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Horror Kurzgeschichten, Der sterbliche Unsterbliche von Mary Shelley - 04

Der sterbliche Unsterbliche von Mary Shelley - 04

Ich nahm meine Mütze und ging zur Tür. In diesem Moment schlang Bertha ihre Arme um meinen Nacken, und drückte ihre Lippen auf meine. »Nein, mein Mann, mein Winzy«, sagte sie, »Sie sollen nicht alleine gehen – nehmen Sie mich mit. Wir werden von hier fortgehen, und, wie Sie sagen, unter Fremden unverdächtig und sicher sein. Ich bin noch nicht zu alt, um Ihnen Schande zu bereiten, mein Winzy, und ja, ich wage es zu behaupten, dass der Zauberbann bald nachlassen wird. Dann werden Sie mit dem Segen Gottes, älter aussehen, so, wie es sich geziemt. Sie sollen mich nicht verlassen.«

Ich erwiderte herzlich die Umarmung der guten Seele. »Das werde ich nicht, meine liebe Bertha – um Ihretwillen hatte ich dies gar nicht in Erwägung gezogen. Ich werde Ihnen ein wahrer, treuer Ehegatte sein, während Sie bei mir bleiben – ich werde meine Pflicht Ihnen gegenüber bis zum Letzten erfüllen.«

Am nächsten Tag bereiteten wir heimlich unsere Auswanderung vor. Wir waren gezwungen, große finanzielle Opfer zu bringen – dem war nicht abzuhelfen. Wir konnten eine ausreichende Summe realisieren, um uns zumindest solange zu erhalten wie Bertha lebte. Ohne irgendjemanden adieu zu sagen, verließen wir unserer Heimat, um Zuflucht in einem entlegenen Teil des westlichen Frankreichs zu nehmen.

Es war eine grausame Sache, die arme Bertha aus ihrem Heimatdorf zu entfernen – fort von ihren Jugendfreunden, in ein neues Land, mit neuer Sprache, neuen Sitten. Das seltsame Geheimnis meines Schicksals machte für mich dieses Entfernen unerheblich; aber ich bemitleidete Bertha zutiefst, und war froh, zu entdecken, dass sie einen Ausgleich für ihr Missgeschick in einer Vielzahl von kleinen lächerlichen Umständen fand.

Fern von allen märchenerzählenden Chronisten, strebte sie, die scheinbare Ungleichheit unseres Alters durch tausenderlei weiblichen Künste zu verringern – mit Rouge, jugendfrischen Kleidern, und einem jugendlichen Benehmen. Ich konnte ihr nicht böse sein. Hatte ich nicht auch eine Maske zu tragen? Warum mit ihr streiten, wenn es wenig erfolgversprechend schien? Ich trauerte tief, wenn ich mich daran erinnerte, dass dies doch meine Bertha sei, welche ich so tief geliebt und mit einer solchen Flucht gewonnen hatte – das dunkel-äugige, dunkelhaarige Mädchen, mit jenem Lächeln voll bezaubernder Wehmut und dem Schritt eines Rehs – war nun dieser Fleischwolf einer einfachen, eifersüchtigen alten Frau. – Ich sollte ihre grauen Locken und welken Wangen einst verehrt haben?! Es sei wie es sei – dies war meine Aufgabe, das wusste ich; aber konnte nicht umhin, jene Form der menschlichen Schwäche nicht wenig zu bedauern.

Ihre Eifersucht schlief niemals. Ihre Hauptbeschäftigung bestand darin, aufzudecken, dass ich, trotz der äußeren Erscheinung, innerlich altern würde. Ich glaube wahrhaftig, dass die arme Seele mich tief in ihrem Herzen wirklich liebte, aber niemals hatte eine Frau eine so quälende Art, ihre Verbundenheit zu zeigen. Sie meinte Falten in meinem Gesicht und Altersschwäche in meinem Gang zu erkennen, während ich mit jugendfrischem Elan und dem Aussehen eines höchstens 20jährigen umhersprang. Auch hatte ich nie gewagt, andere Frauen anzusprechen.

