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Sherlock Holmes - Der Hund der Baskervilles, Dreizehntes Kapitel - Das Netz wird ausgeworfen – 01

Dreizehntes Kapitel - Das Netz wird ausgeworfen – 01

Sir Henry war mehr erfreut als erstaunt, als er plötzlich in dunkler Nacht Sherlock Holmes sein Haus betreten sah. An und für sich überraschte ihn dessen Ankunft keineswegs, denn er hatte bereits seit einigen Tagen erwartet, daß die letzten Ereignisse ihn veranlassen würden, ihn von London hierher zu führen. Nur machte er ein ziemlich verwundertes Gesicht, als er bemerkte, daß Holmes ohne jedes Gepäck ankam und nicht einmal versuchte, diesen eigentümlichen Umstand zu erklären. Sir Henry und ich halfen meinem Freund mit unseren Sachen aus, so daß er im Gesellschaftsanzug im Speisesaal erscheinen konnte. Während des Essens teilten wir dem Baronet von den Ereignissen des Tages so viel mit, wie uns gut schien. Vorher aber hatte ich noch die peinliche Pflicht zu erfüllen, Barrymore und seiner Frau die Nachricht von Seldens plötzlichem Tod beizubringen. Der Mann empfand dabei gewiß nichts als Erleichterung, die Frau aber weinte bitterlich in ihre Schürze hinein – für alle anderen war Selden der gesetzlose Totschläger und Mörder, aber für sie blieb er immer der lustige kleine Junge, der sich mit seinen Kinderfäustchen an die Hand der großen Schwester angeklammert hatte. Schlecht steht es um jeden Mann, um den keine Frau trauert.

»Ich habe mich seit Watsons zeitiger Abfahrt den ganzen Tag im Haus gelangweilt,« bemerkte der Baronet, »und ich verdiene wohl ein großes Lob dafür, denn ich habe mein Versprechen gehalten. Hätte ich nicht mein Wort gegeben, daß ich nicht allein ausgehen würde, so hätte ich wohl einen interessanten Abend haben können, denn Stapleton schickte mir eine Einladung, ich möchte doch herüberkommen.«

»Ich bezweifle nicht im geringsten, daß Sie sogar einen sehr interessanten Abend gehabt hätten,« sagte Holmes trocken. »Doch was ich sagen wollte – Sie haben wohl keine Ahnung, daß wir Sie bereits als Leiche mit gebrochenem Genick betrauerten?«

Sir Henry riß vor Erstaunen die Augen auf und rief:

»Wieso denn?«

»Der arme Kerl hatte Ihre Kleidung an. Ich fürchte, Ihr Diener, der sie ihm geschenkt hat, kann deshalb Ungelegenheiten mit der Polizei kriegen.«

»Doch wohl kaum. Soviel ich weiß, war kein einziges von den Kleidungsstücken gezeichnet.«

»Das ist ein Glück für ihn – und nicht nur für ihn allein, sondern für Sie alle; denn Sie alle haben sich bei dieser Angelegenheit gegen Recht und Gesetz vergangen. Ich weiß nicht, ob ich nicht als gewissenhafter Detektiv vor allen Dingen die Pflicht hätte, sämtliche Hausbewohner zu verhaften. Watsons Berichte sind im höchsten Grade belastend.«

»Aber wie steht's denn mit unserem Fall?« fragte Sir Henry. »Haben Sie die Fäden einigermaßen entwirren können? Watson und ich sind durch unseren Aufenthalt hier nicht viel klüger geworden.«

»Ich glaube, ich werde binnen sehr kurzer Zeit imstande sein, die Situation aufzuklären. Der Fall war außerordentlich schwierig und sehr verwickelt. Auch jetzt noch sind verschiedene Punkte da, die der Aufklärung bedürfen, – indessen auch diese werden wir erhalten.«

