmen wir mal die Redewendung "gesundes Volksempfinden".
Auch heute wird sie noch verwendet.
Während der NS-Diktatur wird das "gesunde Volksempfinden"
die Grundlage für die Rechtsprechung.
Wichtiger als Gesetze ist das "gesunde Volksempfinden".
Volkes Wille. Aber wer weiß schon, was das Volk will?
Natürlich der Führer Hitler.
Er nimmt in Anspruch, für das Volk zu sprechen.
Alle Diktatoren haben für sich behauptet,
dem Volkswillen Ausdruck zu verleihen.
Und hinter dem Begriff steckt noch mehr:
Das Volksempfinden ist "gesund".
Wer anderer Meinung ist, ist also "krank".
Und Krankheiten muss man bekämpfen, Kranke aussortieren.
Die Nationalsozialisten haben also die Sprache benutzt,
um ein ganzes Volk zu lenken und zu manipulieren.
In der aktuellen politischen Debatte
kommen leider wieder solche Begriffe hoch.
Z.B. das Wort "Lügenpresse",
das auch schon die Nationalsozialisten benutzt haben.
Oder wenn die Rede von "Altparteien" ist.
Dieser Begriff war ursprünglich ein Kampfbegriff, den die NSDAP
einführte, um gegen die bestehenden Parteien Stimmung zu machen.
Alternativ hört man öfter das Wort "Kartellparteien" ist.
Ein Kartell ist, wenn eigentlich konkurrierende Firmen die Preise
ihrer Produkte absprechen, damit beide mehr verlangen können.
Ein Kartell zu bilden ist verboten und spricht man von einem Kartell,
schwingt immer der Gedanke an die organisierte Kriminalität,
die Mafia mit.
Also: Die anderen Parteien sind verbrecherische Organisationen,
die uns übers Ohr hauen wollen.
Ich finde, es ist absolut o.k., wenn man sagt,
dass der politische Mitbewerber schlechte Ideen hat
oder dass diese Ideen dem Land schaden können.
Aber es ist nicht o.k., wenn man so tut,
als wäre der politische Mitbewerber in Wirklichkeit
ein undurchsichtiger Verbrecher, der uns an Leib und Leben bedroht.
Ganz ehrlich: Wenn Sprache so benutzt wird, dann erschrecke ich.
Denn genau so wurden wir schon einmal manipuliert.
Alle Politikerinnen und Politiker in unserem Land müssen aufpassen,
dass sie so etwas nicht mitmachen.
Und wenn die Selbstkontrolle mal versagt, dann ist es unsere Aufgabe,
den Politikern zu sagen: Bis hierhin und nicht weiter.
Da würde mich interessieren, ist euch schon so was aufgefallen?
Sind euch solche Worte, solche Formulierungen aufgefallen,
die in der Politik umgehen, die eigentlich nicht o.k. sind?
Schreibt es gerne mal unten in die Kommentare,
was euch da aufgefallen ist und lasst uns darüber diskutieren.
Danke schon mal dafür, danke fürs Zuschauen. Bis zum nächsten Mal.
Untertitel: ARD Text im Auftrag von Funk (2018)