Aber bei einer Gelegenheit, als sie sich eingebildet hatte, dass die Schönheit des Dorfes mich mit ihren Augen wohlwollend musterte, brachte sie mir eine graue Perücke. Ihr ständiger Streitpunkt mit ihren Bekannten war, dass, obwohl ich so jung aussähe, es tatsächlich Verfall in meinem Körper gäbe; und sie bestätigte, dass das schlimmste Symptom davon bei mir meine scheinbare Gesundheit wäre. Meine Jugend wäre eine Krankheit, sagte sie, und ich sollte mich zu jeder Zeit auf einen plötzlichen und schrecklichen Tod vorbereiten, um vielleicht eines Morgens weißköpfig und gebeugt mit allen Zeichen des fortgeschrittenen Alters zu erwachen.

Ich ließ sie reden – stimmte gar oft ihren Mutmaßungen zu. Denn ihre Warnungen über meinen Zustand entsprachen ja meinen eigenen unaufhörlichen Spekulationen, und ich nahm ein ernsthaftes, wenn auch schmerzhaftes Interesse daran zuzuhören, was all ihre Schlagfertigkeit und aufgeregte Phantasie zu diesem Thema zu sagen hatte.

Warum bei dieser kurzen Zeitspanne verweilen? Wir lebten noch viele Jahre. Bertha wurde irgendwann bettlägerig und lahm; ich pflegte sie wie eine Mutter ihr Kind. Sie wurde reizbar, und spielte immer noch auf derselben Harfensaite – wie lange ich sie wohl überleben würde. Es war stets eine Quelle des Trostes für mich, dass ich meine Pflicht ihr gegenüber gewissenhaft erfüllte. Sie war mein in ihrer Jugend, und so war sie auch mein im Alter. Und zuletzt, als ich die Erde über ihrem Leichnam aufhäufte, weinte ich bei dem Gefühl, dass alles, was mich mit der Menschheit verband, nun verloren war.

Seit damals waren meine Sorgen und Nöte – oh so zahlreich – wie selten und leer meine Freuden! Hier mache ich eine Pause in meiner Geschichte – ich werde sie nicht weiter verfolgen. Ein Matrose ohne Ruder oder Kompass, verloren in einem stürmischen Meer – ein Reisender auf einer weiten Ebene, ohne Bezugspunkt oder Wegstein, ihn zu leiten – so war ich; doch viel verlorener und hoffnungsloser als jene beiden. Ein näherndes Schiff, der Schimmer einer weit entfernten Hütte könnte diese beiden retten; aber ich habe keine Leuchtfeuer der Hoffnung, mit Ausnahme des Todes.

Tod! Geheimnisvoller, krankgesichtiger Freund der schwachen Menschheit! Warum hast du mich allein von allen Sterblichen dazu auserkoren aus deinen schützenden Falten herauszufallen? Oh, welch Frieden des Grabes! – welch tiefe Stille der eisenbeschlagenen Gruft! Dort würden solche Gedanken aufhören, in meinem Gehirn zu rumoren, und mein Herz schlüge nicht mehr in den mannigfaltig wechselnden Formen der Trauer!

Bin ich unsterblich? Ich kehre zu meiner ersten Frage zurück. Zunächst einmal, wie wahrscheinlich ist es, dass das Gebräu des Alchimisten eher mit Langlebigkeit als mit ewigem Leben beladen war? Solcher Art ist meine Hoffnung. Und dann erinnere man sich, dass ich nur die Hälfte der von ihm vorbereiteten Dosis trank. Wäre nicht das Ganze notwendig gewesen, um den Zauber zu vervollständigen? Nur die Hälfte des Unsterblichkeitselixiers geleert zu haben, bedeutet aber auch nur halb-unsterblich zu sein – meine Ewigkeit wäre damit abgeschnitten und nichtig.

Wiederum, welches ist die Anzahl der Jahre, die die Hälfte der Ewigkeit darstellen? Ich versuche oft, mir vorzustellen, nach welchen Regeln die Unendlichkeit unterteilbar ist. Manchmal stellte ich mir vor, wie mich das Alter einholt. Hah, ich habe ein graues Haar gefunden. Dummkopf! Beklage ich mich etwa? Ja, denn die Angst vor dem Alter und den Tod schleicht sich oft kalt in mein Herz; und je länger ich lebe, desto mehr fürchte ich den Tod, auch wenn ich das Leben verabscheue. Was für ein Rätsel ist doch der Mensch – geboren, um zu vergehen – sobald er Krieg gegen die etablierten Gesetze seiner Natur führt – wie ich.