»Wie Watson Ihnen ohne Zweifel mitgeteilt hat, hatten wir zum mindesten ein sehr wichtiges Erlebnis. Wir hörten den Hund auf dem Moor; ich kann also darauf schwören, daß nicht alles leere Einbildung ist. Na, ich habe drüben im Wilden Westen ziemlich viel mit Hunden zu tun gehabt und kann einen beurteilen, wenn ich ihn bellen höre. Und wenn Sie dem da einen Maulkorb und eine Kette anlegen können, so will ich vor aller Welt laut erklären, daß Sie der größte Detektiv aller Zeiten sind.«

»Nun, ich glaube, ich werde dem Hund nach allen Regeln der Kunst Maulkorb und Kette anlegen können, wenn Sie mir dabei helfen wollen.«

»Ich will alles tun, was Sie mir auch sagen mögen.«

»Vortrefflich! Und ich möchte Sie zugleich bitten, es blindlings zu tun, ohne auch nur eine Frage zu stellen.«

»Ganz wie Sie wünschen.«

»Wenn Sie das tun wollen, so haben wir, glaube ich, alle Aussicht, unser kleines Problem gelöst zu sehen. Ich zweifle keinen Augen …«

Plötzlich schwieg Holmes und starrte über mich hinweg vor sich hin. Das volle Lampenlicht fiel auf sein scharfgeschnittenes Gesicht, dessen zu höchster Aufmerksamkeit angespannte Züge an ein klassisches Bildwerk, eine Verkörperung wachsamer Erwartung erinnerten.

»Was gibt's?« riefen Sir Henry und ich wie aus einem Munde.

Ich konnte sehen, daß Holmes, als er seine Augen wieder senkte, eine innere Aufregung niederkämpfte. Seine Züge behielten ihren ruhigen Ausdruck, aber aus seinen Augen funkelte eine wilde Freude.

»Entschuldigen Sie, wenn ein Kunstliebhaber sich von seiner Bewunderung hinreißen ließ,« sagte er, mit einer Handbewegung auf die an der gegenüberliegenden Wand hängende Reihe von Portraits hindeutend. »Watson behauptet allerdings, ich verstände von Kunst nicht das allergeringste, aber das ist die reine Überheblichkeit, weil meine Ansichten darüber von den seinigen abweichen. Dies hier ist aber wirklich eine ganze Sammlung von sehr schönen Bildnissen.«

» Na, das höre ich mit Vergnügen,« sagte Sir Henry, indem er meinen Freund mit einiger Überraschung ansah. »Ich kann mich nicht für einen großen Kenner in diesen Dingen ausgeben und verstehe jedenfalls mehr von einem Pferd oder Stier als von einem Gemälde. Erstaunlich, daß Sie auch für die Beschäftigung mit Kunstsachen Zeit gefunden haben.«

»Wenn ich ein Bild sehe, so weiß ich, ob es gut ist oder nicht, und diese hier sind gut. Ich will wetten, die Dame da in der Ecke in dem blauen Seidenkleid ist ein Kneller und der dicke Herr mit der Perücke muß von Reynolds gemalt sein. Es sind wohl lauter Familienbilder?«

»Ohne Ausnahme.«

»Wissen Sie die Namen der Portraitierten?«

»Barrymore hat sie mir gut eingepaukt, und ich glaube, ich kann meine Lektion ziemlich gut hersagen.«

»Wer ist der alte Herr mit dem Fernrohr?«

»Das ist Kontreadmiral Baskerville, der unter Rodney in Westindien diente. Der Mann im blauen Frack mit der Papierrolle ist Sir William Baskerville, zu Pitts Zeiten eines der hervorragendsten Mitglieder des Unterhauses.«

»Und der Kavalier gerade meinem Platz gegenüber – der in dem schwarzen Samtrock mit Spitzenkragen?«

»Ah! Ich glaube wohl, daß der Sie interessiert. Das ist der Urheber allen Unheils, der verruchte Hugo, dem die Baskervilles ihren Gespensterhund verdanken. Den Mann werden wir wohl schwerlich je wieder vergessen.«

Ich drehte mich neugierig und ziemlich überrascht nach dem Bild um.

