×

Wir verwenden Cookies, um LingQ zu verbessern. Mit dem Besuch der Seite erklärst du dich einverstanden mit unseren Cookie-Richtlinien.


image

Rainer Maria Rilke Die goldene Kiste

Rainer Maria Rilke Die goldene Kiste

Es war Frühling. Selig lächelte die Sonne vom durchscheinenden, tiefblauen Himmel, selten aber verirrten sich ihre Strahlen bis zu dem Zwischenstocke jenes Hauses in der schmalen Seitengasse. Wenn einmal ein Lichtschimmer sprühend durch die kleinen Scheiben drang und auf die getünchte Rückwand des bescheidenen Zimmers huschende Kreise warf, so kam er gewiß schon aus zweiter Hand, er ward nämlich zurückgeworfen von irgend einem Fenster des gegenüberliegenden, hohen Hauses. Um so mehr freute sich der Kleine, der an dem Fenster des Zwischenstockes Tag für Tag spielte, über das muntere Treiben der zuckenden, lichten Flecke an der Wand und sprang empor und haschte nach ihnen und lachte dabei so aus voller Seele, daß selbst in das traurige Gesicht seines Mütterchens sich ein Widerschein dieses Lachens stahl. Ein Jahr kaum war sie Witwe. Mit dem Tode des teuren Gatten brach auch der mäßige Wohlstand zusammen, den er durch seine Arbeit begründet hatte. Sie mußte die geräumige Wohnung mit diesem Zimmer vertauschen, und durch der eigenen Hände Mühen die wenigen früher ersparten Groschen mehren, um sich und vor allem ihrem Kinde, dem kleinen, fünfjährigen Willy, das Notwendigste nicht versagen zu müssen. Was Wunder, wenn dieses Kind jetzt ihren ganzen Trost ausmachte! Eben hob sie die matten Augen von der Arbeit und betrachtete mit liebevollem, innigem Blick den Kleinen, wie er, das frische Gesichtchen auf die fleischigen Fäustchen gestützt, am Fenster lehnte. Heute war es indessen nicht das Spiel der Sonne, das ihn so sehr beschäftigte, daß er sogar sein Pferdchen, welches auf dem Fensterbrett umgestürzt war, nicht beachtete. Heute ging da draußen etwas Ungewöhnliches vor. Drüben im Hause war neulich ein Gewölbe leer geworden. Ein Tuchhändler hatte seinen Verkaufsraum in eine andere Straße verlegt, und seither hatte man dort geputzt, gescheuert, und hatte zum großen Vergnügen des Knaben die Bretter, welche die beiden Schaufenster des Nachts und Sonntags verdecken sollten, erst abgeschalt, dann schmutzig gelb und endlich mit tiefschwarzer, schöner Farbe bestrichen. Hatte schon das das Interesse Willy's wachgerufen, so kannte heute sein Entzücken keine Grenzen mehr, als hinter den glänzenden Scheiben dort drüben goldene und silberne Kästchen und Kästen, alle mit sechs Kanten, nicht sehr hoch und bald länger, bald kürzer, auftauchten. Und nun als die Männer gar einen kleinen ganz goldenen Kasten, auf dem zwei schöne, wunderschöne Englein knieten, in das eine Auslagefenster emporgehoben, da konnte er sich nicht enthalten, in die Händchen zu klatschen. »Mutter, Mutter sieh doch, sieh! Was ist das? dieses liebe, kleine Kästchen mit den zwei Englein drauf?« Und er war nicht wenig erstaunt, als die Mutter, die aufgestanden war, gar nicht lachte, als sie die hübschen glänzenden Kistchen erblickte. Nein, eine Träne trat sogar unter den geröteten Liderrändern hervor. »Was ist das?« wiederholte zaghaft und in kleinlautem Tone das Kind. »Siehst du, Willy«, sagte die Mutter ernst und fuhr mit dem Taschentuch leicht über die Augen, »da hinein in diese Truhen, da legen die Leute die Menschen, die der liebe Gott wieder zu sich nimmt von der Erde Große und Kleine.« »Dahinein?« flüsterte der Knabe, während seine Blicke noch immer mit Wohlgefallen auf dem Schaufenster ruhten. »Ja«, fuhr die Mutter fort, »auch den Papa haben sie in solch eine Truhe ...« »Aber«, unterbrach sie der Kleine, dessen Gedanken noch bei der ersten Erklärung weilten, »warum nimmt denn der liebe Gott kleine auch zu sich. Die müssen wohl sehr brav sein, wenn sie so bald in diese schöne Kiste kommen und dann im Himmel gleich Englein sein dürfen? Nichtwahr?