Ich werde sicherlich irgendwann an dieser Gefühlsanomalie sterben. Denn die Medizin des Alchimisten schützt nicht vor Feuer, dem Schwert oder dem Ertrinken in Gewässern. So habe ich auf die blauen Tiefen vieler ruhiger Seen geblickt, und auf das stürmische Rauschen vieler mächtiger Flüsse, und mir dabei eingeredet, dass Friede in diesen Gewässern wohnt; doch wendete ich mich immer wieder ab, um noch einen weiteren Tag zu verleben.

Ich fragte mich, ob Selbstmord für denjenigen ein Verbrechen wäre, welchem nur auf diese Weise die Portale der anderen Welt geöffnet werden können. Ja, ich unternahm beinahe alles, außer mich selbst als Soldat oder Duellant zu präsentieren, da ich einen Vorbehalt gegen die Zerstörung meiner – nein, nicht meiner Mitmenschen habe, und deshalb davor zurückschreckte. Sie sind zwar nicht meine Gefährten. Die unauslöschliche Kraft des Lebens in meinem Körper, und ihre begrenzte Existenz, entfernen uns so weit voneinander wie die Erdenpole. Aber ich könnte meine Hand selbst nicht gegen die gemeinsten oder mächtigsten unter ihnen erheben.

Solcherart habe ich viele, viele Jahre gelebte – allein und meiner selbst müde – den Tod herbei sehnend, aber doch nie sterbend – ein sterblicher Unsterblicher. Weder Ehrgeiz noch Geiz kann meinen Verstand berühren, und die brennende Liebe, die mir am Herzen nagt, die niemals erwidert werden kann – niemals eine Ebenbürtige finden wird, für die sie sich aufopfern könnte – diese Liebe existiert nur, um mich zu quälen.

Dieser Tag habe ich ein Konzept entwickelt, mit dem ich alles beenden kann – ohne ein Blutbad anzurichten, ohne dass ein anderer Mann zum Kain werden müsste – eine Expedition, welche die sterbliche Hülle nicht überleben kann, trotz all der Jugend und Kraft, die in mir wohnt. So werde ich meine Unsterblichkeit auf die Probe stellen, um ewig zu ruhen – oder als Wunder- und Wohltäter der Menschheit zurückzukehren.

Bevor ich gehe, hat mich eine elende Eitelkeit dazu bewegt, diesen Seiten niederzuschreiben. Ich konnte nicht namenlos sterben, ohne die geringste Spur zu hinterlassen. Drei Jahrhunderte sind vergangen, seit ich den tödlichen Trank herunter schluckte; ein weiteres Jahr wird nicht vergehen, bevor ich gigantische Gefahren begegne – mit den Mächten der Kälte in ihrer Heimat kämpfe – von Hunger, Mühsal und Sturm heimgesucht werde – ich setze diesen Körper, der ein zu zäher Käfig ist für eine Seele, die nach Freiheit dürstet, den zerstörerischen Elemente von Luft und Wasser aus.

Falls ich überlebe, wird mein Name als einer der berühmtesten unter den Söhnen der Menschen verzeichnet werden. Und falls ich mein Ziel erreiche, indem ich mit entschlossenen Mitteln die Atome meines Körpers zerstreue und vernichte, werde ich das dort enthaltene Leben in die Freiheit entlassen – ein Leben, welches so grausam daran gehindert wurde, von dieser trüben Erde zu entschweben – hin zu einer Sphäre, die mehr seinem unsterblichen Wesen entspricht.