»Ei sieh!« rief Holmes. »Er sieht ja ganz ruhig und sanftmütig aus, aber in den Augen scheint allerdings etwas Teuflisches zu lauern. Ich hatte mir unter Sir Hugo einen kräftigeren Mann und wilderen Burschen vorgestellt.«

»Daß das Bild ihn wirklich darstellt, unterliegt keinem Zweifel, denn die Rückseite der Leinwand trägt seinen vollen Namen und die Jahreszahl 1647.«

Holmes sagte nicht viel mehr während des Essens, aber das Bild des Wüstlings schien eine merkwürdige Anziehungskraft auf ihn auszuüben, und er hielt beständig seine Augen darauf geheftet. Erst später, nachdem Sir Henry sich auf sein Zimmer begeben hatte, wurde mir meines Freundes Gedankengang klar. Er führte mich, die Kerze in der Hand haltend, noch einmal in den Speisesaal zurück und beleuchtete das vom Alter dunkel gewordene Porträt an der Wand.

»Sieh dir mal das Bild an. Fällt dir nicht etwas daran auf?«

Ich betrachtete genau den breitkrempigen Federhut, die langen Locken, den Spitzenkragen und das dazwischen eingeschlossene, langgezogene ernste Antlitz. Der Gesichtsausdruck war nicht brutal, eher spöttisch, aber hart und grausam; die dünnen Lippen waren fest aufeinandergepreßt, die Augen blickten kalt und herrschsüchtig.

»Erinnert das Bild dich an jemanden, den du kennst?« fragte Holmes mich.

»Die Kinnlade erinnert etwas an Sir Henry.«

»Hm – ein ganz kleines bißchen vielleicht. Aber warte mal einen Augenblick.« Er stieg auf einen Stuhl und verdeckte mit dem gekrümmten rechten Arm den Schlapphut und die Ringellocken, während er mit der Linken die Kerze näher an das Bild hielt.

»Grundgütiger!« rief ich erstaunt. Aus der Leinwand starrte mir Stapletons Antlitz entgegen.

»Aha, jetzt siehst du es auch. Ich habe einen geübten Blick dafür, bei einem Gesicht die Züge zu sehen und nicht das Drum und Dran. Wer Verbrechen aufklären will, muß vor allen Dingen Verkleidungen durchschauen können.«

»Aber das ist ja phantastisch. Es könnte sein Porträt sein.«

»Ja, es ist ein interessantes Beispiel der körperlichen und seelischen Rekapitulation. Man braucht nur eine Sammlung von Familienbildnissen zu studieren, um sich sofort zur Wiedergeburtslehre zu bekehren. Der Bursche ist ein Baskerville – so viel ist klar und deutlich.«

»Mit Absichten auf die Erbschaft.«

»Natürlich. Der zufällige Anblick dieses Bildes hat mir eines der wichtigsten bisher in meiner Beweiskette noch fehlenden Glieder geliefert. Wir haben ihn, Watson, wir haben ihn – und ich kann darauf schwören, daß er vor morgen abend so hilflos in unserem Netz zappeln wird, wie einer von seinen geliebten Schmetterlingen. Eine Nadel, ein Stück Kork, ein Zettelchen – und da haben wir ihn in unserer Sammlung in der Bakerstraße«

Mit diesen Worten wandte Holmes dem Bilde den Rücken und brach in ein Gelächter aus; ich habe ihn selten laut lachen hören – und wenn er's tat, so bedeutete es für den, dem sein Lachen galt, nichts Gutes.

Dreizehntes Kapitel - Das Netz wird ausgeworfen – 01 Thirteenth chapter - The net is cast - 01 Тринадцятий розділ - Сітка закинута - 01 第十三章 撒网 – 01

