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Wunderbares Ereignis des Dr. Jekyll und Mr. Hyde, Kapitel 2 – Das Suchen nach Mr. Hyde – 02

Kapitel 2 – Das Suchen nach Mr. Hyde – 02

Die Kirchenuhr, welche ganz in der Nähe war, schlug sechs, und noch dachte Mr. Utterson über dieses Problem nach. Bis dahin war sein Verstand nur von der Sache berührt, jetzt aber begann seine Einbildungskraft, ihn noch zu foltern, und wie er in der Dunkelheit der Nacht in dem mit Vorhängen versehenen Zimmer da lag, entrollte sich Mr. Enfields Erzählung in leuchtenden Bildern vor seinen Augen. Es war ihm, als sähe er nächtlicherweile eine durch unzählige Laternen erhellte Stadt, dann die Gestalt eines eilig daherschreitenden Mannes und ein Kind, welches vom Arzt kommend nach Hause lief. Diese beiden begegneten sich, und jene Tigerkatze in Menschengestalt trat das Kind zu Boden und ging ungeachtet des Schreiens weiter. Oder er sah ein Zimmer in einem reichen Hause, sein Freund lag im Traume lächelnd da, plötzlich wurde die Tür des Zimmers geöffnet, die Vorhänge des Bettes zurückgeschlagen, und ach, eine Gestalt stand dort, die den Schläfer weckte, und der Macht gegeben war über ihn, sodass er selbst zu jener späten Stunde aufstehen und nach dem Befehle jener Gestalt handeln musste. Von diesen beiden Bildern wurde der Advokat die ganze Nacht verfolgt, und selbst wenn er ein wenig einschlief, war es nur, um die Erscheinung noch leiser durch die im Schlaf fliegenden Häuser gleiten zu sehen. Oder sie eilte schneller und schneller, fast schwindelerregend durch die langen, erhellten Straßen, drückte an jeder Ecke ein Kind nieder und ließ es schreiend zurück. Und doch hatte die Gestalt des Mannes kein Gesicht, woran er ihn hätte erkennen können. Selbst im Traum konnte er das Gesicht nicht sehen, oder es war eines, welches vor seinen Augen verschwamm, so daß er hierdurch außerordentlich neugierig wurde, den wirklichen Mr. Hyde kennenzulernen. Er dachte, wenn er ihn ein einziges Mal mit eigenen Augen sehen könnte, würde das ganze Geheimnis sich aufklären, wie es oft mit geheimnisvollen Dingen geht, wenn man sie aus der Nähe betrachtet. Vielleicht würde er dann den Grund für seines Freundes Interesse, perspektive Knechtschaft diesem Manne gegenüber einsehen, so wie er auch die Ursache für die wunderbare Klausel des Testaments zu finden hoffte. Es war immerhin der Mühe wert, ihn zu sehen, ihn, der so ohne jegliches Mitleid war, ein Gesicht, welches sich nur zu zeigen brauchte, um in des Advokaten Seele einen unnennbaren, endlosen Hass heraufzubeschwören.

Seit jener Zeit machte Mr. Utterson Jagd auf die Türe in der Nebenstraße. Vom frühen Morgen an bis spät in die Nacht hinein widmete er seine Mußestunden der steten Beobachtung und war auf diesem seinem erwählten Posten zu finden. Seine Absicht war, Mr. Hyde auf jeden Fall zu sehen.

Endlich wurde seine Ausdauer belohnt. Es war eine schöne Winternacht, die Straßen so sauber und glatt wie ein Ballsaal, die Laternen, welche kein Wind bewegte, ließen jeden Gegenstand in genauem Umriß erkennen. Zu dieser Stunde war diese Nebenstraße im Gegensatz zu dem Londoner Trubel ringsumher einsam und still. Die alltäglichen Laute aus den Häusern waren weithin hörbar, und der Tritt eines jeden Passanten kündete sich dem Lauscher lange zuvor schon an. Kaum stand Mr. Utterson einige Minuten auf seinem Posten, als er einen besonders leichten Schritt sich nähern hörte. Im Laufe seiner nächtlichen Patrouillen hatte er sich längst an den Eindruck gewöhnt, den der Schritt eines einzelnen Menschen, der noch eine ganze Strecke entfernt ist, hervorbringt, und wie derselbe sich plötzlich von dem tosenden Lärm der Stadt abhebt. Nie zuvor war seine Aufmerksamkeit so scharf und entschieden in Anspruch genommen, und ein überzeugendes Gefühl von Erfolg bemächtigte sich seiner, sodass er in den Eingang des Hofes zurücktrat.