« Die Mutter umfaßte ihr Kind innig und herzlich. Sie kniete nieder und schloß mit einem langen Kusse die frischen Lippen. Der Kleine fragte nicht mehr. Er wandte sich rasch wieder dem Fenster zu und blickte auf die großen Auslagescheiben. Ein glückliches vergnügtes Lächeln strahlte auf seinem Gesichtchen. Die Mutter aber saß wieder über ihre Arbeit gebeugt. Plötzlich aber schaute sie auf. Tränen rollten über ihre bleichen Wangen. Sie ließ den Stoff sinken, faltete die Hände und sprach leise mit bebender Stimme: »Lieber Gott, erhalte mir ihn!« Eine dunkle, sternenlose Septembernacht. In den Zimmern des Zwischenstockes war es still. Nur das Ticken der Wanduhr vernahm man und das Ächzen des Kindes, das dort vom Fieber gerüttelt im kleinen Bettchen sich wälzte. Die Mutter beugte sich über den armen Willy. Der rötliche Schein der müden Nachtlampe huschte über ihr abgezehrtes Gesicht. »Willy! Mein Kind, mein Herz, willst du etwas?« Nur unzusammenhängende wirre Laute. »Hast du Schmerzen?« Keine Antwort. »Gott, mein Gott, wie kam denn das nur alles!« Rasch und verworren hastet es durch die Erinnerung der gequälten Frau. Ja, jener Abend. Nach dem Spiel. Kaum eine Woche ist es. Wie erhitzt er war, und der Herbstnebel, sagt der Doktor. Und jetzt, jetzt er gibt keine Hoffnung mehr. Wenn nicht die gesunde Natur ... sie konnte es nicht begreifen. Hat er nicht gerufen? Da, wieder, ganz leise: »Mutter!« »Was ist denn, mein Kind?« »Das war ... das war schön«, stammelte der Kleine, während er sich mühsam aufsetzte und das fieberrote Gesichtchen an den Arm der Mutter lehnte. »Der liebe Himmelvater hat mir gesagt, ich soll zu ihm kommen. Nicht wahr, ich darf, Mamachen! Erlaub ... bitte«, und er faltete die kleinen, heißen Hände. Da erfaßte ihn das Fieber von neuem. Er sank zurück. Die arme Mutter breitete sorgfältig die Decke über ihn. Dann, von ihrem Schmerze übermannt, glitt sie auf die Kniee und, beide Hände krampfhaft an den Rand des Eisenbettchens gekrallt, betete sie leise ... wirr, unzusammenhängend. Die Uhr schlug acht mal. Durch das Fenster drang spärlich das fahle Licht des Herbsttages. Die Dielen erschienen grau, und die Gegenstände warfen schwere, schwarze Schatten. Die Frau dort erhob sich von den Knieen, setzte sich wieder zur Seite des Bettchens hin und starrte mit tränenlosen, brennenden Augen ins Leere. Der Kleine schlief jetzt etwas ruhiger. Sein Atem aber ging sehr schnell, die Stirne war heiß und die Wangen gerötet. Die Mutter legte die Hand leise auf die blonden, zerzausten Locken, und saß still. Nur wenn zu laute Stimmen auf der Treppe widerhallten oder eine Tür im Hause jäh zuschlug zuckte sie zusammen. »Papa, Papa!« schrie das Kind auf einmal und warf sich auf die andere Seite. Die Witwe erschrak. Willy aber lag wieder ruhig. Auf der Straße fuhr ein Wagen vorüber. Das Rasseln verhallte allmählig. Das Rauschen der Besen klang über den Gangsteig. »Lieber Gott, lieber Gott, bitte!« stöhnte der Kleine. »Ich ... ich ... war brav ... Du kannst die Mutter fragen!« Die Mutter faltete zitternd die Hände. Jetzt öffnete Willy langsam die Augen. Erstaunt schaute er umher. »Ich war im Himmel, Mutter«, flüsterte das Kind »im Himmel ... aber nicht wahr ... nicht wahr«, sprach das Kind lebhaft, »du wirst mich auch in die schöne, goldene Kiste legen, Mama weißt du, die dort drüben.« Er lächelte beglückt: »In die, wo die zwei Englein daraufsind.« Die Mutter schluchzte laut auf. »In die, versprich mir ...« In entsetzlicher Angst faßte die Witwe die beiden Händchen ihres Lieblings fest. »Gott! Gott!« betete sie. Mehr konnte sie nicht sagen. Da empfand sie, wie ein kalter Schauer durch die Hände des Kindes ging, ein Zucken sie schrie auf. Alle Röte war aus den Wangen des Kindes gewichen. Die Lippen bewegten sich noch dann ward es ganz still. Sie starrte das kleine Körperchen an. Eiseskälte schien davon auszugehen. Sie umfaßte die kleinen Glieder und drückte sie an sich. Umsonst! Nur das Lächeln blieb um die starren Lippen der kleinen Leiche, dieses glückselige Lächeln! ... Und die farblose Herbstsonne glitzerte drüben auf den Särgen und auch auf dem schönen, kleinen, goldenen. Die große Spiegelscheibe warf den Strahl zurück in das Zimmer im Zwischenstocke, und der fahle Schein huschte ängstlich über das bleiche Gesichtchen des armen kleinen Willy und verlor sich allmählich auf der weißen Fläche der Wand ...