Sir Henry war mehr erfreut als erstaunt, als er plötzlich in dunkler Nacht Sherlock Holmes sein Haus betreten sah. An und für sich überraschte ihn dessen Ankunft keineswegs, denn er hatte bereits seit einigen Tagen erwartet, daß die letzten Ereignisse ihn veranlassen würden, ihn von London hierher zu führen. In and of itself his arrival did not surprise him, for he had been expecting for some days that recent events would prompt him to bring him here from London. Nur machte er ein ziemlich verwundertes Gesicht, als er bemerkte, daß Holmes ohne jedes Gepäck ankam und nicht einmal versuchte, diesen eigentümlichen Umstand zu erklären. Sir Henry und ich halfen meinem Freund mit unseren Sachen aus, so daß er im Gesellschaftsanzug im Speisesaal erscheinen konnte. Während des Essens teilten wir dem Baronet von den Ereignissen des Tages so viel mit, wie uns gut schien. Vorher aber hatte ich noch die peinliche Pflicht zu erfüllen, Barrymore und seiner Frau die Nachricht von Seldens plötzlichem Tod beizubringen. Der Mann empfand dabei gewiß nichts als Erleichterung, die Frau aber weinte bitterlich in ihre Schürze hinein – für alle anderen war Selden der gesetzlose Totschläger und Mörder, aber für sie blieb er immer der lustige kleine Junge, der sich mit seinen Kinderfäustchen an die Hand der großen Schwester angeklammert hatte. Schlecht steht es um jeden Mann, um den keine Frau trauert. It is bad for every man who is not mourned by a woman.

»Ich habe mich seit Watsons zeitiger Abfahrt den ganzen Tag im Haus gelangweilt,« bemerkte der Baronet, »und ich verdiene wohl ein großes Lob dafür, denn ich habe mein Versprechen gehalten. 'I've been bored in the house all day since Watson left early,' remarked the Baronet, 'and I think I deserve a lot of credit for it, for I've kept my promise. Hätte ich nicht mein Wort gegeben, daß ich nicht allein ausgehen würde, so hätte ich wohl einen interessanten Abend haben können, denn Stapleton schickte mir eine Einladung, ich möchte doch herüberkommen.«

»Ich bezweifle nicht im geringsten, daß Sie sogar einen sehr interessanten Abend gehabt hätten,« sagte Holmes trocken. »Doch was ich sagen wollte – Sie haben wohl keine Ahnung, daß wir Sie bereits als Leiche mit gebrochenem Genick betrauerten?« "But what I meant to say - you have no idea that we were already mourning you as a corpse with a broken neck?"

Sir Henry riß vor Erstaunen die Augen auf und rief: Sir Henry's eyes widened in astonishment and he exclaimed:

»Wieso denn?« "How come?"

»Der arme Kerl hatte Ihre Kleidung an. Ich fürchte, Ihr Diener, der sie ihm geschenkt hat, kann deshalb Ungelegenheiten mit der Polizei kriegen.« I'm afraid your servant, who gave it to him, may get in trouble with the police because of it.”

»Doch wohl kaum. 'Hardly. Soviel ich weiß, war kein einziges von den Kleidungsstücken gezeichnet.« As far as I know, none of the clothes were marked.”

»Das ist ein Glück für ihn – und nicht nur für ihn allein, sondern für Sie alle; denn Sie alle haben sich bei dieser Angelegenheit gegen Recht und Gesetz vergangen. 'That's lucky for him - and not just for him alone, but for all of you; because you have all trespassed against the law in this matter. Ich weiß nicht, ob ich nicht als gewissenhafter Detektiv vor allen Dingen die Pflicht hätte, sämtliche Hausbewohner zu verhaften. I don't know whether, as a conscientious detective, I shouldn't have the primary duty of arresting everyone in the house. Watsons Berichte sind im höchsten Grade belastend.« Watson's reports are highly incriminating."

»Aber wie steht's denn mit unserem Fall?« fragte Sir Henry. 'But what about our case?' asked Sir Henry. »Haben Sie die Fäden einigermaßen entwirren können? 'Did you manage to unravel the threads somewhat? Watson und ich sind durch unseren Aufenthalt hier nicht viel klüger geworden.« Watson and I haven't become much wiser as a result of our stay here."

