Venus Terraforming I - Eine Welt in den Wolken (2018)
Wenn wir an Kolonien im Weltraum oder gar an Terraforming denken, dann wir immer an
den Mars als aussichtsreichsten Kandidaten. Aktuell ist das auch durchaus plausibel und
diverse Missionen in Richtung roter Planet sind in Planung. Doch wenn es um Terraforming
geht, dann ist die Venus ein besseres Ziel. Warum das so ist, und wie man die Venus zur
Schwester der Erde machen kann, zeigen wir euch heute. Ich bin Ronny. Willkommen bei
Raumzeit!
Noch in den 50 Jahren glaubte man es könne
Lebewesen auf der Venus geben, die uns ja so nah war und ganz offensichtlich eine dichte
Atmosphäre besaß. Venusianer, häufig Frauen, welche unter der Wolkendecke ihres Planeten
durch satte grüne Wälder streiften, waren ein beliebtes Motiv der Science-Fiction. Doch
dann schickte die Sowjetunion eine Reihe von Sonden im Venera Programm zur Venus und spätestens
als Venera 7 weich landete aber trotzdem nach wenigen Minuten den Betrieb einstellte, wusste
man, dass die Bedingungen auf der Venus lebensfeindlich waren. Und das ist untertrieben.
Venus ist heiß, extrem heiß. 467 Grad Celsius wurden von der russischen Venera Sonde gemessen.
Diese unvorstellbare Temperatur, die im Sonnensystem auf keinem anderen Planeten existiert, schmilzt
Metalle wie Blei und Zink und nahezu alle organischen Materialien. Richtig, in der Atmosphäre
der Venus würden wir nicht verbrennen, wir würden schmelzen. Dazu kommt der atmosphärische
Druck – die Atmosphäre der Venus besteht zu etwa 96% aus Kohlendioxid und weiteren
3,5% Stickstoff. Allein diese 3,5% Stickstoff haben mehr als viermal so viel Masse wie die
80% Stickstoff der Erdatmosphäre. Der Druck an der Oberfläche der Venus ist damit über
90 Mal so hoch wie der unsere. Vergleichbar ist das mit dem Duck fast 1 Kilometer tief
im Ozean. Ein Atom-U-Boot der Ohio-Klasse würde hier ganz einfach zerquetscht werden.
Zudem bestehen die Wolken, die uns den Blick auf die Oberfläche der Venus verwehren, quasi
vollständig aus Schwefelsäure. Venus ist – euphemistisch gesprochen – nicht gerade
einladend und wird häufig als Hölle beschrieben. Dazu kommt die absurde Länge der Tage – Venus
ist der Planet mit der langsamsten Rotation. Sie benötigt 243 Erdtage für eine Drehung
um ihre Achse. Damit ist ein Venustag länger als ein Jahr auf der Venus. Diese Tatsache
allerdings führt dazu, dass die Sonne zweimal am Tag auf der Venus aufgeht – effektiv
herrschen auf der Venus etwa 58 Erdtage Sonnenlicht gefolgt von 58 Erdtagen Nacht.
Spätestens jetzt fragt Ihr Euch sicher, was denn Venus eigentlich zu bieten hat. Ganz
weit oben auf der Liste: Venus hat eine Gravitation, die der unseren mit etwa 0,9g sehr ähnlich
ist – und wie wir schon mehrfach betont haben: Gravitation ist etwas, was extrem wichtig
aber nur schwer künstlich zu erzeugen ist. Venus bietet uns außerdem eine Fülle an
Rohstoffen – allen voran schier unerschöpfliche Vorräte an Stickstoff sowie an Kohlenstoff
und Sauerstoff in Form des atmosphärischen Kohlendioxids. Alle diese Elemente könnten
wichtige Exportartikel für ein Terraforming des Mars sein, dessen Kolonisten ganz besonders
am Stickstoff interessiert wären. Wie also machen wir Venus bewohnbar? Ich möchte
an dieser Stelle ganz deutlich machen, dass Terraforming der Venus zwar wissenschaftlich
absolut möglich ist aber die Menschheit noch nicht ansatzweise in der Lage ist, ein Projekt
dieser Größenordnung zu bewältigen. Es gibt dabei zwei grundsätzliche Herangehensweisen.