Der sterbliche Unsterbliche von Mary Shelley - 04 The Mortal Immortal by Mary Shelley - 04 Le mortel immortel de Mary Shelley - 04 The Mortal Immortal de Mary Shelley - 04

Ich nahm meine Mütze und ging zur Tür. Peguei no meu boné e fui até à porta. In diesem Moment schlang Bertha ihre Arme um meinen Nacken, und drückte ihre Lippen auf meine. Nesse momento, Bertha enrolou os seus braços à volta do meu pescoço e pressionou os seus lábios para os meus. »Nein, mein Mann, mein Winzy«, sagte sie, »Sie sollen nicht alleine gehen – nehmen Sie mich mit. "Não, meu marido, meu Winzy", disse ela, "não vais sozinho - leva-me contigo. Wir werden von hier fortgehen, und, wie Sie sagen, unter Fremden unverdächtig und sicher sein. Ich bin noch nicht zu alt, um Ihnen Schande zu bereiten, mein Winzy, und ja, ich wage es zu behaupten, dass der Zauberbann bald nachlassen wird. Ainda não estou demasiado velho para vos desgraçar, meu Winzy, e sim, atrevo-me a dizer que o feitiço em breve desaparecerá. Dann werden Sie mit dem Segen Gottes, älter aussehen, so, wie es sich geziemt. Então, com a bênção de Deus, parecerá mais velho, como deveria. Sie sollen mich nicht verlassen.«

Ich erwiderte herzlich die Umarmung der guten Seele. Devolvi calorosamente o abraço da boa alma. »Das werde ich nicht, meine liebe Bertha – um Ihretwillen hatte ich dies gar nicht in Erwägung gezogen. "Não o farei, minha querida Bertha - para teu bem nem sequer tinha considerado isto. Ich werde Ihnen ein wahrer, treuer Ehegatte sein, während Sie bei mir bleiben – ich werde meine Pflicht Ihnen gegenüber bis zum Letzten erfüllen.« Ser-vos-ei um verdadeiro e fiel cônjuge enquanto permanecerdes comigo - cumprirei o meu dever para convosco até ao fim".

Am nächsten Tag bereiteten wir heimlich unsere Auswanderung vor. Wir waren gezwungen, große finanzielle Opfer zu bringen – dem war nicht abzuhelfen. Fomos forçados a fazer grandes sacrifícios financeiros - isto não pôde ser remediado. Wir konnten eine ausreichende Summe realisieren, um uns zumindest solange zu erhalten wie Bertha lebte. Conseguimos realizar uma soma suficiente para nos sustentar pelo menos enquanto Bertha viveu. Ohne irgendjemanden adieu zu sagen, verließen wir unserer Heimat, um Zuflucht in einem entlegenen Teil des westlichen Frankreichs zu nehmen.

Es war eine grausame Sache, die arme Bertha aus ihrem Heimatdorf zu entfernen – fort von ihren Jugendfreunden, in ein neues Land, mit neuer Sprache, neuen Sitten. Foi uma coisa cruel remover a pobre Bertha da sua aldeia natal - longe dos seus amigos de infância, para um novo país, com uma nova língua, novos costumes. Das seltsame Geheimnis meines Schicksals machte für mich dieses Entfernen unerheblich; aber ich bemitleidete Bertha zutiefst, und war froh, zu entdecken, dass sie einen Ausgleich für ihr Missgeschick in einer Vielzahl von kleinen lächerlichen Umständen fand.

Fern von allen märchenerzählenden Chronisten, strebte sie, die scheinbare Ungleichheit unseres Alters durch tausenderlei weiblichen Künste zu verringern – mit Rouge, jugendfrischen Kleidern, und einem jugendlichen Benehmen. Ich konnte ihr nicht böse sein. Hatte ich nicht auch eine Maske zu tragen? Warum mit ihr streiten, wenn es wenig erfolgversprechend schien? Ich trauerte tief, wenn ich mich daran erinnerte, dass dies doch meine Bertha sei, welche ich so tief geliebt und mit einer solchen Flucht gewonnen hatte – das dunkel-äugige, dunkelhaarige Mädchen, mit jenem Lächeln voll bezaubernder Wehmut und dem Schritt eines Rehs – war nun dieser Fleischwolf einer einfachen, eifersüchtigen alten Frau. – Ich sollte ihre grauen Locken und welken Wangen einst verehrt haben?! Es sei wie es sei – dies war meine Aufgabe, das wusste ich; aber konnte nicht umhin, jene Form der menschlichen Schwäche nicht wenig zu bedauern.