»Ich glaube, ich werde binnen sehr kurzer Zeit imstande sein, die Situation aufzuklären. “I believe I shall be able to clear up the situation within a very short time. Der Fall war außerordentlich schwierig und sehr verwickelt. The case was extraordinarily difficult and very involved. Auch jetzt noch sind verschiedene Punkte da, die der Aufklärung bedürfen, – indessen auch diese werden wir erhalten.« Even now there are still various points that need to be clarified - but we will keep these too."

»Wie Watson Ihnen ohne Zweifel mitgeteilt hat, hatten wir zum mindesten ein sehr wichtiges Erlebnis. 'As Watson no doubt informed you, we had at least one very important experience. Wir hörten den Hund auf dem Moor; ich kann also darauf schwören, daß nicht alles leere Einbildung ist. We heard the dog on the moor; so I can swear it's not all vain imagination. Na, ich habe drüben im Wilden Westen ziemlich viel mit Hunden zu tun gehabt und kann einen beurteilen, wenn ich ihn bellen höre. Well, I've dealt with dogs quite a bit over in the Wild West, and I can judge one by hearing it bark. Und wenn Sie dem da einen Maulkorb und eine Kette anlegen können, so will ich vor aller Welt laut erklären, daß Sie der größte Detektiv aller Zeiten sind.« And if you can put a muzzle and chain on that one, I'll proclaim out loud to the world that you're the greatest detective of all time."

»Nun, ich glaube, ich werde dem Hund nach allen Regeln der Kunst Maulkorb und Kette anlegen können, wenn Sie mir dabei helfen wollen.« "Well, I think I'll be able to muzzle and chain the dog, if you'll help me."

»Ich will alles tun, was Sie mir auch sagen mögen.« "I will do whatever you may tell me."

»Vortrefflich! Und ich möchte Sie zugleich bitten, es blindlings zu tun, ohne auch nur eine Frage zu stellen.« And I'd like to ask you at the same time to do it blindly, without even asking a question."

»Ganz wie Sie wünschen.«

»Wenn Sie das tun wollen, so haben wir, glaube ich, alle Aussicht, unser kleines Problem gelöst zu sehen. 'If you will do that, I think we have every chance of seeing our little problem solved. Ich zweifle keinen Augen …« I don't doubt my eyes..."

Plötzlich schwieg Holmes und starrte über mich hinweg vor sich hin. Suddenly Holmes fell silent and stared straight ahead over me. Das volle Lampenlicht fiel auf sein scharfgeschnittenes Gesicht, dessen zu höchster Aufmerksamkeit angespannte Züge an ein klassisches Bildwerk, eine Verkörperung wachsamer Erwartung erinnerten. The full lamplight fell on his sharp-edged face, whose features, strained for the utmost attention, recalled a classical sculpture, an embodiment of watchful expectation.

»Was gibt's?« riefen Sir Henry und ich wie aus einem Munde. "What's up?" Sir Henry and I cried together.

Ich konnte sehen, daß Holmes, als er seine Augen wieder senkte, eine innere Aufregung niederkämpfte. Seine Züge behielten ihren ruhigen Ausdruck, aber aus seinen Augen funkelte eine wilde Freude. His features kept their calm expression, but his eyes sparkled with wild joy.

»Entschuldigen Sie, wenn ein Kunstliebhaber sich von seiner Bewunderung hinreißen ließ,« sagte er, mit einer Handbewegung auf die an der gegenüberliegenden Wand hängende Reihe von Portraits hindeutend. "Excuse me if an art lover allowed himself to be carried away by his admiration," he said, gesturing at the row of portraits hanging on the far wall. »Watson behauptet allerdings, ich verstände von Kunst nicht das allergeringste, aber das ist die reine Überheblichkeit, weil meine Ansichten darüber von den seinigen abweichen. 'Watson claims I don't know a thing about art, but that's just arrogance because my views on it differ from his. Dies hier ist aber wirklich eine ganze Sammlung von sehr schönen Bildnissen.« But this really is a whole collection of very beautiful portraits."

