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TED Deutsch, Der digitale Mensch. | Daniel Backhaus | TEDxStuttgart

Der digitale Mensch. | Daniel Backhaus | TEDxStuttgart

Transkribierer: Cristina Bufi-Pöcksteiner Lektorat: Angelika Lueckert Leon

(Musik)

Noch nie hatte der Mensch Zugriff

auf eine so gigantische Menge an Informationen, ort- und zeitunabhängig.

Hinzu kommt:

Der Mensch hatte noch nie eine so große Auswahl an Kommunikationsmöglichkeiten.

Wir alle wissen:

Je mehr Möglichkeiten, desto schwieriger die Auswahl,

denn bei jeder Wahl hätte die andere die bessere sein können.

Diese Komplexität nenne ich "digitale Transformation".

In Zeiten steigender Komplexität suchen wir alle nach Orientierung.

Diese Orientierung versuche ich euch heute in den nächsten 10–11 Minuten zu geben.

Mein Aufruf dazu lautet: "Rettet die Kommunikation!"

Aha? Rettet die Kommunikation?

Muss die Kommunikation überhaupt gerettet werden?

Ja, das muss sie; und warum das so ist, erkläre ich euch jetzt.

Ich kann mich erinnern in den 90ern,

wie ich das erste Mal ins Internet ging und meine ersten E-Mails versendet habe.

Das klang ungefähr so:

(Geräusche eines Modems)

Zu beobachten, wie das vor Dioden strotzende Modem

vor Anstrengung schreiend mich ins Internet brachte,

zeigte mir eindrücklich, dass ich mich am Beginn einer Revolution befunden habe.

(Lachen)

Direkt danach kam E-Mail.

Ich muss ja sagen, bis heute hat die Magie der E-Mail für mich nie aufgehört.

Man musste eine Software öffnen, man hat in den E-Mail-Body reingeschrieben,

welche Botschaft man verbreiten wollte,

man hat in das An-Feld reingeschrieben, an wen man senden wollte,

E-Mail-Adressen waren damals sehr rar und sehr sehr kostbar.

Und man konnte etwas anhängen.

Mit Absenden konnte der Empfänger weltweit, egal wo er saß,

konnte er das Sekunden später öffnen.

Also für mich ist das bis heute faszinierend,

und viele vergessen heutzutage die Faszination.

Jetzt die große Frage: Damals hat uns Nutzern niemand beigebracht,

wie wir die E-Mail nutzen können.

Und das ist ungefähr so, wie wenn man ein Auto kauft,

losfährt, an der Wand endet, und später fragt, wie man bremsen kann.

Die Problematik ist tatsächlich, insbesondere im digitalen Umfeld,

im Business-Kontext zu sehen.

Die wenigsten wissen im Business-Kontext, wie die Kunst, eine E-Mail zu schreiben,

tatsächlich aussieht,

und die geht folgendermaßen: Ins An-Feld kommen die,

von denen man ein konkretes Feedback oder ein korrektes Doing erwartet.

Ins CC-Feld kommen die, die man informieren möchte,

aber die sich nicht zwangsläufig informieren müssen.

Das BCC-Feld sollte man am besten ganz auslassen.

Den Betreff, jetzt kommt die hohe Kunst, tatsächlich,

den Betreff sollte man so formulieren, dass allein durch Lesen des Betreffs

der Inhalt der E-Mail klar wird und der Leser auf Grundlage dessen

entscheiden kann, ob er die E-Mail archiviert oder ob er sie priorisiert.

Ja, hohe Kunst der E-Mail.

Heute gibt es Ratgeber, die lauten -- tatsächlich vom Duden:

"E-Mails richtig und korrekt schreiben."

Die große Frage ist: "Wird uns das tatsächlich retten?"

Die große Frage ist:

"Können wir die Unkultur im Umgang mit der E-Mail tatsächlich wieder zurückdrehen?"

Meine eindeutige Antwort lautet:

"Ich hab keine Ahnung, ich weiß es einfach nicht,

aber wir haben eine historische Chance."

