Leben im Multiversum – irre Idee? | Harald Lesch (1)
[Lesch] Sind wir allein im Multiversum? Auf den ersten Blick eine irre Frage,
aber in der Tat beschäftigt sich die Physik damit, denn ein Multiversum würde zwei
fundamentale Probleme der Kosmologie lösen. [lacht] Der Wahnsinn.
[Intro]
[Lesch] Man kann sich das ja fragen. Man kann sich fragen, warum wir bis jetzt nur
865.000 Abonnenten haben. Warum nicht 1 Mio.?
Ihr könnt dafür sorgen, dass die Grenze erreicht wird. Oder man könnte sich fragen:
Wenn das Universum tatsächlich expandiert, was ist dann außen herum? Und wenn es da
etwas gibt, hat es dann Auswirkungen auf unser Universum? Und wenn, welche Vorteile
hätte es denn, wenn es da was gäbe?
Ließe sich damit ein Problem lösen, welches wir innerhalb des Universums nicht lösen können?
In der Tat hat die moderne Physik eine Reihe von Problemen.
Da ist der Gedanke an ein Universum
um unser Universum herum gar nicht so schlecht.
Je mehr wir über die Natur und die Naturgesetze wissen,
umso interessanter wird die Frage,
ob die nicht auch ein bisschen anders sein könnten, ohne unsere Existenz zu gefährden. Die Antwort
ist ein klares "Nein". Es beginnt bei den Naturkonstanten,
bei der elektrischen Ladung, dem Plankschen Wirkungsquantum, der kleinsten Wirkung überhaupt,
bei der Lichtgeschwindigkeit, der größten Wirkungs-Transport-Geschwindigkeit,
bei der Stärke der Kräfte, z.B. der elektro- magnetischen, die Kraft zwischen zwei Ladungen,
der Kraft im Atomkern, die ihn zusammenhält, aber auch teilweise wieder zerfallen lässt,
sogar bei der Gravitation.
Also, wenn das alles nur ein bisschen anders wäre in der Stärke, nur ein kleines bisschen,
würde es uns nicht geben. Das geht sogar so weit,
dass man an das gesamte Universum die Frage stellen kann, wie muss denn dein Anfangszustand
gewesen sein, damit du nach 13,82 Mrd. Jahren
heute immer noch existierst? Also nicht in dich zusammengefallen bist,
also Anfang und dann wieder Zusammenfall,
oder Anfang und dann auseinandergerissen, sondern du bist die ganze Zeit immer noch dabei,
anständig zu expandieren. Ohne, dass alles zerreißt.
Ich leg noch einen drauf: Die Anzahl der Raumdimensionen im Kosmos.
Man kann sich tatsächlich fragen, ob ein Kosmos nicht mehr Raumdimensionen haben könnte, als drei.
Ne. Ne.
Alle, die den Kanal abonniert haben, kennen das Newton'sche Gravitationsgesetz.
Die anderen vielleicht noch nicht, deswegen abonnier den Kanal, damit wir endlich
auf die Million kommen. Also, das Newton'sche Kraftgesetz: eins durch r². Also die Kraft
zwischen zwei Massen ist umgekehrt proportional zum Quadrat des Abstandes. Erinnert ihr euch?
Genau so ist die Kraft auch zwischen zwei Ladungen. Diese Kräfte sind umgekehrt proportional zum
Quadrat des Abstandes, der Ladung und Masse usw. Und das Quadrat ist die Anzahl der Raumdimensionen
minus eins. Und wie kommt man auf zwei?
N=3. Dafür kommt dieses eins durch r².
Und das Tolle ist, dass dieses Kraftgesetz
das einzige Kraftgesetz ist, das stabile Planetenbahnen und stabile Atome erlaubt.
Für alle außerhalb N=3 gibt es keine stabilen Planetenbahnen und
keine stabilen Atome. Also ich, wir alle,
alles in diesem Universum, ist das Resultat einer kosmischen Entwicklung, die genau
so und nur so ablaufen konnte, damit es uns geben kann. Alles andere wäre in die Hose gegangen.
Diese feine Abstimmung in unserem Universum ließe sich lösen, wenn man annimmt,
dass unser Universum, eingebettet in einem Multiversum, praktisch nur eines
von vielen oder gar unendlich vielen ist.
Dann sind die Eigenschaften eines Universums sozusagen geschenkt. Wenn es unendlich viele
davon gibt, dann gibt es auch eines, das eben die richtigen Kombinationen von Kräften und
Naturgesetzen hat, dass dabei Lebewesen entstehen können, dass die richtigen Elemente entstehen
können, die Sterne lange genug leben usw. Damit wäre das sozusagen statistisch erledigt.
Man macht es einfach groß genug, produziert genügend viele Universen und dann kommen auch
welche mit den entsprechenden Eigenschaften dabei raus. Klingt ein bisschen crazy, hat aber
etwas mit der Frage zu tun, wie Universen überhaupt entstehen.
Und damit sind wir sozusagen zuhause angekommen. Wie ist denn das mit unserem eigenen Urknall?