» Na, das höre ich mit Vergnügen,« sagte Sir Henry, indem er meinen Freund mit einiger Überraschung ansah. "Well, I'm glad to hear that," said Sir Henry, looking at my friend with some surprise. »Ich kann mich nicht für einen großen Kenner in diesen Dingen ausgeben und verstehe jedenfalls mehr von einem Pferd oder Stier als von einem Gemälde. 'I can't pretend to be a great connoisseur of these things, and I certainly know more about a horse or a bull than I do about a painting. Erstaunlich, daß Sie auch für die Beschäftigung mit Kunstsachen Zeit gefunden haben.« It's amazing that you found time to work on art."

»Wenn ich ein Bild sehe, so weiß ich, ob es gut ist oder nicht, und diese hier sind gut. Ich will wetten, die Dame da in der Ecke in dem blauen Seidenkleid ist ein Kneller und der dicke Herr mit der Perücke muß von Reynolds gemalt sein. I'll bet that lady in the corner in the blue silk dress is a knave and the fat gentleman in the wig must be a painting by Reynolds. Es sind wohl lauter Familienbilder?« Are they all family pictures?”

»Ohne Ausnahme.« "Without exception."

»Wissen Sie die Namen der Portraitierten?«

»Barrymore hat sie mir gut eingepaukt, und ich glaube, ich kann meine Lektion ziemlich gut hersagen.« "Barrymore drilled it into me well and I think I can recite my lesson pretty well."

»Wer ist der alte Herr mit dem Fernrohr?«

»Das ist Kontreadmiral Baskerville, der unter Rodney in Westindien diente. "This is Contreadmiral Baskerville, who served under Rodney in the West Indies. Der Mann im blauen Frack mit der Papierrolle ist Sir William Baskerville, zu Pitts Zeiten eines der hervorragendsten Mitglieder des Unterhauses.« The man in the blue tails with the roll of paper is Sir William Baskerville, one of the most distinguished Members of the House of Commons in Pitt's day."

»Und der Kavalier gerade meinem Platz gegenüber – der in dem schwarzen Samtrock mit Spitzenkragen?« "And the cavalier just opposite my seat - the one in the black velvet coat with a lace collar?"

»Ah! Ich glaube wohl, daß der Sie interessiert. I think that interests you. Das ist der Urheber allen Unheils, der verruchte Hugo, dem die Baskervilles ihren Gespensterhund verdanken. This is the author of all evil, the wicked Hugo, to whom the Baskervilles owe their ghost dog. Den Mann werden wir wohl schwerlich je wieder vergessen.« We shall hardly ever forget the man."

Ich drehte mich neugierig und ziemlich überrascht nach dem Bild um. I turned to look at the picture, curious and quite surprised.

»Ei sieh!« rief Holmes. "Oh look!" cried Holmes. »Er sieht ja ganz ruhig und sanftmütig aus, aber in den Augen scheint allerdings etwas Teuflisches zu lauern. 'He looks quite calm and gentle, but there seems to be something evil lurking in his eyes. Ich hatte mir unter Sir Hugo einen kräftigeren Mann und wilderen Burschen vorgestellt.« I had imagined Sir Hugo to be a stronger man and wilder fellows.”

»Daß das Bild ihn wirklich darstellt, unterliegt keinem Zweifel, denn die Rückseite der Leinwand trägt seinen vollen Namen und die Jahreszahl 1647.« »There is no doubt that the picture really depicts him, for the back of the canvas bears his full name and the year 1647.«

Holmes sagte nicht viel mehr während des Essens, aber das Bild des Wüstlings schien eine merkwürdige Anziehungskraft auf ihn auszuüben, und er hielt beständig seine Augen darauf geheftet. Holmes did not say much more during the meal, but the image of the libertine seemed to exercise a strange attraction on him, and he kept his eyes fixed on it steadily. Erst später, nachdem Sir Henry sich auf sein Zimmer begeben hatte, wurde mir meines Freundes Gedankengang klar. It was only later, after Sir Henry had gone to his room, that my friend's train of thought became clear to me. Er führte mich, die Kerze in der Hand haltend, noch einmal in den Speisesaal zurück und beleuchtete das vom Alter dunkel gewordene Porträt an der Wand. He led me back into the dining room, candle in hand, and illuminated the portrait on the wall, darkened with age.

