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Literatur in einfachem Deutsch

Literatur in einfachem Deutsch

Literatur in einfachem Deutsch Geschichten in leicht verständlichem Deutsch zu verfassen: Diese Herausforderung des Literaturhauses Frankfurt nahmen sechs Autoren an. Das Schreibexperiment reizte auch den deutsch-isländischen Autor Kristof Magnusson.

Eher selten findet man Literatur, die in leicht verständlichem Deutsch geschrieben ist. Dabei ist sie vor allem für Menschen, die nicht so gut lesen und schreiben können, hilfreich. Nach einer Studie der Universität Hamburg aus dem Jahr 2012 trifft das auf mehr als 21 Millionen Menschen in Deutschland zu. Interessant sein kann diese einfache Literatur aber auch für Deutschlernende auf Anfängerniveau. Das Literaturhaus Frankfurt konnte sechs Autorinnen und Autoren für ein einzigartiges Projekt gewinnen: Geschichten in leicht verständlicher, einfacher Sprache zu schreiben. Die Autorinnen und Autoren formulierten elf Regeln, an die sie sich beim Schreiben halten wollten: Dazu gehörten die Verwendung möglichst vieler Verben und einfacher Wörter, möglichst keine Zeitsprünge sowie eine bestimmte Textlänge. Die jeweilige Geschichte musste in 20 Minuten vorgetragen werden können. Außerdem sollten sich die Texte auf Ereignisse, Orte, Personen oder Gegenstände aus der Frankfurter Geschichte beziehen. Auch der deutsch-isländische Schriftsteller und Übersetzer Kristof Magnusson beteiligte sich. Seine Krimi-Kurzgeschichte „Die billige Wohnung“ beschäftigt sich mit dem Mord an der Frankfurter Prostituierten Rosemarie Nitribitt im Jahre 1957. Was ihn an dem Thema reizte, begründet Kristof Magnusson so:

„Weil das eben auf der einen Seite eine sehr interessante Geschichte ist, auf der anderen Seite aber auch eine Geschichte, die sich erst mal in diesen Grundzügen sehr leicht darstellen lässt. Also, es geht um Sex, es geht um Gewalt, das versteht erst mal jeder. Das ist vom Sujet etwas, wo ich dachte, dass es sich besonders gut eignet, in einfacher Sprache erzählt zu werden.“

Kristof Magnusson wählte bewusst ein Thema, ein Sujet, das die meisten Menschen kennen. Das trifft auch auf die Geschichte selbst zu: Eine junge Frau hat nach langer Suche endlich eine Wohnung in der Großstadt Frankfurt am Main gefunden. Diese Wohnung ist zudem noch schön, hell, mit großen Fenstern – und für eine Großstadt wie Frankfurt vor allem eins: billig. Eines Tages klingelt ein älterer Herr bei ihr. Es stellt sich heraus, dass er früher mal ein Kunde einer berühmten Prostituierten war. Und diese wurde in der Wohnung der ahnungslosen jungen Frau ermordet. Wie setzte Kristof Magnusson die Geschichte so um, dass sie leicht verständlich war?

„Ich gehe da so heran, dass ich schon versuche, halt in jedem Satz möglichst nur eine Aussage zu haben; und wenn dann schwierige Wörter wie „Alibi“ oder so was vorkommen, dass ich die dann versuche, noch mal zu erklären, ohne dass es sehr so mit dem Holzhammer daherkommt. Das heißt, ich versuche, wirklich den Text einfach zu erzählen – auch meistens nur aus einer Perspektive und mit wenig Reflexionen – und gucke dann, was dann an die Stelle tritt.“

Kristof Magnusson hat sich beim Schreiben überlegt, war da so herangegangen, dass er so einfach wie möglich formuliert. Ein Beispiel: „Da hörte ich ein Geräusch. Es klopfte. An der Tür. An meiner Tür. Es hatte noch nie an meiner Tür geklopft. Vielleicht war es ein Nachbar? Bestimmt war es ein Nachbar. Wer sollte denn sonst bei mir klopfen?“ Die Erzählperspektive ist die einer Ich-Erzählerin. Diese reflektiert nicht stark, stellt keine tiefgründigen Überlegungen an. Fremdwörter werden vermieden, und wenn mal eines notwendig ist, wird es auf nicht belehrende Art und Weise erklärt. Es kommt nicht mit dem Holzhammer daher. So lässt Kristof Magnusson das Fremdwort „Alibi“ von der Ich-Erzählerin selbst erklären. Obwohl sich diese Art des Schreibens von allem unterscheidet, was Kristof Magnusson bisher verfasste, findet er nicht, dass seine literarische Sprachkunst darunter leiden könnte:

„Das ist einfach eine gänzlich andere Form von Arbeiten. Das ist etwas, was Künstler ja zumindest im ganzen 20. Jahrhundert andauernd gemacht: sich aus Spaß oder aus der Lust am Spiel oder am künstlerischen Experiment bestimmte Dinge zu verbieten, um einfach mal zu gucken, was sie dann machen. Da gibt's ja ganz berühmte Beispiele, also zum Beispiel Georges Perec schreibt einen Roman ohne den Buchstaben E.“

Der Spaß am Experiment, mal anders zu schreiben, sich Dinge zu verbieten, sie nicht zu tun: Das reizte Kristof Magnusson. Und dabei hatte er, wie er sagt, keine bestimmte Zielgruppe im Blick:

„Es gibt wahnsinnig viele verschiedene Gruppen, für die das interessant sein kann. Zum Teil ist es für Gehörlose interessant, weil man dadurch auch natürlich auch zu Lesungen gehen kann, weil die einfache Sprache sich sehr unkompliziert in die Gebärdensprache dolmetschen lässt. Und eine Gruppe, die auch zum Beispiel bei der Lesung auftauchte, die ich in Frankfurt gemacht hab, waren auch einfach Literaturinteressierte, die also mal gucken wollten, was aus diesem Experiment so wird.“

Die Befürchtung mancher Kritiker, dass der deutschen Sprache eine „Infantilisierung“ drohen könnte, wenn die Standards zum Schreiben gesenkt würden, dass also die Sprache zu kindlich wird, teilt Kristof Magnusson nicht. Er findet, es kann ruhig mehrere Register, Sprachstile, geben:

„Man hat einfach viele verschiedene Register und man zieht das, was für den jeweiligen literarischen Text, für die Stimmung, die Temperatur des Textes richtig ist. Das mache ich als Autor genauso. Und es ist in der einfachen Sprache so: Die ist auch nur eins von diesen Registern.“


Literatur in einfachem Deutsch Literature in simple German Literatura em alemão simples

Literatur in einfachem Deutsch Geschichten in leicht verständlichem Deutsch zu verfassen: Diese Herausforderung des Literaturhauses Frankfurt nahmen sechs Autoren an. Writing Literature in Simple German Stories in easy-to-understand German: Six authors accepted this challenge from the Literaturhaus Frankfurt. Das Schreibexperiment reizte auch den deutsch-isländischen Autor Kristof Magnusson. The writing experiment also irritated the German-Icelandic author Kristof Magnusson.

Eher selten findet man Literatur, die in leicht verständlichem Deutsch geschrieben ist. Rarely do you find literature that is written in easy-to-understand German. Dabei ist sie vor allem für Menschen, die nicht so gut lesen und schreiben können, hilfreich. Above all, it is helpful for people who are less able to read and write. Nach einer Studie der Universität Hamburg aus dem Jahr 2012 trifft das auf mehr als 21 Millionen Menschen in Deutschland zu. According to a study by the University of Hamburg in 2012, this applies to more than 21 million people in Germany. Interessant sein kann diese einfache Literatur aber auch für Deutschlernende auf Anfängerniveau. This simple literature can also be interesting for learners of German at the beginner level. Das Literaturhaus Frankfurt konnte sechs Autorinnen und Autoren für ein einzigartiges Projekt gewinnen: Geschichten in leicht verständlicher, einfacher Sprache zu schreiben. The Literaturhaus Frankfurt was able to win six authors for a unique project: to write stories in an easily understandable, simple language. Die Autorinnen und Autoren formulierten elf Regeln, an die sie sich beim Schreiben halten wollten: Dazu gehörten die Verwendung möglichst vieler Verben und einfacher Wörter, möglichst keine Zeitsprünge sowie eine bestimmte Textlänge. The authors formulated eleven rules that they wanted to follow in writing: These included the use of as many verbs and simple words as possible, preferably no time jumps and a certain text length. Die jeweilige Geschichte musste in 20 Minuten vorgetragen werden können. The story had to be presented in 20 minutes. Außerdem sollten sich die Texte auf Ereignisse, Orte, Personen oder Gegenstände aus der Frankfurter Geschichte beziehen. In addition, the texts should refer to events, places, persons or objects from the history of Frankfurt. Auch der deutsch-isländische Schriftsteller und Übersetzer Kristof Magnusson beteiligte sich. The German-Icelandic writer and translator Kristof Magnusson also participated. Seine Krimi-Kurzgeschichte „Die billige Wohnung“ beschäftigt sich mit dem Mord an der Frankfurter Prostituierten Rosemarie Nitribitt im Jahre 1957. His thriller short story "The cheap apartment" deals with the murder of the Frankfurt prostitute Rosemarie Nitribitt in 1957. Was ihn an dem Thema reizte, begründet Kristof Magnusson so: What appealed to him about the topic, Kristof Magnusson explains:

„Weil das eben auf der einen Seite eine sehr interessante Geschichte ist, auf der anderen Seite aber auch eine Geschichte, die sich erst mal in diesen Grundzügen sehr leicht darstellen lässt. "Because that's a very interesting story on the one hand, but also a story on the other, which is very easy to visualize in these terms. Also, es geht um Sex, es geht um Gewalt, das versteht erst mal jeder. Well, it's about sex, it's about violence, everyone understands that. Das ist vom Sujet etwas, wo ich dachte, dass es sich besonders gut eignet, in einfacher Sprache erzählt zu werden.“ This is something of the subject where I thought it would be particularly good to be told in simple language. "

Kristof Magnusson wählte bewusst ein Thema, ein Sujet, das die meisten Menschen kennen. Kristof Magnusson consciously chose a theme, a subject that most people know. Das trifft auch auf die Geschichte selbst zu: Eine junge Frau hat nach langer Suche endlich eine Wohnung in der Großstadt Frankfurt am Main gefunden. This also applies to the story itself: After a long search, a young woman finally found an apartment in the city of Frankfurt am Main. Diese Wohnung ist zudem noch schön, hell, mit großen Fenstern – und für eine Großstadt wie Frankfurt vor allem eins: billig. This apartment is also still beautiful, bright, with large windows - and for a city like Frankfurt especially one thing: cheap. Eines Tages klingelt ein älterer Herr bei ihr. One day an elderly gentleman rings her. Es stellt sich heraus, dass er früher mal ein Kunde einer berühmten Prostituierten war. It turns out that he once was a client of a famous prostitute. Und diese wurde in der Wohnung der ahnungslosen jungen Frau ermordet. And she was murdered in the apartment of the unsuspecting young woman. Wie setzte Kristof Magnusson die Geschichte so um, dass sie leicht verständlich war? How did Kristof Magnusson handle the story so that it was easy to understand?

„Ich gehe da so heran, dass ich schon versuche, halt in jedem Satz möglichst nur eine Aussage zu haben; und wenn dann schwierige Wörter wie „Alibi“ oder so was vorkommen, dass ich die dann versuche, noch mal zu erklären, ohne dass es sehr so mit dem Holzhammer daherkommt. "I get so close that I try to have only one statement in each sentence; and then when you find difficult words like "alibi" or something like that, then I try to explain it again, without it coming along so much with the mallet. Das heißt, ich versuche, wirklich den Text einfach zu erzählen – auch meistens nur aus einer Perspektive und mit wenig Reflexionen – und gucke dann, was dann an die Stelle tritt.“ That is, I really try to simply narrate the text - mostly from a single perspective and with few reflections - and then watch what comes along. "