Die Schritte wurden, als sie das Ende der Straße erreichten, schneller und lauter. Der Advokat konnte von seinem Verstecke aus bald sehen, was für einen Menschen er vor sich hatte. Er war klein und einfach gekleidet, aber sein Blick berührte selbst aus dieser Entfernung den Beobachter schon unangenehm. Jener ging, um den Weg abzukürzen, schräg über die Straße, direkt auf die Tür zu, wo selbst angelangt er gleich, einem Heimkehrenden den Schlüssel aus der Tasche zog.

Mr. Utterson trat hervor, und seine Schulter berührend sagte er, „Ich vermute, Sie sind Mr. Hyde.“ Mr. Hyde fuhr erschreckt zurück, doch gewann er bald seine Fassung wieder, und ohne den Advokaten anzusehen, erwiderte er: „Das ist mein Name. Was wünschen Sie von mir?“

„Ich bin ein alter Freund von Dr. Jekyll — Mr. Utterson aus der Gauntstraße, von dem Sie wohl schon gehört haben werden, und da ich Sie hineingehen sehe, möchte ich Sie bitten, auch mir Einlass zu gewähren.“

„Dr. Jekyll werden Sie nicht treffen, da er nicht zu Hause ist,“ versetzte Mr. Hyde, den Schlüssel einsteckend. Dann forschte er, ohne aufzusehen, weiter, „woher kennen Sie mich?“

„Wollen Sie mir erst einen Gefallen erweisen?“ sagte Utterson.

„Mit Vergnügen,“ entgegnete der andere, „und was soll das sein?“

„Lassen Sie mich Ihr Gesicht sehen,“ sagte der Advokat.

Mr. Hyde schien zu zögern, dann aber besann er sich und stellte sich mit einem trotzigen Gesicht dem Advokaten entgegen. So starrte das Paar sich einige Sekunden lang an. „Nun werde ich Sie wiedererkennen,“ sagte Mr. Utterson, „es mag von Nutzen sein.“

„Ja,“ entgegnete Mr. Hyde, „es ist mir lieb, dass wir uns getroffen haben, und apropos, ich will Ihnen meine Adresse geben.“ Dabei nannte er die Nummer einer Straße in Soho.

„Guter Gott,“ dachte Mr. Utterson, „sollte er gleichfalls an das Testament gedacht haben?“ Er behielt jedoch seine Gedanken für sich und murmelte eine Anerkennung für die erhaltene Adresse.

„Und jetzt sagen Sie,“ sagte der andere, „woher kennen Sie mich?“

„Durch Beschreibung,“ war die Antwort.

„Wessen Beschreibung?“

„Wir haben gemeinsame Freunde,“ sagte Mr. Utterson.

„Gemeinsame Freunde,“ wiederholte Mr. Hyde ein wenig heiser, „wer sind diese?“

„Jekyll zum Beispiel,“ äußerte der Advokat.

„Der hat es Ihnen sicher nicht gesagt!,“ rief Mr. Hyde mit einem Ausdruck des Ärgers aus, „dass Sie lügen würden, glaubte ich allerdings nicht.“

„Halt!,“ sagte Mr. Utterson, „das ist kein passender Ausdruck.“

Der andere brach in ein wildes Lachen aus, und im selben Augenblicke hatte er mit unglaublicher Hass die Tür aufgeschlossen und verschwand im Hause.