»Sieh dir mal das Bild an. 'Look at the picture. Fällt dir nicht etwas daran auf?« Don't you notice something about it?"

Ich betrachtete genau den breitkrempigen Federhut, die langen Locken, den Spitzenkragen und das dazwischen eingeschlossene, langgezogene ernste Antlitz. I looked closely at the wide-brimmed feather hat, the long curls, the lace collar and the long, serious face enclosed between them. Der Gesichtsausdruck war nicht brutal, eher spöttisch, aber hart und grausam; die dünnen Lippen waren fest aufeinandergepreßt, die Augen blickten kalt und herrschsüchtig. The facial expression was not brutal, rather mocking, but hard and cruel; the thin lips were pressed tightly together, the eyes looked cold and domineering.

»Erinnert das Bild dich an jemanden, den du kennst?« fragte Holmes mich. "Does the picture remind you of anyone you know?" Holmes asked me.

»Die Kinnlade erinnert etwas an Sir Henry.« "The jawline is a bit reminiscent of Sir Henry."

»Hm – ein ganz kleines bißchen vielleicht. 'Hm - a tiny bit maybe. Aber warte mal einen Augenblick.« Er stieg auf einen Stuhl und verdeckte mit dem gekrümmten rechten Arm den Schlapphut und die Ringellocken, während er mit der Linken die Kerze näher an das Bild hielt. But wait a minute.” He climbed into a chair and covered his slouch hat and ringlets with his crooked right arm while holding the candle closer to the picture with his left.

»Grundgütiger!« rief ich erstaunt. I exclaimed in astonishment. Aus der Leinwand starrte mir Stapletons Antlitz entgegen. Stapleton's face stared out at me from the screen.

»Aha, jetzt siehst du es auch. “Aha, now you see it too. Ich habe einen geübten Blick dafür, bei einem Gesicht die Züge zu sehen und nicht das Drum und Dran. I have a practiced eye for seeing the features of a face rather than the trimmings. Wer Verbrechen aufklären will, muß vor allen Dingen Verkleidungen durchschauen können.« Above all, if you want to solve crimes, you have to be able to see through disguises.«

»Aber das ist ja phantastisch. 'But that's fantastic. Es könnte sein Porträt sein.«

»Ja, es ist ein interessantes Beispiel der körperlichen und seelischen Rekapitulation. 'Yes, it's an interesting example of physical and mental recap. Man braucht nur eine Sammlung von Familienbildnissen zu studieren, um sich sofort zur Wiedergeburtslehre zu bekehren. One need only study a collection of family portraits to be immediately converted to reincarnation. Der Bursche ist ein Baskerville – so viel ist klar und deutlich.« The lad is a Baskerville—that much is clear.”

»Mit Absichten auf die Erbschaft.« "With intentions of inheritance."

»Natürlich. "Naturally. Der zufällige Anblick dieses Bildes hat mir eines der wichtigsten bisher in meiner Beweiskette noch fehlenden Glieder geliefert. The chance sight of this image provided me with one of the most important links missing in my chain of evidence so far. Wir haben ihn, Watson, wir haben ihn – und ich kann darauf schwören, daß er vor morgen abend so hilflos in unserem Netz zappeln wird, wie einer von seinen geliebten Schmetterlingen. We've got him, Watson, we've got him - and I swear he'll be wriggling helplessly in our net like one of his beloved butterflies before tomorrow night. Eine Nadel, ein Stück Kork, ein Zettelchen – und da haben wir ihn in unserer Sammlung in der Bakerstraße« A needle, a piece of cork, a piece of paper – and there we have it in our collection on Bakerstrasse«

Mit diesen Worten wandte Holmes dem Bilde den Rücken und brach in ein Gelächter aus; ich habe ihn selten laut lachen hören – und wenn er's tat, so bedeutete es für den, dem sein Lachen galt, nichts Gutes. With these words Holmes turned his back on the picture, and burst out laughing; I have seldom heard him laugh out loud - and when he did, it did not bode well for the one to whom his laughter was directed.