Wenn wir mal annehmen es gäbe so ein Universum, ein Multiversum mit sehr vielen Universen drin, 61 00:05:00,000 --> 00:05:04,000 wie ist es denn bei unserem Universum? Gäbe es da Hinweise darauf,
dass unsere Universum nur ein Teil eines riesigen Multiversums sein könnte?
Eine Sache muss man aber nochmal sagen: Ich habe keine Ahnung, wo ihr das jetzt
reinschneiden werdet, aber da ja so oft von Unendlichkeit gesprochen wird...
Ich habe ja gerade ein hohes Lied auf die Mathematik gesungen und da gibt es
einen Beweis, der ist sehr schwierig zu erklären,
aber seine Konsequenzen sind von extrem hoher Bedeutung und zwar genau für dieses Problem
des Multiversums. Es geht um die Frage, ob unser Universum oder sogar ein Multiversum
unendlich ist oder nicht. Gibt es "unendlich" überhaupt in der Natur?
Und in der Mathematik kann man sich die Frage stellen: Wenn ich ein endliches Volumen habe,
eines, das klar begrenzt ist, kann sich dieses durch irgendeine
mathematische Transformation in ein unendliches verwandeln?
Die Aussage ist: Nein. Non. No.
Keine Chance. Das bedeutet, dass wenn wir
über Unendlichkeiten sprechen, diese schon immer unendlich waren.
Was die Frage nach dem Anfang außerordentlich schwierig macht.
Worauf ich hinaus will: Ne, komm, vergiss es wieder!
Schmeiß es weg, war nicht so wichtig. In Wirklichkeit geht es bei den ganzen Multiversen
genau darum, dass wir eine Annahme darüber machen, ob der Anfang schon unendlich war - dann ist er
immer unendlich, und unendlich ist halt unendlich unendlich - oder, ob wir einen endlichen Anfang
haben und wenn dieser dann unendlich war, dann war's das.
Entschuldigung, ich habe mich verdaddelt. Reden wir über den Urknall.
Davon verstehen wir was.
Also der Urknall in unserem Universum ist ja nun wirklich gut verstanden.
Gut, jetzt nicht der Urknall selbst, aber bis ganz nah dran.
1929 hat Edwin Hubble festgestellt, dass das Licht sehr weit entfernter
Galaxien sehr weit ins Rote, also zu
den großen Wellenlängen, verschoben ist. Er hat es dann gegeneinander aufgetragen
und festgestellt: Je weiter entfernt, umso größer die Rotverschiebung, also die Verschiebung
zu den großen Wellenlängen. Jetzt kann man den guten alten Dopplereffekt
wenigstens mal als Erster erklären. Wenn sich nämlich eine Quelle, also in unserem
Leben vielleicht eine Schallquelle, von uns entfernt, dann wird der Ton tiefer.
Das heißt, man könnte diese Rotverschiebung von Galaxien so interpretieren, dass
sie sich von uns wegbewegen. Man kann sogar die Geschwindigkeit ausrechnen,
mit der sie sich von uns wegbewegen. Und da sie das in allen Richtungen gleichmäßig tun,
könnte man auf den Gedanken kommen, dass sich Galaxien also von uns wegbewegen.
Also, dass wir das Zentrum des Universums wären.
Da gab es allerdings schon in den 20er Jahren einen katholischen Priester,
Georges Lemaître, der sich schon überlegt hatte, dass das Universum möglicherweise in einem
Uratom sehr klein angefangen hat und, dass sich dann praktisch alles voneinander wegbewegte.
Somit wäre völlig klar: Die Rotverschiebung, die Hubble gemessen hat, ist ein Ausdruck
dafür, dass das Universum expandiert. Schön.
Daher auch die Frage, wohinein es expandiert.
Aber jetzt machen wir mal die umgekehrte Denkrich- tung. Wir lassen das Universum jetzt schrumpfen.
Denn wenn es expandiert, war es gestern kleiner. Wir gehen also zurück an den Anfang
und diesen Anfang nennt man nach einer Theorie von 1948
den Urknall oder auf Englisch "The Big Bang".
Wobei, rein gedanklich würde man ja sagen, dass es eine Zeit gegeben haben muss,
in der es kein Universum gegeben hat. Also T=0.
Und mit den nullen und mit den Unendlichkeiten haben wir es in der Physik nicht so.
Damit können wir gar nichts anfangen. Wenn etwas null oder unendlich wird,
zerreißt gewissermaßen die Welt. Vor allem "unendlich". Unendlich viel Energie würde
bedeuten, das Universum zerreißt. Also im Universum darf nichts so klein werden,
dass es null ist, und es darf nichts unendlich werden, sonst würde das Universum zerreißen.
Es muss also Grenzen geben, und die kann man auch ausrechnen mit den nachfolgenden Theorien aus
der Quantenmechanik. Bzw. aus der Kombination aus der Quantenmechanik und der Relativitätstheorie,
ist es möglich geworden, den Anfang unseres Universums festzulegen.
Also die kleinsten kausal sinnvollen Maßeinheiten im Universum auszurechnen.