Rainer Maria Rilke Die goldene Kiste Rainer Maria Rilke The golden chest

Es war Frühling. It was spring. Selig lächelte die Sonne vom durchscheinenden, tiefblauen Himmel, selten aber verirrten sich ihre Strahlen bis zu dem Zwischenstocke jenes Hauses in der schmalen Seitengasse. The sun smiled happily from the transparent, deep blue sky, but its rays seldom strayed to the mezzanine floor of that house in the narrow side street. Wenn einmal ein Lichtschimmer sprühend durch die kleinen Scheiben drang und auf die getünchte Rückwand des bescheidenen Zimmers huschende Kreise warf, so kam er gewiß schon aus zweiter Hand, er ward nämlich zurückgeworfen von irgend einem Fenster des gegenüberliegenden, hohen Hauses. Whenever a shimmer of light came through the small panes and threw scurrying circles on the whitewashed back wall of the modest room, it was certainly second-hand, for it was reflected from some window of the tall building opposite. Um so mehr freute sich der Kleine, der an dem Fenster des Zwischenstockes Tag für Tag spielte, über das muntere Treiben der zuckenden, lichten Flecke an der Wand und sprang empor und haschte nach ihnen und lachte dabei so aus voller Seele, daß selbst in das traurige Gesicht seines Mütterchens sich ein Widerschein dieses Lachens stahl. The little one, who played day after day at the mezzanine window, was all the happier about the lively hustle and bustle of the twitching, bright spots on the wall, and jumped up and grabbed at them, laughing so wholeheartedly that even in that a reflection of that laugh stole from his mother's sad face. Ein Jahr kaum war sie Witwe. A year ago she was a widow. Mit dem Tode des teuren Gatten brach auch der mäßige Wohlstand zusammen, den er durch seine Arbeit begründet hatte. With the death of his dear husband, the moderate prosperity that he had established through his work also collapsed. Sie mußte die geräumige Wohnung mit diesem Zimmer vertauschen, und durch der eigenen Hände Mühen die wenigen früher ersparten Groschen mehren, um sich und vor allem ihrem Kinde, dem kleinen, fünfjährigen Willy, das Notwendigste nicht versagen zu müssen. She had to exchange the spacious apartment for this room and, through her own efforts, increase the few pennies she had previously saved in order not to have to deny herself, and above all her child, little Willy, five-year-old, the bare essentials. Was Wunder, wenn dieses Kind jetzt ihren ganzen Trost ausmachte! What wonder if that child was all her consolation now! Eben hob sie die matten Augen von der Arbeit und betrachtete mit liebevollem, innigem Blick den Kleinen, wie er, das frische Gesichtchen auf die fleischigen Fäustchen gestützt, am Fenster lehnte. She had just lifted her tired eyes from her work and looked at the little one with a loving, heartfelt gaze as he leaned against the window, his fresh little face propped on his fleshy little fists. Heute war es indessen nicht das Spiel der Sonne, das ihn so sehr beschäftigte, daß er sogar sein Pferdchen, welches auf dem Fensterbrett umgestürzt war, nicht beachtete. Today, however, it was not the play of the sun that occupied him so much that he even ignored his little horse, which had fallen over on the windowsill. Heute ging da draußen etwas Ungewöhnliches vor. Something unusual happened out there today. Drüben im Hause war neulich ein Gewölbe leer geworden. Over there in the house a vault had recently become empty. Ein Tuchhändler hatte seinen Verkaufsraum in eine andere Straße verlegt, und seither hatte man dort geputzt, gescheuert, und hatte zum großen Vergnügen des Knaben die