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Sherlock Holmes - Der Hund der Baskervilles, Zwölftes Kapitel - Tod auf dem Moor - 03

Zwölftes Kapitel - Tod auf dem Moor - 03

Wieder durchbrach der Todesschrei die nächtliche Stille – wieder lauter und näher als die vorigen. Und ein neuer Laut mischte sich mit ihm, ein tiefer, grollender Ton, klangvoll und doch drohend, steigend und fallend wie das unablässige tiefe Rauschen des Meeres.

»Der Hund!« schrie Holmes. »Komm, Watson, vorwärts! Großer Gott, wenn wir zu spät kämen!«

Er war hinausgesprungen und rannte schnell über das Moor dahin. Ich folgte ihm unmittelbar auf den Fersen. Aber auf einmal kam irgendwo aus der Wirrnis der unmittelbar vor uns liegenden Schluchten und Klüfte ein letzter, verzweiflungsvoll aufgellender Schrei, und dann ein dumpfer, schwerer Schlag. Wir standen still und lauschten. Aber kein Laut durchbrach mehr das drückende Schweigen der windstillen Nacht.

Ich sah, wie Holmes sich wie ein Wahnsinniger mit der Faust vor die Stirn schlug. Er stampfte mit dem Fuße auf und rief:

»Er hat uns geschlagen, Watson. Wir sind zu spät gekommen.«

»Nein, nein, gewiß nicht!«

»Tor, der ich war, daß ich nicht zuschlug! Und du, Watson, da siehst du die Folgen davon, daß du von deinem Posten gegangen bist! Aber, beim himmlischen Gott, wenn das Schlimmste eingetreten ist, so werden wir ihn rächen.«

Blindlings rannten wir in die Finsternis hinein; wir stießen uns an Granitblöcken, brachen uns durch Ginsterbüsche Bahn, keuchten Hügel hinauf und sprangen mit großen Sätzen in Schluchten hinunter, doch gelang es uns im großen und ganzen die Richtung einzuhalten, aus der die fürchterlichen Schreie gekommen waren. Jedesmal, wenn wir auf einer Höhe waren, warf Holmes einen schnellen Blick um sich, aber die Schatten lagen dick auf dem Moor und nichts bewegte sich auf der öden Fläche.

»Siehst du etwas?«

»Nichts.«

»Aber, horch, was ist das?«

Ein leises Stöhnen war an unser Ohr gedrungen. Und noch einmal – es war zu unserer Linken. Dort lief ein Felsgrat in eine steile Wand aus, die eine mit Steinblöcken besäte Schlucht überragte. Und auf diesem Grund lag etwas Dunkles von eigentümlicher Form. Doch als wir hinzuliefen, nahmen die unbestimmten Linien feste Gestalt an. Es war ein Mann, der, das Gesicht nach unten, auf dem Boden lag; der Kopf stak in einem fürchterlichen Winkel unter dem Leib, die Schultern waren gerundet und der ganze Körper war zusammengezogen, als ob der Mann im Begriff wäre, einen Purzelbaum zu schlagen. So grotesk war die ganze Haltung, daß es mir im ersten Augenblick gar nicht zum Bewußtsein kam, mit jenem letzten Seufzer das Verhauchen seiner Seele gehört zu haben.

Kein Flüstern, kein Röcheln ging mehr von der dunklen Gestalt aus, über die wir uns niederbeugten. Holmes berührte sie mit der Hand und erhob diese sofort wieder mit einem Ausruf des Entsetzens. Er rieb ein Zündholz an; der schwache Schein fiel auf seine blutbedeckten Finger und auf die grausige Blutlache, die langsam dem zerschmetterten Schädel des Opfers entfloß. Und der Blick fiel noch auf etwas anderes, dessen Anblick uns vor Weh krank machte und uns einer Ohnmacht nahe brachte – auf die Leiche von Sir Henry Baskerville.

Keiner von uns beiden konnte einen Augenblick im Zweifel sein; nur zu gut kannten wir den eigentümlich rötlichen, halbwollenen Anzug – denselben, den er an jenem ersten Morgen trug, als wir ihn in der Bakerstraße kennenlernten. Wir konnten nur den einen flüchtigen, aber untrüglichen Blick darauf werfen. Dann flackerte das Zündholz und erlosch – so wie die Hoffnung in unseren Herzen erloschen war. Holmes stöhnte, und ich sah trotz der Finsternis sein Gesicht, weil es ganz weiß geworden war.

