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Der Schatten über Innsmouth - H P Lovecraft, Der Schatten über Innsmouth - Kapitel 3 – 08

Der Schatten über Innsmouth - Kapitel 3 – 08

Ich landete sicher auf den losen Schindeln des steilen Daches und schaffte es, das klaffende, schwarze Dachfenster zu erreichen ohne auszurutschen. Ich stellte fest, dass es noch immer dunkel war, jedoch weit über die bröckelnden Schornsteine hinaus unheilvolle Lichter in der Ordenshalle des Dagon, der Baptisten- und der Gemeindekirche, an die ich schaudernd zurückdachte, funkelten. Es hatte den Anschein erweckt als befinde sich niemand im Hof unter mir und ich hoffte, dass die Möglichkeit sich bieten würde, zu verschwinden bevor ein Großalarm ausgerufen wurde. Meine Taschenlampe in das Oberlicht leuchtend, sah ich, dass es keine Leiter nach unten gab. Die Entfernung war jedoch nur kurz und so kletterte ich über die Kante und ließ mich fallen; auf einen staubigen Boden, der übersät war mit zerfallenden Kisten und Fässern.

Dieser Ort sah gräulich aus, doch ich befand jenseits solcher Eindrücke und machte mich sofort zur von meiner Lampe offenbarten Treppe --- nach einem flüchtigen Blick auf meine Uhr, die mir Zwei Uhr morgens anzeigte. Die Stufen knarzten, doch schienen sie hinreichend stabil zu sein und ich eilte hinunter, vorbei an einem scheunenartigen ersten Stock ins Erdgeschoss. Ich befand mich in vollkommener Verlassenheit und nur das Echo erwiderte meine Schritte. Bald erreichte ich den unteren Flur, an dessen Ende ich ein schwach leuchtendes Rechteck erkannte, dass den zerstörten Ausgang zur Paine Street markierte. In die andere Richtung fand ich die Hintertür ebenfalls offen und flitzte hinaus, über fünf steinerne Stufen auf das grasumwachsene Kopfsteinpflaster des Hofes.

Das Mondlicht reichte nicht hier herunter, doch konnte ich meinen Weg ohne Hilfe der Taschenlampe erspähen. Einige der Fenster des Gilman House leuchteten schwach und ich wähnte, darin konfuse Laute zu vernehmen. Während ich vorsichtig zur Washington Street lief, bemerkte ich mehrere offene Hauseingänge und wählte den ersten für meine Fluchtroute. Der Flur dahinter war schwarz und als ich das andere Ende erreichte, stellte ich fest, dass die Tür zur Straße verschlossen und unbeweglich verklemmt war. Ich tastete meinen Weg zurück zum Hof, doch hielt ich inne als ich den Durchgang erreichte.

Denn aus der geöffneten Tür des Gilman House strömte eine große Schar verdächtiger Formen --- mit in der Dunkelheit tanzenden Laternen und abscheulichen quakenden Stimmen, die tiefe Schreie austauschten, die sicher nicht Englisch waren. Die Gestalten bewegten sich ungewiss und ich stellte zu meiner Erleichterung fest, dass sie nicht wussten, wohin ich geflohen war; doch trotz allem schickten sie einen Schauder des Entsetzen über meinen Rücken. Ihre Züge waren nicht zu erkennen, doch ihr kriechender, schlurfender Gang war widerwärtig abstoßend. Und das Allerschlimmste war, als ich eine Gestalt bemerkte, die fremdartig gekleidet und unverkennbar von einer schlanken Tiara gekrönt war, deren Formgebung mir nur allzu bekannt war. Als die Gestalten sich über den Hof verteilten, verstärkte sich meine Angst. Was, wenn ich keinen Ausgang zur Straße aus diesem Gebäude fand? Der Fischgestank war abscheulich und ich fragte mich, wie ich ihn aushalten konnte ohne einen Ohnmachtsanfall zu erleiden. Mich wieder zur Straße hin tastend, öffnete ich eine Seitentür des Flures und fand einen leeren Raum mit fest verschlossenen, doch rahmenlosen Fenstern. Im Schein meiner Taschenlampe umhertastend fand ich heraus, dass die Läden zu öffnen waren und einen Moment später war ich herausgeklettert und verschloss vorsichtig die Öffnung wieder auf die gleiche Manier.