Die kleinste kausal sinnvolle Zeitskala -
ja kann man - die kleinste kausal sinnvolle Länge,
wo man gerade noch unterscheiden könnte zwischen Ursache und Wirkung,
die kleinste kausale Masse, die höchste kausal sinnvolle
Temperatur usw. Das lässt sich alles ausrechnen.
Das wäre dann tatsächlich der Anfang. Aber die kleinste kausal sinnvolle Zeitskala ist nicht
null Sekunden, sondern fünf mal zehn hoch minus 54 Sekunden. Eben nicht null.
das heißt der Urknall der PhysikerInnen ist nicht bei T=0.
Das Universum ist nach allem, was wir wissen, homogen und isotrop und es ist flach.
Kann man das mit einem Urknall erklären?
Dieser Urknall müsste dann also in jeder Hinsicht total perfekt gewesen sein.
Keine Fluktuation vor allen Dingen. Obwohl ich gerade gesagt habe: Naja,
quantenmechanische Eigenschaften bestimmen den Anfang des Universums. Dann sind Fluktuationen
eigentlich das Normalste der Welt, denn in der Quantenmechanik fluktuiert alles.
Was ist die Lösung? Die Lösung ist eine Überexpansion.
In der Literatur Inflation genannt. Eine inflationäre Ausbreitung des Universums.
Durch einen gewaltigen Akt ist der wirkliche Urknall dann passiert.
Dass nämlich das Universum nach einem anfänglich gemütlichen, sagen wir, Roll-down, auf einmal
schlagartig so viel Energie freisetzt, dass es sich um 50, 60, 70 Größenordnungen vergrößert.
Und damit ist es überall gleich.
So hat es überall die gleichen Eigenschaften. Überall. Und es ist so groß,
dass es, ganz egal, wie man es dreht und wendet, immer ein flaches Universum ist.
Weil es so übergroß ist. Das heißt, man muss
an den Anfang des Universums eine andere Phase setzen,
dass es praktisch ein Davor gegeben hat, in dem die Dinge so vor sich hin gequickelt haben, und
"Baff" schlagartig ist es freigesetzt worden. Was könnte denn der Grund dafür sein, dass
das Universum so etwas durchlebt hat?
Das wird in der Physik gerne mit dem Beispiel des unterkühlten Wassers beschrieben.
Das ist eine Metapher. Also nicht das unterkühlte Wasser, aber das Bild was ich jetzt bringe.
Eine Metapher, also ein Vergleich, wo es darum geh, dass ein physikalisches System im falschen
Zustand ist. Also wir haben ein Glas Wasser
und jetzt kühlen wir das Glas ab. Bei null Grad Celsius sollten sich
an der Wasseroberfläche allmählich Eiskristalle bilden.
Wenn wir das nun schön langsam abkühlen, sollte das Eis systematisch von oben nach
unten da reinwachsen. Wenn wir es aber ganz, ganz,
ganz, ganz langsam abkühlen, also soooooo
langsam, dass die Wassermoleküle praktisch gar nicht mitkriegen, dass sie
allmählich die Bewegungsenergie verlieren,
dann bleibt das Wasser flüssig,
obwohl es eigentlich frieren sollte.
Wenn aber dann bei dieser extrem langsamen Abkühlung, also wenn es wirklich ganz langsam
abgekühlt ist, auch nur die kleinste Störung kommt,
irgendein [schnalzt mit der Zunge] oder [haucht],
dann friert das Wasser schlagartig durch, dabei
wird unglaublich viel Energie freigesetzt, das Glas springt natürlich, dann ist das
ein sogenannter Phasenübergang. Und so etwas kann praktisch jedes Universum durchlaufen.
Am Anfang. Jetzt nicht von Wasser, das gab es natürlich noch nicht,
aber von den Feldern, die das Universum geschaffen haben.
Und wo war dann die Inflation? Naja, in irgendeiner Ecke im Multiversum.
Also quasi der Westentasche des Multiversums. Da, wo es geklappt hat. Da.
Praktisch in einer Nische. In einer kosmologischen Nische
des Multiversums. Da fand eben die Inflation damals statt und daraus ist dann unser
Universum geworden. Das kann man praktisch so beobachten. Guck mal, da ist wieder...
Da hinten... Da! Ein Universum! Ach Gott, ne, das wird nichts, ne. Aber da! Da vielleicht.
Oh, das könnte klappen. Das... Ne, leider auch nicht.
So könnte man sich praktisch verschiedene Szenarien im gesamten Multiversum vorstellen,
eine riesengroße Landschaft, da sind welche, da und da. Oh hier, das sieht nicht schlecht aus.
Na, da müssen wir noch ein bisschen warten. Also mit den richtigen Eigenschaften am Anfang
könnte die Inflation in unserem Universum vielleicht eben nur eine von vielen gewesen sein.
Und das wäre dann alles im Multiversum passiert. Und dann könnte man,
Gedankenspielerei hin oder her, sagen: "Naja, wenn es andere Universen gibt, dann könnte es
ja auch kleinere oder größere geben, wo die Inflation schneller oder langsamer gewesen ist."
Schön. Dann wären wir also schon auf dem Spielplatz der Multiversen.