Bretter, welche die beiden Schaufenster des Nachts und Sonntags verdecken sollten, erst abgeschalt, dann schmutzig gelb und endlich mit tiefschwarzer, schöner Farbe bestrichen. A cloth dealer had moved his salesroom to another street, and since then people had cleaned and scoured there and, to the boy's great delight, the boards that were supposed to cover the two shop windows at night and on Sundays had first been peeled off, then dirty yellow and finally with them coated in a beautiful deep black colour. Hatte schon das das Interesse Willy’s wachgerufen, so kannte heute sein Entzücken keine Grenzen mehr, als hinter den glänzenden Scheiben dort drüben goldene und silberne Kästchen und Kästen, alle mit sechs Kanten, nicht sehr hoch und bald länger, bald kürzer, auftauchten. If that had aroused Willy's interest, today his delight knew no bounds when behind the gleaming panes over there golden and silver caskets and boxes, all with six edges, not very high and sometimes longer, sometimes shorter, appeared. Und nun als die Männer gar einen kleinen ganz goldenen Kasten, auf dem zwei schöne, wunderschöne Englein knieten, in das eine Auslagefenster emporgehoben, da konnte er sich nicht enthalten, in die Händchen zu klatschen. And now when the men lifted a small, very golden box, on which two beautiful, beautiful little angels were kneeling, into one of the display windows, he couldn't help clapping his hands. »Mutter, Mutter sieh doch, sieh! "Mother, mother look, look! Was ist das? dieses liebe, kleine Kästchen mit den zwei Englein drauf?«   Und er war nicht wenig erstaunt, als die Mutter, die aufgestanden war, gar nicht lachte, als sie die hübschen glänzenden Kistchen erblickte. That dear little box with the two little angels on it?' And he was not a little surprised when his mother, who had stood up, did not laugh at all when she saw the pretty shiny box. Nein, eine Träne trat sogar unter den geröteten Liderrändern hervor. No, a tear even emerged from under the reddened rims of the lids. »Was ist das?« wiederholte zaghaft und in kleinlautem Tone das Kind. "What is that?" repeated the child, timidly and in a meek tone. »Siehst du, Willy«, sagte die Mutter ernst und fuhr mit dem Taschentuch leicht über die Augen, »da hinein in diese Truhen, da legen die Leute die Menschen, die der liebe Gott wieder zu sich nimmt von der Erde Große und Kleine.« »Dahinein?« flüsterte der Knabe, während seine Blicke noch immer mit Wohlgefallen auf dem Schaufenster ruhten. “You see, Willy,” said his mother seriously, wiping her eyes lightly with her handkerchief, “into these chests, people put the people that God takes back from the earth, big and small. ' 'In there?' whispered the boy, while his eyes still rested with satisfaction on the shop window. »Ja«, fuhr die Mutter fort, »auch den Papa haben sie in solch eine Truhe ...« »Aber«, unterbrach sie der Kleine, dessen Gedanken noch bei der ersten Erklärung weilten, »warum nimmt denn der liebe Gott kleine auch zu sich. "Yes," continued the mother, "they put papa in a chest like that too..." "But," interrupted the little one, whose thoughts were still on the first explanation, "why does the good Lord take little ones too to himself. Die müssen wohl sehr brav sein, wenn sie so bald in diese schöne Kiste kommen und dann im Himmel gleich Englein sein dürfen? They must be very good if they are to come into this beautiful box so soon and then be allowed to be angels in heaven? Nichtwahr?« Die Mutter umfaßte ihr Kind innig und herzlich. Isn't it?' The mother embraced her child warmly and fervently. Sie kniete nieder und schloß mit einem langen Kusse die frischen Lippen. She knelt down and closed her fresh lips in a long kiss. Der Kleine fragte nicht mehr. The little one didn't ask any more. Er wandte sich rasch wieder dem Fenster zu und blickte auf die großen Auslagescheiben. He quickly turned back to the window and looked at the large display windows. Ein glückliches vergnügtes Lächeln strahlte auf seinem Gesichtchen. A happy, gleeful smile shone on his little face. Die Mutter aber saß wieder über ihre Arbeit gebeugt. But the mother sat bent over her work again. Plötzlich aber schaute sie auf. But suddenly she looked up. Tränen rollten über ihre bleichen Wangen. Tears rolled down her pale cheeks. Sie ließ den Stoff sinken, faltete die Hände und sprach leise mit bebender Stimme: »Lieber Gott, erhalte mir ihn!