Ich befand mich nun auf der Washington Street und sah für den Augenblick weder Leben, noch irgendwelches Licht mit Ausnahme des Mondes. Aus mehreren Richtungen in der Ferne jedoch, konnte ich den Klang heiserer Stimmen und von Fußstapfen vernehmen. Ich hatte schlicht keine Zeit zu verlieren. Ich war mir der Himmelsrichtungen bewusst und froh, dass die Straßenbeleuchtung abgeschaltet war, wie es an Nächten mit hellem Mondschein oft der Fall in armen, ländlichen Gegenden war. Einige der Laute kamen aus dem Süden, doch behielt ich meinen Plan bei, in diese Richtung zu entkommen. Es würde, soweit war ich mir sicher, zahlreiche verlassene Eingänge geben, in denen ich mich verstecken konnte, sofern ich auf irgendeine Person oder Gruppe treffen sollte, die nach Verfolgern aussah.

Ich lief schnell, leise und hielt mich an die verfallenen Häuser. Obwohl hutlos und zerzaust, sah ich nicht besonders auffällig aus und hatte eine gute Chance, unbemerkt zu passieren, sollte ich gezwungen sein, auf einen zufälligen Fußgänger zu treffen. An der Bates Street bog ich in einen klaffenden Vorhof als zwei watschelnde Gestalten meinen Weg kreuzten, doch war ich bald wieder unterwegs und näherte mich dem offenen Platz an dem die Eliot Street die Washington schräg kreuzt. Obwohl ich diesen Ort nie gesehen hatte, hatte er auf der Karte des Lebensmitteljungen gefährlich ausgesehen, da das Mondlicht hier freies Spiel hatte. Es hatte keinen Zweck, ihm auszuweichen, denn jede andere Route beinhaltete Umleitungen von womöglich verheerender Sichtbarkeit und Verzögerung. Die einzige Möglichkeit bestand darin, den Platz mutig und offen zu überqueren, dabei das typische Watscheln der Innsmouther zu imitieren, so gut ich konnte und darauf zu hoffen, dass niemand --- oder zumindest keiner meiner Verfolger dort sein würde.

Davon, wie stark die Verfolgung organisiert war --- und was ihr tatsächlicher Zweck sein mochte, konnte ich mir keinen Begriff machen. Die Stadt schien ungewöhnlich lebendig, doch ich schätzte, dass die Kunde von meiner Flucht aus dem Gilman sich noch nicht verbreitet hatte. Ich würde natürlich bald von der Washington auf eine andere Straße nach Süden wechseln müssen, denn die Gesellschaft aus dem Hotel würde zweifelsohne hinter mir her sein. Ich musste Abdrücke im Staub jenes alten Gebäudes hinterlassen haben, die offenbarten, wie ich zur Straße herab gelangt war.

Der offene Platz war, wie erwartet, stark vom Mondlicht erhellt und ich sah die Reste eines parkartigen, eisenumzäunten Grüns in seiner Mitte. Glücklicherweise war niemand zugegen, obwohl sich eine Art merkwürdiges Brummen oder Dröhnen aus der Richtung des Marktplatzes aufbaute. South Street war sehr breit und führte an einem kleinen Abhang hinunter direkt ans Ufer und gewährte dort einen Ausblick auf die See --- und ich hoffte, dass von dort niemand aufblickte, während ich den Platz im hellen Mondlicht überquerte.

Mit ungebrochenem Fortschritt und ohne neuerliche Geräusche, die mich darauf hingewiesen hätten, dass ich entdeckt worden war, mäßigte ich mein Tempo für eine Sekunde um den Ausblick auf die See auf mich wirken zu lassen, prachtvoll im glühenden Mondlicht am Ende der Straße. Weit draußen jenseits der Mole war die trübe, dunkle Linie des Devil Reef und als ich es erblickte konnte ich nicht anders, als an all jene hässlichen Legenden, die ich in den letzten vierunddreißig Stunden gehört hatte zu denken --- Legenden die diesen zackigen Felsen als ein wahrhaftiges Tor zu Gefilden unergründeten Schreckens und undenkbarer Abnormität darstellten.

Dann, ohne Vorwarnung, bemerkte ich periodische Lichtblitze auf dem entfernten Riff. Sie waren deutlich und unverkennbar und weckten in meinem Geist eine Blinde Furcht jenseits aller rationalen Maßstäbe. Meine Muskeln spannten sich zur panischen Flucht und wurden nur durch unbewusste Vorsicht und eine halb-hypnotische Faszination gehalten. Und um alles noch schlimmer zu machen, blitzte nun auch aus der hohen Kuppel des Gilman House, welches im Nordosten hinter mir aufragte eine Reihe vergleichbarer, doch anders aufeinanderfolgender Schimmer die nicht weniger als ein Antwortsignal gewesen sein konnten.