»Die Bestie, die Bestie!« rief ich mit geballten Fäusten. »O, Holmes, niemals werde ich's mir verzeihen, daß ich Sir Henry seinem Schicksal schutzlos preisgegeben habe.«

»Ich bin mehr zu tadeln als du, Watson. Um meinen Fall recht schön abgerundet und vollständig vor mir zu haben, vergeudete ich das Leben meines Klienten. Das ist der härteste Schlag, der mich jemals während meiner ganzen Laufbahn getroffen hat. Aber wie konnte ich wissen – wie konnte ich wissen – daß er, allen meinen Warnungen zum Trotz, allein aufs Moor gehen würde, wo er sein Leben riskierte?«

»Ach, und wir hörten seine Schreie – o mein Gott, und was für Schreie – und waren doch nicht imstande, ihn zu retten. Wo ist die Bestie von Hund, die ihn in den Tod hetzte? Vielleicht liegt sie in diesem selben Augenblick zwischen den Felsen hier verborgen. Und Stapleton, wo ist er? Er soll für seine Tat zur Rechenschaft gezogen werden.«

»Das soll er. Dafür will ich sorgen. Onkel und Neffe sind ermordet worden. – Der eine zu Tode geängstigt durch den bloßen Anblick einer Bestie, die er für übernatürlich hielt, der andere in seiner wilden Flucht vor eben demselben Tier ins Verderben gejagt. Aber jetzt haben wir zu beweisen, daß zwischen dem Mann und dem Tier eine Verbindung besteht. Das letztere haben wir allerdings gehört, aber auf seine Existenz können wir vor Gericht nicht einmal schwören, denn Sir Henrys Tod ist augenscheinlich infolge seines Sturzes erfolgt. Aber, bei Gott im Himmel, so schlau der Bursche auch ist – er soll in meiner Gewalt sein, ehe vierundzwanzig Stunden vergangen sind.«

Die Herzen von Bitterkeit erfüllt standen wir zu beiden Seiten des zerschmetterten Leichnams, überwältigt von diesem plötzlichen und nie wieder gut zu machenden Unglück, das all unserer langen und mühseligen Arbeit ein so plötzliches Ende bereitet hatte. Dann, als der Mond aufgegangen war, kletterten wir zum Gipfel des Felsens empor, von dessen Höhe unser armer Freund abgestürzt war; von dort aus spähten wir über das weite Moor, auf dem silbernes Mondlicht und düstere Schatten wechselten. In meilenweiter Ferne, in Richtung des Dorfes Grimpen, leuchtete ein einzelnes gelbes Licht immer an derselben Stelle. Es konnte nur das einsame Wohnhaus der Stapletons sein. Mit einem haßerfüllten Fluch schüttelte ich meine Fäuste nach jener Richtung.

»Warum sollten wir ihn nicht sofort festnehmen?«

»Unsere Beweise sind nicht vollständig. Der Bursche ist über alle Maßen vorsichtig und schlau. Es kommt nicht darauf an, was wir wissen, sondern darauf, was wir beweisen können. Wenn wir einen einzigen falschen Schritt tun, kann der Schurke uns selbst jetzt noch entwischen.«

»Was können wir tun?«

»Morgen werden wir Arbeit in Hülle und Fülle haben. Heute abend können wir nur noch unserem armen Freund die letzten Dienste erweisen.«

Zwölftes Kapitel - Tod auf dem Moor - 03 Chapter Twelve - Death on the Moor - 03 第十二章 - 荒野之死 - 03

Wieder durchbrach der Todesschrei die nächtliche Stille – wieder lauter und näher als die vorigen. Again, the death cry broke through the nightly silence - again louder and closer than the previous ones. Und ein neuer Laut mischte sich mit ihm, ein tiefer, grollender Ton, klangvoll und doch drohend, steigend und fallend wie das unablässige tiefe Rauschen des Meeres.

»Der Hund!« schrie Holmes. »Komm, Watson, vorwärts! Großer Gott, wenn wir zu spät kämen!«

Er war hinausgesprungen und rannte schnell über das Moor dahin. Ich folgte ihm unmittelbar auf den Fersen. Aber auf einmal kam irgendwo aus der Wirrnis der unmittelbar vor uns liegenden Schluchten und Klüfte ein letzter, verzweiflungsvoll aufgellender Schrei, und dann ein dumpfer, schwerer Schlag. But suddenly, somewhere out of the confusion of the ravines and gorges immediately ahead of us came a final, desperate cry, and then a dull, heavy thud. Wir standen still und lauschten. Aber kein Laut durchbrach mehr das drückende Schweigen der windstillen Nacht.