Und die historische Chance sieht wie folgt aus.

Vor drei Jahren habe ich meiner damals neunjährigen Tochter

ihre erste E-Mail eingerichtet, die sie bis heute konsequent nicht nutzt.

Das macht sie nicht aus Böswilligkeit, sondern das macht sie deswegen,

weil sie einen besseren Kanal für sich entdeckt hat; und dieser klingt so:

(Sound)

Das ist der Sound von WhatsApp.

WhatsApp ist mittlerweile wie das Tempo-Taschentuch

zum Synonym für die neue Art miteinander zu kommunizieren geworden,

die sich Instant-Messaging nennt.

Jetzt ist die große Frage: Warum hat sich meine Tochter

für Instant-Messaging und nicht für E-Mail entschieden?

Was kann Instant-Messaging, WhatsApp, besser als E-Mail?

Ganz einfach: WhatsApp ist in Mobilität wesentlich einfacher zu bedienen.

Und die meisten Menschen kommunizieren heute vom Smartphone

und nicht mehr vom Rechner.

Zum Zweiten kann man bei WhatsApp, also mit Instant-Messaging,

auf Emoticons zurückgreifen.

Wenn man die Kunst beherrscht, Emoticons einzusetzen,

kann man komplette Textpassagen einfach weglassen.

Eine sehr elegante Art, Emotionen auszudrücken.

Wenn man's kann, aber das kann nicht alles gewesen sein.

Also hab ich mich gefragt:

"Was hat Lilly dazu bewegt, sich für WhatsApp zu entscheiden."

Und jetzt kommt es:

Weil man dort nicht mehr eintippt und schreibt,

sondern weil man dort Audiofiles versendet.

Man versendet Sprache und keine schriftlichen Worte mehr.

So, warum ist das für mich, für meine Tochter und für euch

in meinen Augen eine echte kommunikative Revolution?

Dazu noch eine Geschichte.

Meine Tochter hatte Streit mit ihrer besten Freundin Maria.

Bemerkenswert aber ist: Die beiden waren nicht in einem Raum.

Jeder war bei sich zu Hause und sie haben den Disput

über den Austausch von WhatsApp-Audiofiles ausgetragen.

(Lachen)

Nicht erfunden, tatsächlich so passiert.

Als Vater hab ich gedacht: "Mein Gott, das ist ja furchtbar!"

Also, als digitaler Methusalem: "Mein Gott, das ist ja furchtbar!

Jetzt werden Dispute schon digital und nicht mehr analog ausgetragen."

Aber umso länger ich darüber nachgedacht habe,

umso mehr sind mir die Vorteile eines solchen Disputs aufgefallen.

Und die sind unter anderem:

Dadurch, dass man sich nicht gegenübersteht,

hat man Zeit, sich eine angemessene Antwort zu überlegen.

Dadurch, dass man sich nicht gegenübersteht,

wird die Dynamik eines Streits entschleunigt.

Aber der wichtigste Punkt ist:

Dadurch das man Sprache überträgt, ist Emotion mitzuhören,

die man mithilfe von Emoticons und Worten nicht ausdrücken kann.

Das heißt in meiner Definition, was ich bei meiner Tochter

und ihrer besten Freundin, die übrigens immer noch ihre beste Freundin ist,

sehen konnte, ist dass das eine Art zu kommunizieren ist,

die in meinen Augen Kommunikation retten kann,

Kommunikation ein Stück besser machen kann,

und die Kommunikation -- wirklich uns allen -- ein Beispiel geben sollte.

Mein Fazit dazu lautet:

(Sound eines Herzschlages)

Digitalisierung ist längst zum Herzschlag unser aller Leben geworden.

Und sowie Technologie an sich nicht gut oder böse ist,

Kommunikation an sich nicht gut oder schlecht,

ist ein Smartphone immer nur so smart wie sein User.

Wo ist aber der Unterschied?

Ganz einfach: Training, Training, Training,

damit unser digitaler Kreislauf stabil und belastbar ist.

Vielen Dank.

(Beifall)

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