Der Schatten über Innsmouth - Kapitel 3 – 08 The Shadow Over Innsmouth - Chapter 3 - 08 Skuggan över Innsmouth - Kapitel 3 - 08

Ich landete sicher auf den losen Schindeln des steilen Daches und schaffte es, das klaffende, schwarze Dachfenster zu erreichen ohne auszurutschen. Ich stellte fest, dass es noch immer dunkel war, jedoch weit über die bröckelnden Schornsteine hinaus unheilvolle Lichter in der Ordenshalle des Dagon, der Baptisten- und der Gemeindekirche, an die ich schaudernd zurückdachte, funkelten. Es hatte den Anschein erweckt als befinde sich niemand im Hof unter mir und ich hoffte, dass die Möglichkeit sich bieten würde, zu verschwinden bevor ein Großalarm ausgerufen wurde. Meine Taschenlampe in das Oberlicht leuchtend, sah ich, dass es keine Leiter nach unten gab. Die Entfernung war jedoch nur kurz und so kletterte ich über die Kante und ließ mich fallen; auf einen staubigen Boden, der übersät war mit zerfallenden Kisten und Fässern.

Dieser Ort sah gräulich aus, doch ich befand jenseits solcher Eindrücke und machte mich sofort zur von meiner Lampe offenbarten Treppe --- nach einem flüchtigen Blick auf meine Uhr, die mir Zwei Uhr morgens anzeigte. Die Stufen knarzten, doch schienen sie hinreichend stabil zu sein und ich eilte hinunter, vorbei an einem scheunenartigen ersten Stock ins Erdgeschoss. Ich befand mich in vollkommener Verlassenheit und nur das Echo erwiderte meine Schritte. Bald erreichte ich den unteren Flur, an dessen Ende ich ein schwach leuchtendes Rechteck erkannte, dass den zerstörten Ausgang zur Paine Street markierte. In die andere Richtung fand ich die Hintertür ebenfalls offen und flitzte hinaus, über fünf steinerne Stufen auf das grasumwachsene Kopfsteinpflaster des Hofes.

Das Mondlicht reichte nicht hier herunter, doch konnte ich meinen Weg ohne Hilfe der Taschenlampe erspähen. Einige der Fenster des Gilman House leuchteten schwach und ich wähnte, darin konfuse Laute zu vernehmen. Während ich vorsichtig zur Washington Street lief, bemerkte ich mehrere offene Hauseingänge und wählte den ersten für meine Fluchtroute. Der Flur dahinter war schwarz und als ich das andere Ende erreichte, stellte ich fest, dass die Tür zur Straße verschlossen und unbeweglich verklemmt war. Ich tastete meinen Weg zurück zum Hof, doch hielt ich inne als ich den Durchgang erreichte.

Denn aus der geöffneten Tür des Gilman House strömte eine große Schar verdächtiger Formen --- mit in der Dunkelheit tanzenden Laternen und abscheulichen quakenden Stimmen, die tiefe Schreie austauschten, die sicher nicht Englisch waren. Die Gestalten bewegten sich ungewiss und ich stellte zu meiner Erleichterung fest, dass sie nicht wussten, wohin ich geflohen war; doch trotz allem schickten sie einen Schauder des Entsetzen über meinen Rücken. Ihre Züge waren nicht zu erkennen, doch ihr kriechender, schlurfender Gang war widerwärtig abstoßend. Und das Allerschlimmste war, als ich eine Gestalt bemerkte, die fremdartig gekleidet und unverkennbar von einer schlanken Tiara gekrönt war, deren Formgebung mir nur allzu bekannt war. Als die Gestalten sich über den Hof verteilten, verstärkte sich meine Angst. Was, wenn ich keinen Ausgang zur Straße aus diesem Gebäude fand? Der Fischgestank war abscheulich und ich fragte mich, wie ich ihn aushalten konnte ohne einen Ohnmachtsanfall zu erleiden. Mich wieder zur Straße hin tastend, öffnete ich eine Seitentür des Flures und fand einen leeren Raum mit fest verschlossenen, doch rahmenlosen Fenstern. Im Schein meiner Taschenlampe umhertastend fand ich heraus, dass die Läden zu öffnen waren und einen Moment später war ich herausgeklettert und verschloss vorsichtig die Öffnung wieder auf die gleiche Manier.