« Eine dunkle, sternenlose Septembernacht. She lowered the fabric, folded her hands and spoke softly in a trembling voice: "Dear God, save him!" A dark, starless September night. In den Zimmern des Zwischenstockes war es still. It was quiet in the rooms on the mezzanine. Nur das Ticken der Wanduhr vernahm man und das Ächzen des Kindes, das dort vom Fieber gerüttelt im kleinen Bettchen sich wälzte. All you could hear was the ticking of the clock on the wall and the groaning of the child, shaking with fever and tossing and turning in the little bed. Die Mutter beugte sich über den armen Willy. The mother bent over poor Willy. Der rötliche Schein der müden Nachtlampe huschte über ihr abgezehrtes Gesicht. The reddish glow of the tired night lamp flashed across her haggard face. »Willy! Mein Kind, mein Herz, willst du etwas?« Nur unzusammenhängende wirre Laute. My child, my heart, do you want something?' Just incoherent muddled sounds. »Hast du Schmerzen?« Keine Antwort. »Gott, mein Gott, wie kam denn das nur alles!« Rasch und verworren hastet es durch die Erinnerung der gequälten Frau. "God, my God, how did it all happen?" Quick and confused, it rushes through the tormented woman's memory. Ja, jener Abend. Yes, that evening. Nach dem Spiel. After the game. Kaum eine Woche ist es. It's barely a week. Wie erhitzt er war, und der Herbstnebel, sagt der Doktor. How hot it was and the autumn fog, says the doctor. Und jetzt, jetzt er gibt keine Hoffnung mehr. And now, now he gives no more hope. Wenn nicht die gesunde Natur ... sie konnte es nicht begreifen. If not the sane nature... she couldn't comprehend it. Hat er nicht gerufen? Didn't he call? Da, wieder, ganz leise: »Mutter!« »Was ist denn, mein Kind?« »Das war ... das war schön«, stammelte der Kleine, während er sich mühsam aufsetzte und das fieberrote Gesichtchen an den Arm der Mutter lehnte. There, again, very quietly: "Mother!" "What's the matter, my child?" "That was ... that was nice," the little one stammered as he struggled to sit up and leaned his fever-red face against his mother's arm . »Der liebe Himmelvater hat mir gesagt, ich soll zu ihm kommen. »The dear Heavenly Father told me to come to him. Nicht wahr, ich darf, Mamachen! Can't I, Mamachen! Erlaub ... bitte«, und er faltete die kleinen, heißen Hände. Allow . . . please,” and he clasped his small, hot hands. Da erfaßte ihn das Fieber von neuem. Then the fever seized him again. Er sank zurück. He fell back. Die arme Mutter breitete sorgfältig die Decke über ihn. The poor mother carefully spread the blanket over him. Dann, von ihrem Schmerze übermannt, glitt sie auf die Kniee und, beide Hände krampfhaft an den Rand des Eisenbettchens gekrallt, betete sie leise ... wirr, unzusammenhängend. Then, overcome by her pain, she slid to her knees and, both hands clutching the edge of the iron bed, she prayed softly ... confused, incoherent. Die Uhr schlug acht mal. The clock struck eight. Durch das Fenster drang spärlich das fahle Licht des Herbsttages. The pale light of the autumn day filtered through the window. Die Dielen erschienen grau, und die Gegenstände warfen schwere, schwarze Schatten. The floorboards appeared gray and objects cast heavy black shadows. Die Frau dort erhob sich von den Knieen, setzte sich wieder zur Seite des Bettchens hin und starrte mit tränenlosen, brennenden Augen ins Leere. The woman there rose from her knees and sat back down to the side of the cot, staring into space with tearless, burning eyes. Der Kleine