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Die schwarze Spinne - Jeremias Gotthelf, Die schwarze Spinne - 18

Die schwarze Spinne - 18

Da loderte im Priester auf der heilige Kampfesdrang, der, sobald sie den Bösen ahnen, über die kömmt, die gottgeweihten Herzens sind, wie der Trieb über das Samenkorn kömmt, wenn das Leben in ihns dringt, wie er in die Blume dringt, wenn sie sich entfalten soll, wie er über den Helden kömmt, wenn sein Feind das Schwert erhebt. Und wie der Lechzende in des Stromes kühle Flut, wie der Held zur Schlacht stürzte der Priester den Stalden nieder, stürzte zum kühnsten Kampf, drang zwischen den Grünen und Christine, die eben das Kindlein in des andern Arme legen wollte, mitten hinein, schmetterte zwischen sie die drei höchsten heiligen Namen, hält das Heiligste dem Grünen ans Gesicht, sprengt heiliges Wasser über das Kind und trifft Christine zugleich. Da fährt mit fürchterlichem Wehegeheul der Grüne von dannen, wie ein glutroter Streifen zuckt er dahin, bis die Erde ihn verschlingt; vom geweihten Wasser berührt, schrumpft mit entsetzlichem Zischen Christine zusammen wie Wolle im Feuer, wie Kalch im Wasser, schrumpft zischend, flammensprühend zusammen bis auf die schwarze, hochaufgeschwollene, grauenvolle Spinne in ihrem Gesichte, schrumpft mit dieser zusammen, zischt in diese hinein, und diese sitzt nun giftstrotzend, trotzig mitten auf dem Kinde und sprüht aus ihren Augen zornige Blitze dem Priester entgegen. Dieser sprengt ihr Weihwasser entgegen, es zischt wie auf heißem Steine gewöhnliches Wasser; immer größer wird die Spinne, streckt immer weiter ihre schwarzen Beine aus über das Kind, glotzt immer giftiger den Priester an; da faßt dieser in feurigem Glaubensmut nach ihr mit kühner Hand. Es ist, als wenn er griffe in glühende Stacheln hinein, aber unerschüttert greift er fest, schleudert das Ungeziefer weg, faßt das Kind und eilt mit ihm sonder Weile der Mutter zu.

Und wie sein Kampf zu Ende war, stillte sich auch der Kampf der Wolken, sie eilten wieder in ihre dunkeln Kammern; bald flimmerte in stillem Sternenlicht das Tal, in dem kurz zuvor die wildeste Schlacht getobet, und fast atemlos ereilte der Priester das Haus, in welchem an Mutter und Kind die Freveltat begangen worden.

Dort war die Mutter noch ohnmächtig, mit dem gellenden Schrei hatte sie ihr Leben fortgesendet; neben ihr saß betend die Alte, sie traute noch auf Gott, daß er mächtiger sei als der Teufel böse. Mit dem Kinde brachte der Priester der Mutter auch das Leben zurück. Als sie erwachend das Kindlein wieder sah, durchfloß sie eine Wonne, wie sie nur die Engel im Himmel kennen, und auf der Mutter Armen taufte der Priester das Kind im Namen Gottes des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes; und jetzt war es entrissen des Teufels Gewalt auf immer, bis es sich ihm freiwillig übergeben wollte. Aber vor dem hütete es Gott, in dessen Gewalt jetzt seine Seele übergeben worden, während der Leib von der Spinne vergiftet blieb.

Bald schied seine Seele wieder, und wie mit Brandflecken war das Leibchen gezeichnet. Die arme Mutter weinte wohl, aber, wo jeder Teil wieder dahin gehet, wo er hingehöret, zu Gott die Seele, zur Erde der Leib, da findet sich der Trost ein, früher dem, später jenem.

Sobald der Priester sein heilig Amt verrichtet hatte, begann er ein seltsam Jucken zu fühlen in Hand und Arm, womit er die Spinne weggeschleudert. Kleine schwarze Flecken sah er auf der Hand, sichtbarlich wurden sie größer und schwollen auf, Todesschauer rieselte ihm durchs Herz. Er segnete die Weiber und eilte heim, die heiligen Waffen wollte er als getreuer Streiter wieder dahin bringen, wo sie hingehörten, damit sie einem andern nach ihm zur Hand seien. Hochauf schwoll der Arm, schwarze Beulen quollen immer höher auf, er kämpfte mit des Todes Mattigkeit, aber er erlag ihr nicht.

