(2)Kolonialismus: Wie Deutschland zur Imperial-Macht wurde.
Und da gab es so eine Aufteilungsbewegung Ende des 19. Jahrhunderts.
Und deswegen hat sich da Deutschland eben auch als neuer Staat ganz stark engagiert.
Du hast gerade schon eine große Kolonialmacht genannt, nämlich Großbritannien.
Frankreich könnte man auch noch nennen.
Jetzt muss man sagen, dass Deutschland zwar relativ spät eingestiegen ist,
in Anführungszeichen, in diesen Wettstreit um Kolonialstaaten,
ist dann aber ziemlich schnell aufgestiegen zur viertgrößten Kolonialmacht Ende des 19. Jahrhunderts.
Wie hat das deutsche Kaiserreich das geschafft?
Ein Grund ist eben, dass Deutschland damals wirtschaftlich und machtpolitisch,
es war einfach sehr bedeutend als neue Macht in Europa.
Und man hatte deswegen auch sozusagen diesen Anspruch, man will jetzt auch Kolonien haben.
Und das haben die anderen Mächte unterstützt.
Es gab dann so Abenteurer, Eroberer, Unternehmer wie Karl Peters oder Lüderitz.
Die waren unterwegs in diesen Gebieten in Afrika und haben sehr betrügerische Verträge
mit den dort lebenden Bevölkerungsgruppen abgeschlossen.
Und da war das deutsche Kaiserreich sehr schnell dann Schutzbriefe zu erlassen,
um das eben unter deutschen Schutz zu stellen, weil man eben gegenüber den anderen europäischen Mächten
da auch sozusagen sich bewehren wollte und zeigen wollte, man hat da Interessen.
Und deswegen ging das dann in Afrika relativ schnell.
Es ging also um Prestige auf jeden Fall, man wollte eine Rolle spielen.
Was waren denn sonst noch so die Pläne, die Wünsche, die damit verbunden waren?
Also es war Prestige, klar. Und dann wollte man eben diesen Platz an der Sonne haben.
Und das war nicht nur Prestige, sondern das war auch diese Vorstellung von Exotik.
Also zum Beispiel auf Samoa war man dann wahnsinnig stolz, obwohl das weder strategisch,
noch wirtschaftlich, noch sonst irgendwie was gebracht hat.
Aber es war einfach die Vorstellung, auch Deutsche sind in Samoa, das war ganz wichtig.
Da gab es dann auch Romane wie die Perle in der Südsee.
Und dann wollte man auch ein neues Deutschland schaffen, sozusagen.
Also Siedlerkolonien haben, Leute in den eigenen Kolonien siedeln lassen
und nicht mehr nur diese Migration in die Amerikas haben,
wo ja die meisten Deutschen hin ausgewandert sind.
Das war auch so eine Wunschvorstellung.
Und man hatte das auch am Anfang ein bisschen unterschätzt.
Man hat gesagt, na ja, wir beschäftigen uns da so wenig wie möglich mit.
Wir wälzen die Verantwortung auf die Handelsunternehmen ab.
Die werden das schon machen, hat aber nicht so richtig gut geklappt.
Deutschland musste dann doch selbst Kolonialbeamte schicken, Truppen schicken.
Es ist zu Kriegen gekommen, wie den Maji-Maji-Krieg in Deutsch-Ostafrika
und natürlich den Herero-Nama-Krieg in Deutsch-Südwestafrika.
Wie hat denn die deutsche Bevölkerung das gesehen und mitbekommen?
Man kann sagen, dass am Anfang eine sehr große Kolonialbegeisterung geherrscht hat.
Wie man Kolonien erworben hat, ist es in der Presse sehr stark.
Hat sich das wiedergespiegelt, gab es ganz viele Berichte.
Dieser Krieg, insbesondere der Herero-Nama-Krieg, war sehr teuer.
Darum gab es da viel Streit, auch im Reichstag.
Deswegen bekam die deutsche Bevölkerung auch mit von den Problemen.
Das wurde durchaus kritisch gesehen, aber nur von Teilen der deutschen Bevölkerung.
Es ist damals von der SPD und vom Zentrum der katholischen Partei kritisiert worden.
Die anderen Parteien waren dafür, dass der Krieg weitergeführt wird.
Sie sahen diese Grausamkeiten auch als notwendig an.
Der Tenor war eher, dass das eben zu Kolonialherrschaft dazugehört.
Und dass es wichtig ist, diese sogenannten Aufständigen zu unterwerfen.
Wenn wir mal auf die Menschen schauen in den Kolonien,
wie sah denn das Bild in Deutschland von den Einwohnern der Kolonien aus?
Hat Rassismus da auch eine Rolle gespielt?
Rassismus hat da eine große Rolle gespielt.
Die Vorstellungen, dass der weiße Mensch und der europäische Mensch
an der höchsten Stelle in einer Rassenhierarchie steht,
diese Vorstellung war weit verbreitet.
Nicht nur im Kaiserreich, sondern auch in den anderen europäischen Ländern.
Und damals galt es auch als wissenschaftlich erwiesen.
Rassismus galt auch als Wissenschaft.