Ihre Eifersucht schlief niemals. Ihre Hauptbeschäftigung bestand darin, aufzudecken, dass ich, trotz der äußeren Erscheinung, innerlich altern würde. Ich glaube wahrhaftig, dass die arme Seele mich tief in ihrem Herzen wirklich liebte, aber niemals hatte eine Frau eine so quälende Art, ihre Verbundenheit zu zeigen. Sie meinte Falten in meinem Gesicht und Altersschwäche in meinem Gang zu erkennen, während ich mit jugendfrischem Elan und dem Aussehen eines höchstens 20jährigen umhersprang. Auch hatte ich nie gewagt, andere Frauen anzusprechen.

Aber bei einer Gelegenheit, als sie sich eingebildet hatte, dass die Schönheit des Dorfes mich mit ihren Augen wohlwollend musterte, brachte sie mir eine graue Perücke. Ihr ständiger Streitpunkt mit ihren Bekannten war, dass, obwohl ich so jung aussähe, es tatsächlich Verfall in meinem Körper gäbe; und sie bestätigte, dass das schlimmste Symptom davon bei mir meine scheinbare Gesundheit wäre. Meine Jugend wäre eine Krankheit, sagte sie, und ich sollte mich zu jeder Zeit auf einen plötzlichen und schrecklichen Tod vorbereiten, um vielleicht eines Morgens weißköpfig und gebeugt mit allen Zeichen des fortgeschrittenen Alters zu erwachen.

Ich ließ sie reden – stimmte gar oft ihren Mutmaßungen zu. Denn ihre Warnungen über meinen Zustand entsprachen ja meinen eigenen unaufhörlichen Spekulationen, und ich nahm ein ernsthaftes, wenn auch schmerzhaftes Interesse daran zuzuhören, was all ihre Schlagfertigkeit und aufgeregte Phantasie zu diesem Thema zu sagen hatte.

Warum bei dieser kurzen Zeitspanne verweilen? Wir lebten noch viele Jahre. Bertha wurde irgendwann bettlägerig und lahm; ich pflegte sie wie eine Mutter ihr Kind. Sie wurde reizbar, und spielte immer noch auf derselben Harfensaite – wie lange ich sie wohl überleben würde. Es war stets eine Quelle des Trostes für mich, dass ich meine Pflicht ihr gegenüber gewissenhaft erfüllte. Sie war mein in ihrer Jugend, und so war sie auch mein im Alter. Und zuletzt, als ich die Erde über ihrem Leichnam aufhäufte, weinte ich bei dem Gefühl, dass alles, was mich mit der Menschheit verband, nun verloren war.

Seit damals waren meine Sorgen und Nöte – oh so zahlreich – wie selten und leer meine Freuden! Hier mache ich eine Pause in meiner Geschichte – ich werde sie nicht weiter verfolgen. Ein Matrose ohne Ruder oder Kompass, verloren in einem stürmischen Meer – ein Reisender auf einer weiten Ebene, ohne Bezugspunkt oder Wegstein, ihn zu leiten – so war ich; doch viel verlorener und hoffnungsloser als jene beiden. Ein näherndes Schiff, der Schimmer einer weit entfernten Hütte könnte diese beiden retten; aber ich habe keine Leuchtfeuer der Hoffnung, mit Ausnahme des Todes.

Tod! Geheimnisvoller, krankgesichtiger Freund der schwachen Menschheit! Warum hast du mich allein von allen Sterblichen dazu auserkoren aus deinen schützenden Falten herauszufallen? Oh, welch Frieden des Grabes! – welch tiefe Stille der eisenbeschlagenen Gruft! Dort würden solche Gedanken aufhören, in meinem Gehirn zu rumoren, und mein Herz schlüge nicht mehr in den mannigfaltig wechselnden Formen der Trauer!

Bin ich unsterblich? Ich kehre zu meiner ersten Frage zurück. Zunächst einmal, wie wahrscheinlich ist es, dass das Gebräu des Alchimisten eher mit Langlebigkeit als mit ewigem Leben beladen war? Solcher Art ist meine Hoffnung. Und dann erinnere man sich, dass ich nur die Hälfte der von ihm vorbereiteten Dosis trank. Wäre nicht das Ganze notwendig gewesen, um den Zauber zu vervollständigen? Nur die Hälfte des Unsterblichkeitselixiers geleert zu haben, bedeutet aber auch nur halb-unsterblich zu sein – meine Ewigkeit wäre damit abgeschnitten und nichtig.