Zum einen können wir Städte, sogar ganze Kontinente als fliegende Plattformen in der
Atmosphäre der Venus errichten. Zum anderen eignet sich Venus für ein echtes Terraforming
– und es ist vielleicht der einzige Planet des Sonnensystems, der uns diese Möglichkeit
bietet. Wir wollen in dieser Episode die erste Möglichkeit
ausloten – die wir supraterrestrisches Terraforming nennen – oder auch den Columbia Ansatz frei
nach Bioshock Infinite. Wie errichten wir schwebende Habitate hoch in der Atmosphäre
der Venus? Das spannende an diesem Plan ist die Tatsache, dass die Bedingungen in knapp
55 km Höhe sehr viel freundlicher werden: Die Temperatur liegt hier bei sehr stabilen
25 bis 40 Grad Celsius und der atmosphärische Druck ist vergleichbar mit dem der Erde auf
Höhe des Meeresspiegels. Menschen könnten hier außerhalb ihrer Habitate unterwegs sein
mit nicht mehr als einer Sauerstoffmaske und einem Anzug aus Teflongewebe, um sie vor der
Säure zu schützen. Auch beim Auftrieb kommt uns die Atmosphäre der Venus zu Hilfe. Da
sie fast vollständig aus Kohlendioxid mit einer Molekülmasse von 44 besteht, würde
selbst eine Befüllung von Luftschiffen mit Atemluft, die eine durchschnittliche molekulare
Masse von 29 besitzt, für Auftrieb sorgen. Am effektivsten allerdings ist Wasserstoff,
der in seiner molekularen Form H2 eine Molekülmasse von lediglich 2 aufweist. Die Auftriebselemente
müssen dann lediglich noch mit einer Teflonhülle vor Schwefelsäure geschützt werden.
Auch die NASA erkannte die Möglichkeiten einer derartigen Herangehensweise und erarbeitete
bereits 2015 ein Konzept für eine wissenschaftliche Station in der Venusatmosphäre. Wir stellen
einen Link zum Download des spannenden Papers in die Videobeschreibung. Während NASA dort
noch von einem Luftschiff mit 2 Mann Besatzung ausgeht, welche 30 Tage auf der Venus verbleiben
sollen, lässt sich dieses Konzept nahezu beliebig erweitern – bis hin zu einer nahezu
vollständigen Einhüllung der Venus in schwebende Kontinente.
Der britische Wissenschaftler Paul Birch stellte dazu in den Neunzigern ein recht konkretes
Konzept vor. Eine Voraussetzung ist, dass wir über raumbasierte Konstruktionsanlagen
und Rohstoffgewinnung (etwa auf dem Mond oder durch Asteroidenbergbau) verfügen. Auch eine
Raumstation und einige O'Neillzylinder, zur Sicherstellung von Transport und Arbeitskraft
sind sinnvoll. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, können wir mit der Konstruktion
von hexagonalen Plattformen mit 1,2 km Kantenlänge beginnen. Um Gewicht zu sparen, bestehen diese
aus porösem Material, etwa Gasbeton. Damit auf diesen Plattformen 75cm an Erdreich bzw.
1 m Wasser angereichert werden können, benötigen sie zwischen 50 und 100 kg Wasserstoff für
den Auftrieb – dieser Wasserstoff befindet sich in Tanks unterhalb der tragenden Schicht.
Die resultierenden Plattformen werden miteinander verbunden zu großen Hexagonen, welche eine
Seitenlänge von etwa 100 km haben. Auf einer solchen Plattform mit 26000 km² können bereits
mehrere Millionen Menschen leben. Ihre Größe und Flexibilität macht sie unempfindlich
gegenüber den großen Windgeschwindigkeiten auf der Venus. Lediglich bei der Bebauung
muss eine bestimmte Verteilung eingehalten werden – insbesondere was Wasser angeht.
Um hier negative Effekte auf die Stabilität der einzelnen Plattformen auszuschließen,
ist es nötig, Seen auf maximal 7 Kilometer Durchmesser zu begrenzen und Flüsse analog
alle 7 Kilometer mit Wehren zu versehen. Da die Rotationsgeschwindigkeit der Venus
so klein ist, ist es ohne großen Aufwand möglich, die Plattformen bzw. das entstehende
Archipel auf einer gewünschten Position zu halten. Es wäre dann beispielsweise permanent
Tag in unserer Wolkenstadt und dauerhafte Energiegewinnung durch Photovoltaikelemente
möglich. Auch Bergbau auf dem Planeten selbst ist realistisch – Bergbauroboter werden
nach unten geschickt. Die Erträge schweben anschließend an mit Gaskartuschen füllbaren
Ballons nach oben. Selbstverständlich müssen die Plattformen
mit Kuppeln versehen werden um das irdische Stickstoff-Sauerstoff-Gemisch zu halten, welches
übrigens zusätzlich Auftrieb erzeugt. Letztlich bleibt dann nur das Problem der kosmischen
Strahlung, da die Venus nicht über ein eigenes Magnetfeld verfügt. Es gibt ein in der Ionosphäre
induziertes Magnetfeld, welches allerdings deutlich schwächer als das der Erde ist.
Es wird also notwendig sein, die Habitate zusätzlich vor kosmischer Strahlung zu schützen
– etwa durch Lagerung der Wasservorräte über den Kuppeldächern.
Bereits hier reden wir über ein Projekt, welches nach heutigen Maßstäben – wäre
es bereits umsetzbar – viele Billionen Euro kosten würde.
Natürlich wollen wir mehr – wir wollen eine Venusoberfläche mit frischer Luft, eine
Venus mit einem normalen Tagesrhythmus, Wälder, Ozeane und Wasserfälle. Daher lassen wir
in der nächsten Folge zum Terraforming der Venus unsere Plattformen landen. Ein generationenübergreifendes,
unfassbar teures Projekt. Aber gleichermaßen spannend.
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