Kapitel 2 – Das Suchen nach Mr. Hyde – 02 Chapter 2 - Looking for Mr. Hyde - 02 Chapitre 2 - La recherche de Mr Hyde - 02 Capitolo 2 - Alla ricerca di Mr. Hyde - 02 第2章 ハイド氏を探して - 02 Hoofdstuk 2 - De zoektocht naar Mr Hyde - 02 Capítulo 2 - A procura do Sr. Hyde - 02

Die Kirchenuhr, welche ganz in der Nähe war, schlug sechs, und noch dachte Mr. Utterson über dieses Problem nach. Bis dahin war sein Verstand nur von der Sache berührt, jetzt aber begann seine Einbildungskraft, ihn noch zu foltern, und wie er in der Dunkelheit der Nacht in dem mit Vorhängen versehenen Zimmer da lag, entrollte sich Mr. Enfields Erzählung in leuchtenden Bildern vor seinen Augen. Es war ihm, als sähe er nächtlicherweile eine durch unzählige Laternen erhellte Stadt, dann die Gestalt eines eilig daherschreitenden Mannes und ein Kind, welches vom Arzt kommend nach Hause lief. Diese beiden begegneten sich, und jene Tigerkatze in Menschengestalt trat das Kind zu Boden und ging ungeachtet des Schreiens weiter. Oder er sah ein Zimmer in einem reichen Hause, sein Freund lag im Traume lächelnd da, plötzlich wurde die Tür des Zimmers geöffnet, die Vorhänge des Bettes zurückgeschlagen, und ach, eine Gestalt stand dort, die den Schläfer weckte, und der Macht gegeben war über ihn, sodass er selbst zu jener späten Stunde aufstehen und nach dem Befehle jener Gestalt handeln musste. Von diesen beiden Bildern wurde der Advokat die ganze Nacht verfolgt, und selbst wenn er ein wenig einschlief, war es nur, um die Erscheinung noch leiser durch die im Schlaf fliegenden Häuser gleiten zu sehen. Oder sie eilte schneller und schneller, fast schwindelerregend durch die langen, erhellten Straßen, drückte an jeder Ecke ein Kind nieder und ließ es schreiend zurück. Und doch hatte die Gestalt des Mannes kein Gesicht, woran er ihn hätte erkennen können. Selbst im Traum konnte er das Gesicht nicht sehen, oder es war eines, welches vor seinen Augen verschwamm, so daß er hierdurch außerordentlich neugierig wurde, den wirklichen Mr. Hyde kennenzulernen. Er dachte, wenn er ihn ein einziges Mal mit eigenen Augen sehen könnte, würde das ganze Geheimnis sich aufklären, wie es oft mit geheimnisvollen Dingen geht, wenn man sie aus der Nähe betrachtet. Vielleicht würde er dann den Grund für seines Freundes Interesse, perspektive Knechtschaft diesem Manne gegenüber einsehen, so wie er auch die Ursache für die wunderbare Klausel des Testaments zu finden hoffte. Es war immerhin der Mühe wert, ihn zu sehen, ihn, der so ohne jegliches Mitleid war, ein Gesicht, welches sich nur zu zeigen brauchte, um in des Advokaten Seele einen unnennbaren, endlosen Hass heraufzubeschwören.

Seit jener Zeit machte Mr. Utterson Jagd auf die Türe in der Nebenstraße. Vom frühen Morgen an bis spät in die Nacht hinein widmete er seine Mußestunden der steten Beobachtung und war auf diesem seinem erwählten Posten zu finden. Seine Absicht war, Mr. Hyde auf jeden Fall zu sehen.

Endlich wurde seine Ausdauer belohnt. Es war eine schöne Winternacht, die Straßen so sauber und glatt wie ein Ballsaal, die Laternen, welche kein Wind bewegte, ließen jeden Gegenstand in genauem Umriß erkennen. Zu dieser Stunde war diese Nebenstraße im Gegensatz zu dem Londoner Trubel ringsumher einsam und still. Die alltäglichen Laute aus den Häusern waren weithin hörbar, und der Tritt eines jeden Passanten kündete sich dem Lauscher lange zuvor schon an. Kaum stand Mr. Utterson einige Minuten auf seinem Posten, als er einen besonders leichten Schritt sich nähern hörte. Im Laufe seiner nächtlichen Patrouillen hatte er sich längst an den Eindruck gewöhnt, den der Schritt eines einzelnen Menschen, der noch eine ganze Strecke entfernt ist, hervorbringt, und wie derselbe sich plötzlich von dem tosenden Lärm der Stadt abhebt. In the course of his nocturnal patrols, he had long since become accustomed to the impression produced by the step of a single person still quite a distance away, and how the same suddenly stands out against the thunderous noise of the city. Nie zuvor war seine Aufmerksamkeit so scharf und entschieden in Anspruch genommen, und ein überzeugendes Gefühl von Erfolg bemächtigte sich seiner, sodass er in den Eingang des Hofes zurücktrat.