Ich sah, wie Holmes sich wie ein Wahnsinniger mit der Faust vor die Stirn schlug. I saw Holmes punching his forehead with his fist like a madman. Er stampfte mit dem Fuße auf und rief:

»Er hat uns geschlagen, Watson. Wir sind zu spät gekommen.«

»Nein, nein, gewiß nicht!«

»Tor, der ich war, daß ich nicht zuschlug! "Fool that I was, that I did not strike! Und du, Watson, da siehst du die Folgen davon, daß du von deinem Posten gegangen bist! And you, Watson, you see the consequences of leaving your post! Aber, beim himmlischen Gott, wenn das Schlimmste eingetreten ist, so werden wir ihn rächen.« But, by the heavenly God, when the worst has come to pass, we will avenge him."

Blindlings rannten wir in die Finsternis hinein; wir stießen uns an Granitblöcken, brachen uns durch Ginsterbüsche Bahn, keuchten Hügel hinauf und sprangen mit großen Sätzen in Schluchten hinunter, doch gelang es uns im großen und ganzen die Richtung einzuhalten, aus der die fürchterlichen Schreie gekommen waren. We ran blindly into the darkness; we bumped into granite blocks, broke our way through gorse bushes, gasped up hills and jumped down into ravines with great leaps, but on the whole we managed to keep to the direction from which the terrible screams had come. Jedesmal, wenn wir auf einer Höhe waren, warf Holmes einen schnellen Blick um sich, aber die Schatten lagen dick auf dem Moor und nichts bewegte sich auf der öden Fläche. Every time we were on high ground, Holmes took a quick look around, but the shadows were thick on the moor and nothing was moving on the barren surface.

»Siehst du etwas?«

»Nichts.«

»Aber, horch, was ist das?«

Ein leises Stöhnen war an unser Ohr gedrungen. A low moan reached our ears. Und noch einmal – es war zu unserer Linken. Dort lief ein Felsgrat in eine steile Wand aus, die eine mit Steinblöcken besäte Schlucht überragte. There, a rocky ridge ran out into a steep wall overlooking a gorge strewn with boulders. Und auf diesem Grund lag etwas Dunkles von eigentümlicher Form. Doch als wir hinzuliefen, nahmen die unbestimmten Linien feste Gestalt an. But as we walked towards it, the vague lines took on a solid form. Es war ein Mann, der, das Gesicht nach unten, auf dem Boden lag; der Kopf stak in einem fürchterlichen Winkel unter dem Leib, die Schultern waren gerundet und der ganze Körper war zusammengezogen, als ob der Mann im Begriff wäre, einen Purzelbaum zu schlagen. It was a man lying face down on the ground, his head stuck at a terrible angle under his body, his shoulders rounded and his whole body contracted as if he were about to somersault. So grotesk war die ganze Haltung, daß es mir im ersten Augenblick gar nicht zum Bewußtsein kam, mit jenem letzten Seufzer das Verhauchen seiner Seele gehört zu haben. The whole attitude was so grotesque that at first I didn't even realize that I had heard the last sigh of his soul.

Kein Flüstern, kein Röcheln ging mehr von der dunklen Gestalt aus, über die wir uns niederbeugten. No more whispering, no more rattling emanated from the dark figure over which we bent down. Holmes berührte sie mit der Hand und erhob diese sofort wieder mit einem Ausruf des Entsetzens. Holmes touched it with his hand and immediately raised it again with an exclamation of horror. Er rieb ein Zündholz an; der schwache Schein fiel auf seine blutbedeckten Finger und auf die grausige Blutlache, die langsam dem zerschmetterten Schädel des Opfers entfloß. He rubbed a match; the faint glow fell on his blood-covered fingers and on the gruesome pool of blood that slowly flowed from the victim's shattered skull. Und der Blick fiel noch auf etwas anderes, dessen Anblick uns vor Weh krank machte und uns einer Ohnmacht nahe brachte – auf die Leiche von Sir Henry Baskerville. And our eyes fell on something else, the sight of which made us sick with pain and brought us close to fainting - the corpse of Sir Henry Baskerville.

Keiner von uns beiden konnte einen Augenblick im Zweifel sein; nur zu gut kannten wir den eigentümlich rötlichen, halbwollenen Anzug – denselben, den er an jenem ersten Morgen trug, als wir ihn in der Bakerstraße kennenlernten. Neither of us could be in doubt for a moment; we knew the peculiar reddish, half-woolen suit only too well - the same one he wore that first morning when we met him in Baker Street. Wir konnten nur den einen flüchtigen, aber untrüglichen Blick darauf werfen. Dann flackerte das Zündholz und erlosch – so wie die Hoffnung in unseren Herzen erloschen war. Then the match flickered and went out - just as the hope in our hearts had gone out. Holmes stöhnte, und ich sah trotz der Finsternis sein Gesicht, weil es ganz weiß geworden war.