Da ist viel geforscht worden.
Heute ist es natürlich klar, dass das vollkommener Schwachsinn war.
Aber damals war das sehr weit verbreitet.
Generell waren die Vorstellungen geprägt von vielen Bildern,
die nicht mit der Realität in den Kolonien übereinstimmten.
Also es gab ganz viele Postkarten.
Es gab Kolonialromane, die auf diese Exotik aus waren.
Es gab die Vorstellung dieser unterlegenen Menschen.
Und dass das natürlich in vieler Hinsicht alles nicht so richtig zusammenpasst,
das wurde nicht so hinterfragt.
Also im Grunde hat sich eine Exotik gewischt mit einem Rassismus.
Also ein Überlegenheitsgefühl mit Neugier.
Also es war was Neues und es war was Attraktives.
Und deswegen war das auch sehr beliebt.
Du hast vorhin schon gesagt, dass in der Heimat in Deutschland,
im Deutschen Reich, ein romantisiertes Bild vermittelt wurde.
Die Romane hast du schon erwähnt.
Hat man denn aber auch etwas von den Verbrechen mitbekommen?
Oder ist das komplett verschwiegen worden?
Also man hat es schon mitbekommen, dass da viele Menschen getötet wurden.
Aber das galt halt nicht als Verbrechen.
Sondern es galt eigentlich als rechtmäßige Unterdrückung dieser sogenannten Aufstände.
Man hat das auch nicht als Krieg bezeichnet.
Weil man sah sich ja als Kolonialmacht, die das Recht hat, da zu herrschen
und die Leute zu unterdrücken.
Und also in den allermeisten Zeitungen wurde das auch so dargestellt.
Also Kritik gab es manchmal im Vorwärts, halt in der SPD-Zeitung,
die das etwas kritischer gesehen hat.
Aber auch die waren nicht letztlich komplett kolonialkritisch,
sondern nur gegen die Auswüchse dieses Kolonialismus und gegen Brutalitäten.
Also man wusste von der Brutalität, hat es aber eher eingeordnet
als notwendige Vergeltungsmaßnahme gegen Aufständische.
Und so ist es eher eingeordnet worden.
Und dann gab es lange Zeit, diese Kriege standen überhaupt nicht im Mittelpunkt,
auch der historischen Aufarbeitung.
Und das ist dann erst in den 1990er-Jahren, 2000er-Jahren überhaupt
erst wieder so stark bearbeitet worden.
Ein wichtiges Ziel, das haben wir auch schon mal kurz angesprochen,
war es auch die Überlegenheit der weißen Rasse zu zeigen
und die Unterlegenheit anderer Rassen.
Gab es denn so eine Art, ich nenne es mal Ranking der Rassen,
dass man also gesagt hat, na ja, also in Samoa die Menschen,
die sind ein bisschen anders gestellt als die in Deutsch-Ostafrika?
Oder hat man die Menschen in den Kolonien alle gleich behandelt,
also alle gleich schlecht?
Also es gab durchaus in der Zeit so ein Ranking.
Der Rassismus Ende des 19. Jahrhunderts war ja von angeblichen biologischen Merkmalen geprägt .
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Und da hat man sozusagen eine Hierarchie gebildet.
Ganz oben stand natürlich der weiße Europäer, der westliche Europäer.
Dann kamen Asiaten, dann kamen vielleicht auch Amerikaner,
also indigene Amerikaner, Indianer.
Und da unten waren die Afrikaner, die galten als am wenigsten entwickelt.
Und ganz, ganz unten waren Aborigines und San, also Buschmänner,
wie man damals gesagt hat.
Und diese Hierarchien, die waren relativ weit verbreitet.
Und die Menschen in Samoa galten merkwürdigerweise als eher arisch.
Ja, in dieser, also eher asiatisch arisch.
Und galten deswegen in dieser Hierarchie als höher stehend.
Und tatsächlich war der Umgang mit den Samoanern etwas mehr von,
wie soll ich sagen, also er war etwas weniger grausam.
Und grundsätzlich wurden die auch mit etwas mehr Wohlwollen betrachtet.
Also sie galten als exotisch, aber eben nicht auf dieser allerniedrigsten Stufe.
Und das ist natürlich total, sind irre Vorstellungen, aber das war damals sehr prägend.
Wenn du gerade davon sprichst, dass die weniger grausam behandelt wurden,
das ist ja auch so ein Mythos, der sich teilweise bis heute hält.
Auch ich habe das in der Schule noch so gelernt, dass es hieß,
na ja, also im Vergleich mit den Engländern, mit den Franzosen,
da waren die Deutschen doch relativ harmlos unterwegs
und haben sich da gar nicht so schlecht benommen.
Und das ist eine Sache, die ja bis heute immer noch Leute glauben,
dass Deutschland da nicht so gewütet hätte, ist aber ja komplett falsch.
Woher kommt das denn, dieser Irrglaube?
Das ist komplett falsch. Also Deutschland war extrem brutal.
Und der Herero-Nama-Krieg war ja wirklich ein Genozid.
Also das war sogar auch noch brutaler als viele andere Kriege.