schlief jetzt etwas ruhiger. The little one slept a little quieter now. Sein Atem aber ging sehr schnell, die Stirne war heiß und die Wangen gerötet. But his breathing was very rapid, his forehead was hot and his cheeks were red. Die Mutter legte die Hand leise auf die blonden, zerzausten Locken, und saß still. The mother laid her hand softly on the blond, tousled curls and sat still. Nur wenn zu laute Stimmen auf der Treppe widerhallten oder eine Tür im Hause jäh zuschlug zuckte sie zusammen. She only flinched when voices that were too loud echoed on the stairs or a door in the house slammed shut. »Papa, Papa!« schrie das Kind auf einmal und warf sich auf die andere Seite. "Dad, Daddy!" the child suddenly cried and threw himself on the other side. Die Witwe erschrak. The widow was startled. Willy aber lag wieder ruhig. But Willy lay quiet again. Auf der Straße fuhr ein Wagen vorüber. A car drove by on the street. Das Rasseln verhallte allmählig. The rattling gradually died away. Das Rauschen der Besen klang über den Gangsteig. The swoosh of brooms echoed down the sidewalk. »Lieber Gott, lieber Gott, bitte!« stöhnte der Kleine. "Dear God, dear God, please!" moaned the little one. »Ich ... ich ... war brav ... Du kannst die Mutter fragen!« Die Mutter faltete zitternd die Hände. "I ... I ... was good ... You can ask the mother!" The mother clasped her hands trembling. Jetzt öffnete Willy langsam die Augen. Now Willy slowly opened his eyes. Erstaunt schaute er umher. He looked around in astonishment. »Ich war im Himmel, Mutter«, flüsterte das Kind »im Himmel ... aber nicht wahr ... nicht wahr«, sprach das Kind lebhaft, »du wirst mich auch in die schöne, goldene Kiste legen, Mama weißt du, die dort drüben.« Er lächelte beglückt: »In die, wo die zwei Englein daraufsind.« Die Mutter schluchzte laut auf. "I was in heaven, mother," the child whispered, "in heaven ... but wasn't it ... wasn't it," said the child briskly, "you will also put me in the beautiful golden box, Mama, you know The one over there." He smiled happily: "In the one where the two little angels are on it." The mother sobbed loudly. »In die, versprich mir ...« In entsetzlicher Angst faßte die Witwe die beiden Händchen ihres Lieblings fest. "Into her, promise me . . ." In dreadful fear the widow gripped both her darling's hands tightly. »Gott! Gott!« betete sie. God!” she prayed. Mehr konnte sie nicht sagen. She couldn't say more. Da empfand sie, wie ein kalter Schauer durch die Hände des Kindes ging, ein Zucken sie schrie auf. Then she felt a cold shiver run through the child's hands, a twitch and she cried out. Alle Röte war aus den Wangen des Kindes gewichen. All blush had drained from the child's cheeks. Die Lippen bewegten sich noch dann ward es ganz still. The lips were still moving, then it became very still. Sie starrte das kleine Körperchen an. She stared at the little body. Eiseskälte schien davon auszugehen. Freezing cold seemed to assume it. Sie umfaßte die kleinen Glieder und drückte sie an sich. She took hold of the small limbs and hugged them to her. Umsonst! For free! Nur das Lächeln blieb um die starren Lippen der kleinen Leiche, dieses glückselige Lächeln! Only the smile remained around the rigid lips of the little corpse, that blissful smile! ... Und die farblose Herbstsonne glitzerte drüben auf den Särgen und auch auf dem schönen, kleinen, goldenen. ... And the colorless autumn sun glittered over there on the coffins and also on the beautiful, small, golden one. Die große Spiegelscheibe warf den Strahl zurück in das Zimmer im Zwischenstocke, und der fahle Schein huschte ängstlich über das bleiche Gesichtchen des armen kleinen Willy und verlor sich allmählich auf der weißen Fläche der Wand ... The large mirror pane threw the beam back into the room on the mezzanine, and the sallow glow scurried anxiously over poor little Willy's pale little face and gradually got lost on the white surface of the wall...