Als er an den Kilchstalden kam, da sah er Hans, den gottvergessenen Vater, von dem man nicht wußte, wo er geblieben, mitten im Wege auf dem Rücken liegen. Hochgeschwollen und brandschwarz war sein Gesicht, und mitten auf demselben saß groß und schwarz und grausig die Spinne. Als der Pfarrer kam, blähte sie sich auf, giftig bäumten sich die Haare auf ihrem Rücken, giftig und sprühend glotzten ihre Augen ihn an, sie tat wie die Katze, wenn sie sich rüstet zu einem Sprung in ihres Todfeindes Gesicht. Da begann der Priester einen guten Spruch und hob die heiligen Waffen, und die Spinne schrak zusammen, kroch langbeinig vom schwarzen Gesichte, verlor sich in zischendem Grase. Darauf ging der Pfarrer vollends heim, stellte das Allerheiligste an seinen Ort, und während wilde Schmerzen den Leib zum Tode rissen, harrte in süßem Frieden seine Seele ihres Gottes, für den sie recht gestritten in kühnem Gotteskampfe, und lange ließ Gott sie nicht harren.

Aber solch süßer Friede, der still des Herren harrt, war hinten im Tale, war oben auf den Bergen nicht.

Von dem Augenblicke an, als Christine mit dem geraubten Kinde den Berg hinuntergefahren war dem Teufel zu, war heilloser Schreck in alle Herzen gefahren. Während dem fürchterlichen Ungewitter bebten die Menschen in den Schrecken des Todes, denn ihre Herzen wußten wohl, wenn Gottes Hand vernichtend über sie komme, so sei es mehr als wohlverdient. Als das Gewitter vorüber war, lief die Kunde von Haus zu Haus, wie der Pfarrer das Kindlein zurückgebracht und getauft, aber kein Hans, keine Christine gesehen worden.


Die schwarze Spinne - 18 The black spider - 18 A Aranha Negra - 18

Da loderte im Priester auf der heilige Kampfesdrang, der, sobald sie den Bösen ahnen, über die kömmt, die gottgeweihten Herzens sind, wie der Trieb über das Samenkorn kömmt, wenn das Leben in ihns dringt, wie er in die Blume dringt, wenn sie sich entfalten soll, wie er über den Helden kömmt, wenn sein Feind das Schwert erhebt. At that the priest was inflamed by the sacred fighting urge which comes upon those whose hearts are dedicated to God as son as they sense the imminence of the evil one; it comes like the growth of life upon the seed of corn or the opening flower or upon the warrior who is confronted by his opponent’s drawn sword. Und wie der Lechzende in des Stromes kühle Flut, wie der Held zur Schlacht stürzte der Priester den Stalden nieder, stürzte zum kühnsten Kampf, drang zwischen den Grünen und Christine, die eben das Kindlein in des andern Arme legen wollte, mitten hinein, schmetterte zwischen sie die drei höchsten heiligen Namen, hält das Heiligste dem Grünen ans Gesicht, sprengt heiliges Wasser über das Kind und trifft Christine zugleich. And the priest rushed down the slope like a thirsting man towards the cool waters of a river or a hero into battle, rushed into fiercest battle, thrust himself between the green huntsman and Christine as she was about to place the child in the evil one’s arms, and hurled the three holy names into their midst; he holds up the holy implement before the green huntsman’s face, dashes holy water over the child and at the same time catches Christine with it. Da fährt mit fürchterlichem Wehegeheul der Grüne von dannen, wie ein glutroter Streifen zuckt er dahin, bis die Erde ihn verschlingt; vom geweihten Wasser berührt, schrumpft mit entsetzlichem Zischen Christine zusammen wie Wolle im Feuer, wie Kalch im Wasser, schrumpft zischend, flammensprühend zusammen bis auf die schwarze, hochaufgeschwollene, grauenvolle Spinne in ihrem Gesichte, schrumpft mit dieser zusammen, zischt in diese hinein, und diese sitzt nun giftstrotzend, trotzig mitten auf dem Kinde und sprüht aus ihren Augen zornige Blitze dem Priester entgegen. Thereupon the green huntsman makes off with a terrifying howl of pain, flashing by like a red-hot strip until the earth swallows him up; after being touched by the holy water Christine shrivels up with a frightful hissing; like wool in a fire or quicklime in water, shrivels up, hissing and flame-spraying, until nothing remains but the black, swollen, ghastly spider in her own face, shrivels into it, hisses into it, and now this spider sits distended with poison and defiant, right on the child, and shoots angry flashes of lightning from her eyes at the priest. Dieser sprengt ihr Weihwasser entgegen, es zischt wie auf heißem Steine gewöhnliches Wasser; immer größer wird die Spinne, streckt immer weiter ihre schwarzen Beine aus über das Kind, glotzt immer giftiger den Priester an; da faßt dieser in feurigem Glaubensmut nach ihr mit kühner Hand. The latter throws holy water at her, which hisses like ordinary water on a hot stone; the spider grows bigger and bigger, and extends her black legs further and further over the child, glaring ever more poisonously at the priest; with the courage of his burning faith the priest now stretches out a daring hand towards her. Es ist, als wenn er griffe in glühende Stacheln hinein, aber unerschüttert greift er fest, schleudert das Ungeziefer weg, faßt das Kind und eilt mit ihm sonder Weile der Mutter zu. It is as if he were plunging his hand into red-hot thorns, but he holds fast undeterred, hurls the verminous creature away, picks up the child and takes it to the mother without further delay.