Und woher das kommt, ist, denke ich, dieses Narrativ.
Die Deutschen haben die Kolonien sehr früh verloren.
Und die waren nicht in brutale Entkolonialisierungskriege verwickelt.
In den 50er und 60er Jahren, wie die Franzosen zum Beispiel,
die hatten nicht diese heftige Entkolonialisierung in Indien,
die hatten nicht den Mau-Mau-Aufstand in Kenia.
Und daraus hat sich wahrscheinlich dann gedacht,
na ja gut, die Deutschen, die haben sowas ja nicht gehabt.
Die hatten keine Entkolonialisierungskriege,
weil sie sind praktisch vorher schon rausgeschmissen worden
durch den Versailler Vertrag. Und es ist aber nicht zutreffend.
Aber daraus ist es erwachsen.
Es wird ja oft auch gesagt, dass das Deutsche Kaiserreich
angeblich überhaupt nicht vom Kolonialismus beeinflusst wurde.
Heute sagt die Forschung, dass das nicht so ganz stimmen kann.
Was waren denn die wichtigsten Einflüsse?
Ganz wichtiger Einfluss war eben diese Vorstellungswelt,
dass man sich selber eben als koloniale Nation gesehen hat.
Und dann eben der Alltag auch. Also dann gab es die neuen Museen.
Es gab diese ethnologischen oder diese Völkerkundemuseen,
die sind alle in der Zeit entstanden.
Da konnte man Exponate aus diesen Ländern sehen.
Es gab andauernd Expeditionen in diese Länder.
Da gab es Berichte darüber. Die Wissenschaft hat darüber ständig berichtet.
Also es war eine Vielzahl von Einflüssen, die nicht nur jetzt sehr gebildete Kreise erreicht hat,sondern auch weitere Schichten eben auch über diese Völkerschauen und über diese Alltagswaren, diese Kolonialwaren, die eben auch so angepriesen worden sind.
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Und dann gab es natürlich die Möglichkeit, wenigstens für sehr wenige Leute,
zum Beispiel über Militär auch in den Kolonialgebieten,
eine gewisse Karriere zu machen. Also das darf man auch nicht vergessen.
Und insofern waren die Einflüsse auf vielen Ebenen,
kulturell, politisch, im Alltag, in der Vorstellungswelt.
Und das sollte man nicht unterschätzen.
Aber ich denke, gewisse Denkmuster haben sich bis heute gehalten.
Das merkt man, wenn Menschen hier einfach pauschal über Afrika sprechen,
obwohl Afrika ein Kontinent ist, und einfach so tun, als wäre das ein Land.
Das fällt mir auch immer wieder auf, wenn dann über die Menschen dort gesprochen wird.
Erkennst du da Muster wieder, die aus der damaligen Zeit stammen,
die sich bis heute gehalten haben?
Also so ein ganz prägendes Muster ist ja sozusagen der Afrikaner, der angeblich faul ist.
Es war ja diese Vorstellung der Kolonialherren, dass man den Afrikaner zur Arbeit erziehen muss.
Und das sind Vorstellungen, die man bis heute findet.
Also wenn Firmen nach Afrika gehen, dann hat man auch diese Vorurteile.
Diese Sachen der Afrikaner ist nicht gut in Mathematik und Ingenieurwissenschaften und so was.
Solche Vorurteile findet man heute noch.
Die beruhen auf rassistischen Vorurteilen.
Und ganz viel in dem Umgang mit afrikanischen Menschen, auch in Deutschland, ist davon geprägt.
Also da, denke ich, findet man sehr viele Stereotype leider immer noch.
Und da ist es auch wichtig, wirklich auch Aufarbeitung zu machen und das auch zu benennen.
Siehst du da Chancen, dass sich daran was ändert?
Also ich denke schon in den letzten Jahren hat sich da einiges geändert,
auch durch die ganzen Initiativen schwarzer Menschen, die hier leben
und die angefangen haben ja dagegen auch sich zu wehren und auch selbst Initiativen zu gründen
und auf ihre Probleme aufmerksam zu machen.
Und dadurch hat sich, also ich finde die Diskussion in den letzten zwei, drei Jahren,
die hat da schon einiges geändert.
Also da sind ganz viele Themen immer wieder an die Öffentlichkeit gekommen und stark diskutiert worden.
Und auch aus den USA sind ganz viele neue Themen aufgenommen worden und hierher gekommen.
Also immerhin ein bisschen Hoffnung und es ist wichtig darüber zu sprechen.
Das haben wir hier auch in diesem Podcast gemacht.
Vielen Dank dir für die Einblicke in die deutsche Kolonialgeschichte.
Dankeschön.
Ja, Ulrike hat gerade schon davon gesprochen, dass viele Deutsche damals vollkommen begeistert waren von den neuen Kolonialländern
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Allen voran Samoa.
Diese Inselgruppe in der Südsee wurde zum Inbegriff von Exotik.
Barbosige Frauen, weißer Strand, Palmen und eine warme Brise.
So beschreibt Otto Ehlers die Insel Samoa in seinem Buch Samoa – Perle der Südsee.