Kristof Magnusson hat sich beim Schreiben überlegt, war da so herangegangen, dass er so einfach wie möglich formuliert. Kristof Magnusson had considered writing, had come to phrase it as simply as possible. Ein Beispiel: „Da hörte ich ein Geräusch. An example: "There I heard a noise. Es klopfte. There was a knock. An der Tür. At the door. An meiner Tür. At my door. Es hatte noch nie an meiner Tür geklopft. It had never knocked on my door. Vielleicht war es ein Nachbar? Maybe it was a neighbor? Bestimmt war es ein Nachbar. Surely it was a neighbor. Wer sollte denn sonst bei mir klopfen?“ Die Erzählperspektive ist die einer Ich-Erzählerin. Who else should knock on me? "The narrative perspective is that of a first-person narrator. Diese reflektiert nicht stark, stellt keine tiefgründigen Überlegungen an. This does not reflect strongly, does not provide profound considerations. Fremdwörter werden vermieden, und wenn mal eines notwendig ist, wird es auf nicht belehrende Art und Weise erklärt. Foreign words are avoided, and if one is necessary, it is explained in a non-instructive manner. Es kommt nicht mit dem Holzhammer daher. It does not come with the mallet. So lässt Kristof Magnusson das Fremdwort „Alibi“ von der Ich-Erzählerin selbst erklären. Thus, Kristof Magnusson has the foreign word "alibi" explained by the narrator herself. Obwohl sich diese Art des Schreibens von allem unterscheidet, was Kristof Magnusson bisher verfasste, findet er nicht, dass seine literarische Sprachkunst darunter leiden könnte: Although this type of writing differs from anything that Kristof Magnusson has written so far, he does not find that his literary linguistics could suffer:

„Das ist einfach eine gänzlich andere Form von Arbeiten. "It's just a completely different kind of work. Das ist etwas, was Künstler ja zumindest im ganzen 20. That's something artists have, at least in the 20th century. Jahrhundert andauernd gemacht: sich aus Spaß oder aus der Lust am Spiel oder am künstlerischen Experiment bestimmte Dinge zu verbieten, um einfach mal zu gucken, was sie dann machen. Century made it: for fun or for the pleasure of the game or the artistic experiment to ban certain things, just to see what they do then. Da gibt's ja ganz berühmte Beispiele, also zum Beispiel Georges Perec schreibt einen Roman ohne den Buchstaben E.“ There are very famous examples, for example Georges Perec writes a novel without the letter E. "

Der Spaß am Experiment, mal anders zu schreiben, sich Dinge zu verbieten, sie nicht zu tun: Das reizte Kristof Magnusson. The fun of experimenting, of writing differently, of banning things, of not doing them: that appealed to Kristof Magnusson. Und dabei hatte er, wie er sagt, keine bestimmte Zielgruppe im Blick: And he had, as he says, no particular target group in view:

„Es gibt wahnsinnig viele verschiedene Gruppen, für die das interessant sein kann. "There are a lot of different groups for which this can be interesting. Zum Teil ist es für Gehörlose interessant, weil man dadurch auch natürlich auch zu Lesungen gehen kann, weil die einfache Sprache sich sehr unkompliziert in die Gebärdensprache dolmetschen lässt. Partly it is interesting for the deaf, because of course it can also go to readings, because the simple language can be interpreted very easily in the sign language. Und eine Gruppe, die auch zum Beispiel bei der Lesung auftauchte, die ich in Frankfurt gemacht hab, waren auch einfach Literaturinteressierte, die also mal gucken wollten, was aus diesem Experiment so wird.“ And a group that also showed up, for example, at the reading that I did in Frankfurt, were also simply interested in literature, so they wanted to see what happens to this experiment. "

Die Befürchtung mancher Kritiker, dass der deutschen Sprache eine „Infantilisierung“ drohen könnte, wenn die Standards zum Schreiben gesenkt würden, dass also die Sprache zu kindlich wird, teilt Kristof Magnusson nicht. The fear of some critics that the German language could threaten a "infantilization" if the standards were reduced to writing, so that the language becomes too childlike, says Kristof Magnusson not. Er findet, es kann ruhig mehrere Register, Sprachstile, geben: He thinks there may be several stops, linguistic styles:

„Man hat einfach viele verschiedene Register und man zieht das, was für den jeweiligen literarischen Text, für die Stimmung, die Temperatur des Textes richtig ist. "You simply have many different registers and you draw what is right for the particular literary text, for the mood, the temperature of the text. Das mache ich als Autor genauso. I do that as an author as well. Und es ist in der einfachen Sprache so: Die ist auch nur eins von diesen Registern.“ And it's like that in plain language: It's also just one of those registers."