Ich befand mich nun auf der Washington Street und sah für den Augenblick weder Leben, noch irgendwelches Licht mit Ausnahme des Mondes. Aus mehreren Richtungen in der Ferne jedoch, konnte ich den Klang heiserer Stimmen und von Fußstapfen vernehmen. Ich hatte schlicht keine Zeit zu verlieren. Ich war mir der Himmelsrichtungen bewusst und froh, dass die Straßenbeleuchtung abgeschaltet war, wie es an Nächten mit hellem Mondschein oft der Fall in armen, ländlichen Gegenden war. Einige der Laute kamen aus dem Süden, doch behielt ich meinen Plan bei, in diese Richtung zu entkommen. Es würde, soweit war ich mir sicher, zahlreiche verlassene Eingänge geben, in denen ich mich verstecken konnte, sofern ich auf irgendeine Person oder Gruppe treffen sollte, die nach Verfolgern aussah.

Ich lief schnell, leise und hielt mich an die verfallenen Häuser. Obwohl hutlos und zerzaust, sah ich nicht besonders auffällig aus und hatte eine gute Chance, unbemerkt zu passieren, sollte ich gezwungen sein, auf einen zufälligen Fußgänger zu treffen. An der Bates Street bog ich in einen klaffenden Vorhof als zwei watschelnde Gestalten meinen Weg kreuzten, doch war ich bald wieder unterwegs und näherte mich dem offenen Platz an dem die Eliot Street die Washington schräg kreuzt. Obwohl ich diesen Ort nie gesehen hatte, hatte er auf der Karte des Lebensmitteljungen gefährlich ausgesehen, da das Mondlicht hier freies Spiel hatte. Es hatte keinen Zweck, ihm auszuweichen, denn jede andere Route beinhaltete Umleitungen von womöglich verheerender Sichtbarkeit und Verzögerung. Die einzige Möglichkeit bestand darin, den Platz mutig und offen zu überqueren, dabei das typische Watscheln der Innsmouther zu imitieren, so gut ich konnte und darauf zu hoffen, dass niemand --- oder zumindest keiner meiner Verfolger dort sein würde.

Davon, wie stark die Verfolgung organisiert war --- und was ihr tatsächlicher Zweck sein mochte, konnte ich mir keinen Begriff machen. Die Stadt schien ungewöhnlich lebendig, doch ich schätzte, dass die Kunde von meiner Flucht aus dem Gilman sich noch nicht verbreitet hatte. Ich würde natürlich bald von der Washington auf eine andere Straße nach Süden wechseln müssen, denn die Gesellschaft aus dem Hotel würde zweifelsohne hinter mir her sein. Ich musste Abdrücke im Staub jenes alten Gebäudes hinterlassen haben, die offenbarten, wie ich zur Straße herab gelangt war.

Der offene Platz war, wie erwartet, stark vom Mondlicht erhellt und ich sah die Reste eines parkartigen, eisenumzäunten Grüns in seiner Mitte. Glücklicherweise war niemand zugegen, obwohl sich eine Art merkwürdiges Brummen oder Dröhnen aus der Richtung des Marktplatzes aufbaute. South Street war sehr breit und führte an einem kleinen Abhang hinunter direkt ans Ufer und gewährte dort einen Ausblick auf die See --- und ich hoffte, dass von dort niemand aufblickte, während ich den Platz im hellen Mondlicht überquerte.

Mit ungebrochenem Fortschritt und ohne neuerliche Geräusche, die mich darauf hingewiesen hätten, dass ich entdeckt worden war, mäßigte ich mein Tempo für eine Sekunde um den Ausblick auf die See auf mich wirken zu lassen, prachtvoll im glühenden Mondlicht am Ende der Straße. Weit draußen jenseits der Mole war die trübe, dunkle Linie des Devil Reef und als ich es erblickte konnte ich nicht anders, als an all jene hässlichen Legenden, die ich in den letzten vierunddreißig Stunden gehört hatte zu denken --- Legenden die diesen zackigen Felsen als ein wahrhaftiges Tor zu Gefilden unergründeten Schreckens und undenkbarer Abnormität darstellten.

Dann, ohne Vorwarnung, bemerkte ich periodische Lichtblitze auf dem entfernten Riff. Sie waren deutlich und unverkennbar und weckten in meinem Geist eine Blinde Furcht jenseits aller rationalen Maßstäbe. Meine Muskeln spannten sich zur panischen Flucht und wurden nur durch unbewusste Vorsicht und eine halb-hypnotische Faszination gehalten. Und um alles noch schlimmer zu machen, blitzte nun auch aus der hohen Kuppel des Gilman House, welches im Nordosten hinter mir aufragte eine Reihe vergleichbarer, doch anders aufeinanderfolgender Schimmer die nicht weniger als ein Antwortsignal gewesen sein konnten.