Wiederum, welches ist die Anzahl der Jahre, die die Hälfte der Ewigkeit darstellen? Ich versuche oft, mir vorzustellen, nach welchen Regeln die Unendlichkeit unterteilbar ist. Manchmal stellte ich mir vor, wie mich das Alter einholt. Hah, ich habe ein graues Haar gefunden. Dummkopf! Beklage ich mich etwa? Ja, denn die Angst vor dem Alter und den Tod schleicht sich oft kalt in mein Herz; und je länger ich lebe, desto mehr fürchte ich den Tod, auch wenn ich das Leben verabscheue. Was für ein Rätsel ist doch der Mensch – geboren, um zu vergehen – sobald er Krieg gegen die etablierten Gesetze seiner Natur führt – wie ich.

Ich werde sicherlich irgendwann an dieser Gefühlsanomalie sterben. Denn die Medizin des Alchimisten schützt nicht vor Feuer, dem Schwert oder dem Ertrinken in Gewässern. So habe ich auf die blauen Tiefen vieler ruhiger Seen geblickt, und auf das stürmische Rauschen vieler mächtiger Flüsse, und mir dabei eingeredet, dass Friede in diesen Gewässern wohnt; doch wendete ich mich immer wieder ab, um noch einen weiteren Tag zu verleben.

Ich fragte mich, ob Selbstmord für denjenigen ein Verbrechen wäre, welchem nur auf diese Weise die Portale der anderen Welt geöffnet werden können. Ja, ich unternahm beinahe alles, außer mich selbst als Soldat oder Duellant zu präsentieren, da ich einen Vorbehalt gegen die Zerstörung meiner – nein, __nicht__ meiner Mitmenschen habe, und deshalb davor zurückschreckte. Sie sind zwar nicht meine Gefährten. Die unauslöschliche Kraft des Lebens in meinem Körper, und ihre begrenzte Existenz, entfernen uns so weit voneinander wie die Erdenpole. Aber ich könnte meine Hand selbst nicht gegen die gemeinsten oder mächtigsten unter ihnen erheben.

Solcherart habe ich viele, viele Jahre gelebte – allein und meiner selbst müde – den Tod herbei sehnend, aber doch nie sterbend – ein sterblicher Unsterblicher. Weder Ehrgeiz noch Geiz kann meinen Verstand berühren, und die brennende Liebe, die mir am Herzen nagt, die niemals erwidert werden kann – niemals eine Ebenbürtige finden wird, für die sie sich aufopfern könnte – diese Liebe existiert nur, um mich zu quälen.

Dieser Tag habe ich ein Konzept entwickelt, mit dem ich alles beenden kann – ohne ein Blutbad anzurichten, ohne dass ein anderer Mann zum Kain werden müsste – eine Expedition, welche die sterbliche Hülle nicht überleben kann, trotz all der Jugend und Kraft, die in mir wohnt. So werde ich meine Unsterblichkeit auf die Probe stellen, um ewig zu ruhen – oder als Wunder- und Wohltäter der Menschheit zurückzukehren.

Bevor ich gehe, hat mich eine elende Eitelkeit dazu bewegt, diesen Seiten niederzuschreiben. Ich konnte nicht namenlos sterben, ohne die geringste Spur zu hinterlassen. Drei Jahrhunderte sind vergangen, seit ich den tödlichen Trank herunter schluckte; ein weiteres Jahr wird nicht vergehen, bevor ich gigantische Gefahren begegne – mit den Mächten der Kälte in ihrer Heimat kämpfe – von Hunger, Mühsal und Sturm heimgesucht werde – ich setze diesen Körper, der ein zu zäher Käfig ist für eine Seele, die nach Freiheit dürstet, den zerstörerischen Elemente von Luft und Wasser aus.

Falls ich überlebe, wird mein Name als einer der berühmtesten unter den Söhnen der Menschen verzeichnet werden. Und falls ich mein Ziel erreiche, indem ich mit entschlossenen Mitteln die Atome meines Körpers zerstreue und vernichte, werde ich das dort enthaltene Leben in die Freiheit entlassen – ein Leben, welches so grausam daran gehindert wurde, von dieser trüben Erde zu entschweben – hin zu einer Sphäre, die mehr seinem unsterblichen Wesen entspricht.