Und wie sein Kampf zu Ende war, stillte sich auch der Kampf der Wolken, sie eilten wieder in ihre dunkeln Kammern; bald flimmerte in stillem Sternenlicht das Tal, in dem kurz zuvor die wildeste Schlacht getobet, und fast atemlos ereilte der Priester das Haus, in welchem an Mutter und Kind die Freveltat begangen worden. And as the priest’s struggle ended, the battle of the clouds abated too, and they hurried off to their dark chambers; soon the valley in which the fiercest battle had just been raging was shimmering in the quiet light of the stars, and almost breathlessly the priest reached the house where the crime had been committed against mother and child.

Dort war die Mutter noch ohnmächtig, mit dem gellenden Schrei hatte sie ihr Leben fortgesendet; neben ihr saß betend die Alte, sie traute noch auf Gott, daß er mächtiger sei als der Teufel böse. The mother was still lying in a faint, for she had lost consciousness after emitting her piercing cry; the old woman sat praying by her side, for she still trusted God and believed His strength was greater than the devil’s wickedness. Mit dem Kinde brachte der Priester der Mutter auch das Leben zurück. By returning the child the priest also restored life to the mother. Als sie erwachend das Kindlein wieder sah, durchfloß sie eine Wonne, wie sie nur die Engel im Himmel kennen, und auf der Mutter Armen taufte der Priester das Kind im Namen Gottes des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes; und jetzt war es entrissen des Teufels Gewalt auf immer, bis es sich ihm freiwillig übergeben wollte. When she saw her baby again as she awoke, she was permeated by a rapture such as is only known to the angels in heaven, and the priest baptized the child as it lay in its mother’s arms in the name of God the Father, Son and Holy Spirit; and now the infant was snatched from the devil’s power for ever, unless it should at some future time submit of its own accord to the evil one. Aber vor dem hütete es Gott, in dessen Gewalt jetzt seine Seele übergeben worden, während der Leib von der Spinne vergiftet blieb. But God protected the infant from this fate; the newborn soul was given into God’s care, while the body lay poisoned by the spider.

Bald schied seine Seele wieder, und wie mit Brandflecken war das Leibchen gezeichnet. Soon the soul departed from this life, and the little body was marked as if by burns. Die arme Mutter weinte wohl, aber, wo jeder Teil wieder dahin gehet, wo er hingehöret, zu Gott die Seele, zur Erde der Leib, da findet sich der Trost ein, früher dem, später jenem. The poor mother wept indeed, but when each part returns to where it belongs, the soul to God, the body to the earth, consolation will come, more quickly to one person perhaps, and more slowly to another.