»Die Bestie, die Bestie!« rief ich mit geballten Fäusten. »O, Holmes, niemals werde ich's mir verzeihen, daß ich Sir Henry seinem Schicksal schutzlos preisgegeben habe.« "Oh, Holmes, I shall never forgive myself for leaving Sir Henry to his fate without protection."

»Ich bin mehr zu tadeln als du, Watson. "I'm more to blame than you, Watson. Um meinen Fall recht schön abgerundet und vollständig vor mir zu haben, vergeudete ich das Leben meines Klienten. In order to have my case nicely rounded and complete in front of me, I wasted my client's life. Das ist der härteste Schlag, der mich jemals während meiner ganzen Laufbahn getroffen hat. This is the hardest blow I've ever taken in my entire career. Aber wie konnte ich wissen – wie __konnte__ ich wissen – daß er, allen meinen Warnungen zum Trotz, allein aufs Moor gehen würde, wo er sein Leben riskierte?«

»Ach, und wir hörten seine Schreie – o mein Gott, und was für Schreie – und waren doch nicht imstande, ihn zu retten. Wo ist die Bestie von Hund, die ihn in den Tod hetzte? Vielleicht liegt sie in diesem selben Augenblick zwischen den Felsen hier verborgen. Und Stapleton, wo ist er? Er soll für seine Tat zur Rechenschaft gezogen werden.«

»Das soll er. Dafür will ich sorgen. Onkel und Neffe sind ermordet worden. – Der eine zu Tode geängstigt durch den bloßen Anblick einer Bestie, die er für übernatürlich hielt, der andere in seiner wilden Flucht vor eben demselben Tier ins Verderben gejagt. - One was frightened to death by the mere sight of a beast he believed to be supernatural, the other chased to his doom in his wild flight from the very same animal. Aber jetzt haben wir zu beweisen, daß zwischen dem Mann und dem Tier eine Verbindung besteht. Das letztere haben wir allerdings gehört, aber auf seine Existenz können wir vor Gericht nicht einmal schwören, denn Sir Henrys Tod ist augenscheinlich infolge seines Sturzes erfolgt. We have heard the latter, but we cannot even swear to its existence in court, because Sir Henry's death was obviously the result of his fall. Aber, bei Gott im Himmel, so schlau der Bursche auch ist – er soll in meiner Gewalt sein, ehe vierundzwanzig Stunden vergangen sind.« But, by God in heaven, as clever as the lad is, he shall be in my power before twenty-four hours have passed."

Die Herzen von Bitterkeit erfüllt standen wir zu beiden Seiten des zerschmetterten Leichnams, überwältigt von diesem plötzlichen und nie wieder gut zu machenden Unglück, das all unserer langen und mühseligen Arbeit ein so plötzliches Ende bereitet hatte. Our hearts filled with bitterness, we stood on either side of the shattered corpse, overwhelmed by this sudden and irreparable misfortune that had brought all our long and arduous work to such a sudden end. Dann, als der Mond aufgegangen war, kletterten wir zum Gipfel des Felsens empor, von dessen Höhe unser armer Freund abgestürzt war; von dort aus spähten wir über das weite Moor, auf dem silbernes Mondlicht und düstere Schatten wechselten. Then, when the moon had risen, we climbed to the top of the rock from whose height our poor friend had fallen; from there we peered over the wide moor, on which silver moonlight and gloomy shadows alternated. In meilenweiter Ferne, in Richtung des Dorfes Grimpen, leuchtete ein einzelnes gelbes Licht immer an derselben Stelle. Miles away, in the direction of the village of Grimpen, a single yellow light always shone in the same place. Es konnte nur das einsame Wohnhaus der Stapletons sein. Mit einem haßerfüllten Fluch schüttelte ich meine Fäuste nach jener Richtung.

»Warum sollten wir ihn nicht sofort festnehmen?« "Why shouldn't we arrest him immediately?"

»Unsere Beweise sind nicht vollständig. "Our evidence is not complete. Der Bursche ist über alle Maßen vorsichtig und schlau. Es kommt nicht darauf an, was wir wissen, sondern darauf, was wir beweisen können. What matters is not what we know, but what we can prove. Wenn wir einen einzigen falschen Schritt tun, kann der Schurke uns selbst jetzt noch entwischen.« If we take a single wrong step, the villain can still get away from us even now."

»Was können wir tun?«

»Morgen werden wir Arbeit in Hülle und Fülle haben. "Tomorrow we will have work in abundance. Heute abend können wir nur noch unserem armen Freund die letzten Dienste erweisen.«