Die Schritte wurden, als sie das Ende der Straße erreichten, schneller und lauter. Der Advokat konnte von seinem Verstecke aus bald sehen, was für einen Menschen er vor sich hatte. Er war klein und einfach gekleidet, aber sein Blick berührte selbst aus dieser Entfernung den Beobachter schon unangenehm. Jener ging, um den Weg abzukürzen, schräg über die Straße, direkt auf die Tür zu, wo selbst angelangt er gleich, einem Heimkehrenden den Schlüssel aus der Tasche zog.

Mr. Utterson trat hervor, und seine Schulter berührend sagte er, „Ich vermute, Sie sind Mr. Hyde.“ Mr. Hyde fuhr erschreckt zurück, doch gewann er bald seine Fassung wieder, und ohne den Advokaten anzusehen, erwiderte er: „Das ist mein Name. Was wünschen Sie von mir?“

„Ich bin ein alter Freund von Dr. Jekyll — Mr. Utterson aus der Gauntstraße, von dem Sie wohl schon gehört haben werden, und da ich Sie hineingehen sehe, möchte ich Sie bitten, auch mir Einlass zu gewähren.“

„Dr. Jekyll werden Sie nicht treffen, da er nicht zu Hause ist,“ versetzte Mr. Hyde, den Schlüssel einsteckend. Dann forschte er, ohne aufzusehen, weiter, „woher kennen Sie mich?“

„Wollen Sie mir erst einen Gefallen erweisen?“ sagte Utterson.

„Mit Vergnügen,“ entgegnete der andere, „und was soll das sein?“

„Lassen Sie mich Ihr Gesicht sehen,“ sagte der Advokat.

Mr. Hyde schien zu zögern, dann aber besann er sich und stellte sich mit einem trotzigen Gesicht dem Advokaten entgegen. So starrte das Paar sich einige Sekunden lang an. „Nun werde ich Sie wiedererkennen,“ sagte Mr. Utterson, „es mag von Nutzen sein.“

„Ja,“ entgegnete Mr. Hyde, „es ist mir lieb, dass wir uns getroffen haben, und apropos, ich will Ihnen meine Adresse geben.“ Dabei nannte er die Nummer einer Straße in Soho.

„Guter Gott,“ dachte Mr. Utterson, „sollte er gleichfalls an das Testament gedacht haben?“ Er behielt jedoch seine Gedanken für sich und murmelte eine Anerkennung für die erhaltene Adresse.

„Und jetzt sagen Sie,“ sagte der andere, „woher kennen Sie mich?“

„Durch Beschreibung,“ war die Antwort.

„Wessen Beschreibung?“

„Wir haben gemeinsame Freunde,“ sagte Mr. Utterson.

„Gemeinsame Freunde,“ wiederholte Mr. Hyde ein wenig heiser, „wer sind diese?“

„Jekyll zum Beispiel,“ äußerte der Advokat.

„Der hat es Ihnen sicher nicht gesagt!,“ rief Mr. Hyde mit einem Ausdruck des Ärgers aus, „dass Sie lügen würden, glaubte ich allerdings nicht.“ "He certainly didn't tell you!" exclaimed Mr. Hyde with an expression of annoyance, "that you would lie, however, I did not believe."

„Halt!,“ sagte Mr. Utterson, „das ist kein passender Ausdruck.“ "Stop!" said Mr. Utterson, "that is not an appropriate expression."

Der andere brach in ein wildes Lachen aus, und im selben Augenblicke hatte er mit unglaublicher Hass die Tür aufgeschlossen und verschwand im Hause.