Sobald der Priester sein heilig Amt verrichtet hatte, begann er ein seltsam Jucken zu fühlen in Hand und Arm, womit er die Spinne weggeschleudert. As soon as the priest had fulfilled his holy office, he began to feel a strange itching in the hand and arm with which he had hurled away the spider. Kleine schwarze Flecken sah er auf der Hand, sichtbarlich wurden sie größer und schwollen auf, Todesschauer rieselte ihm durchs Herz. He noticed small, black blotches on his hand which grew visibly larger and swelled up; the shudder of death penetrated to his heart. Er segnete die Weiber und eilte heim, die heiligen Waffen wollte er als getreuer Streiter wieder dahin bringen, wo sie hingehörten, damit sie einem andern nach ihm zur Hand seien. He gave the two women his blessing and hurried home, wishing, faithful warrior that he was, to bring back the holy weapons to the place where they belonged, so that they might be at hand for his successor. Hochauf schwoll der Arm, schwarze Beulen quollen immer höher auf, er kämpfte mit des Todes Mattigkeit, aber er erlag ihr nicht. His arm became distended, and black boils swelled up more and more fiercely; he was fighting against the exhaustion of death, but did not succumb to it.

Als er an den Kilchstalden kam, da sah er Hans, den gottvergessenen Vater, von dem man nicht wußte, wo er geblieben, mitten im Wege auf dem Rücken liegen. When he came to the Kilchstalden he saw Hans, the godless father whose whereabouts had been known to nobody, lying on his back in the middle of the road. Hochgeschwollen und brandschwarz war sein Gesicht, und mitten auf demselben saß groß und schwarz und grausig die Spinne. His face was terribly swollen and black with burns, and there sitting right on top of him was the spider, big, black and gruesome. Als der Pfarrer kam, blähte sie sich auf, giftig bäumten sich die Haare auf ihrem Rücken, giftig und sprühend glotzten ihre Augen ihn an, sie tat wie die Katze, wenn sie sich rüstet zu einem Sprung in ihres Todfeindes Gesicht. When the priest came, it puffed itself up, its hairs stood poisonously on end on its back, its eyes glared fiercely at him, and it was behaving like a cat which is preparing to spring at the face of a deadly enemy. Da begann der Priester einen guten Spruch und hob die heiligen Waffen, und die Spinne schrak zusammen, kroch langbeinig vom schwarzen Gesichte, verlor sich in zischendem Grase. Then the priest began to say a prayer and lifted up the holy implements, so that the spider cringed in terror and slunk on its long legs away from the black face until it was concealed in the hissing grass. Darauf ging der Pfarrer vollends heim, stellte das Allerheiligste an seinen Ort, und während wilde Schmerzen den Leib zum Tode rissen, harrte in süßem Frieden seine Seele ihres Gottes, für den sie recht gestritten in kühnem Gotteskampfe, und lange ließ Gott sie nicht harren. After that the priest went on home, where he put the holy implements in their proper place, and while fierce pains were racking his body to death, his soul wailed in sweet contentment for God, on Whose account it bad been so valiantly fighting the good fight; and God did not let the soul wait long.

Aber solch süßer Friede, der still des Herren harrt, war hinten im Tale, war oben auf den Bergen nicht. But such sweet peace which waits patiently on the will of the Lord was not to be found down in the valley or up on the hills.

Von dem Augenblicke an, als Christine mit dem geraubten Kinde den Berg hinuntergefahren war dem Teufel zu, war heilloser Schreck in alle Herzen gefahren. From the moment when Christine had snatched the child and rushed with it down the hill towards the devil, a desperate terror had seized all hearts. Während dem fürchterlichen Ungewitter bebten die Menschen in den Schrecken des Todes, denn ihre Herzen wußten wohl, wenn Gottes Hand vernichtend über sie komme, so sei es mehr als wohlverdient. During the terrible storm the people were trembling in fear of death, for they knew well enough in their hearts that if God’s hand should come upon them and destroy them, it would be a visitation more than well deserved. Als das Gewitter vorüber war, lief die Kunde von Haus zu Haus, wie der Pfarrer das Kindlein zurückgebracht und getauft, aber kein Hans, keine Christine gesehen worden. When the storm was over, the news spread from house to house that the priest had brought back the baby and baptized it, but that neither Hans nor Christine had been seen.