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Die schwarze Spinne - Jeremias Gotthelf, Die schwarze Spinne - 06

Die schwarze Spinne - 06

So unter Lachen und Scherz nahm man viel Fleisch zu sich, vergaß auch die Kannenbirenschnitze nicht, bis endlich der ältere Götti sagte: es dünke ihn, man sollte einstweilen genug haben und etwas vom Tische weg, die Beine würden unter dem Tische ganz steif, und eine Pfeife schmecke nie besser, als wenn man zuvor Fleisch gegessen hätte. Dieser Rat erhielt allgemeinen Beifall, wie auch die Kindbettileute einredeten, man solle doch nicht vom Tische weg; wenn man einmal davon sei, so bringe man die Menschen fast nicht mehr dazu. »Habe doch nicht Kummer, Base!« sagte der Vetter, »wenn du etwas Gutes auf den Tisch stellst, so hast du mit geringer Mühe uns wieder dabei, und wenn wir uns ein wenig strecken, so geht es um so handlicher wieder mit dem Essen.« Die Männer machten nun die Runde in den Ställen, taten einen Blick auf die Bühne, ob noch altes Heu vorhanden sei, rühmten das schöne Gras und schauten in die Bäume hinauf, wie groß der Segen wohl sein möge, der von ihnen zu hoffen sei.

Unter einem der noch blühenden Bäume machte der Vetter halt und sagte: da schicke es sich wohl am besten, abzusitzen und ein Pfeifchen anzustecken, es sei gut kühl da, und wenn die Weiber wieder etwas Gutes angerichtet hätten, so sei man nahe bei der Hand. Bald gesellte sich die Gotte zu ihnen, die mit den andern Weibern den Garten und die Pflanzplätze besehen hatte. Der Gotte kamen die andern Weiber nach, und eine nach der andern ließ sich nieder ins Gras, vorsichtig die schönen Kittel in Sicherheit bringend, dagegen ihre Unterröcke mit dem hellen roten Rande der Gefahr aussetzend, ein Andenken zu erhalten vom grünen Grase.

Der Baum, um den die ganze Gesellschaft sich lagerte, stand oberhalb des Hauses am sanften Anfang der Halde. Zuerst ins Auge fiel das schöne, neue Haus; über dasselbe weg konnten die Blicke schweifen an den jenseitigen Talesrand, über manchen schönen, reichen Hof und weiterhin über grüne Hügel und dunkle Täler weg.

»Du hast da ein stattliches Haus, und alles ist gut angegeben dabei«, sagte der Vetter, »jetzt könnt ihr auch sein darin und habt Platz für alles; ich konnte nie begreifen, wie man sich in einem so schlechten Hause so lange leiden kann, wenn man Geld und Holz genug zum Bauen hat, wie ihr zum Exempel.«

»Vexier nicht, Vetter!« sagte der Großvater, »es hat von beidem nichts zu rühmen; dann ist das Bauen eine wüste Sache, man weiß wohl, wie man anfängt, aber nie, wie man aufhört, und manchmal ist einem noch dies im Wege oder das, an jedem Orte etwas anders.«

»Mir gefällt das Haus ganz ausnehmend wohl«, sagte eine der Frauen. »Wir sollten auch schon lange ein neues haben, aber wir scheuen immer die Kosten. Sobald mein Mann aber kommt, muß er dieses recht besehen, es dünkt mich, wenn wir so eins haben könnten, ich wäre im Himmel. Aber fragen möchte ich doch, nehmt es nicht für ungut, warum da gleich neben dem ersten Fenster der wüste, schwarze Fensterposten (Bystel) ist, der steht dem ganzen Hause übel an.«

Der Großvater machte ein bedenkliches Gesicht, zog noch härter an seiner Pfeife und sagte endlich: es hätte an Holz gefehlt beim Aufrichten, kein anderes sei gleich bei der Hand gewesen, da habe man in Not und Eile einiges vom alten Hause genommen. »Aber«, sagte die Frau, »das schwarze Stück Holz war ja noch dazu zu kurz, oben und unten ist es angesetzt, und jeder Nachbar hätte euch von Herzen gerne ein ganz neues Stück gegeben.«

»Ja, wir haben es halt nicht besser gesinnet und durften unsere Nachbaren nicht immer von neuem plagen, sie hatten uns schon genug geholfen mit Holz und Fahren«, antwortete der Alte.

»Hör, Ätti«, sagte der Vetter, »mache nicht Schneckentänze, sondern gib die Wahrheit an und aufrichtigen Bericht! Schon manches habe ich raunen hören, aber punktum das Wahre nie vernehmen können. Jetzt schickte es sich so wohl, bis die Weiber den Braten zweghaben, du würdest uns damit so kurze Zeit machen, darum gib aufrichtigen Bericht!« Noch manchen Schneckentanz machte der Großvater, ehe er sich dazu verstund; aber der Vetter und die Weiber ließen nicht nach, bis er es endlich versprach, jedoch unter dem ausdrücklichen Vorbehalt, daß ihm dann lieber wäre, was er erzähle, bliebe unter ihnen und käme nicht weiter. So etwas scheuen gar viele Leute an einem Hause, und er möchte in seinen alten Tagen nicht gerne seinen Leuten böses Spiel machen.


Die schwarze Spinne - 06 The black spider - 06 A Aranha Negra - 06 Черный паук - 06

So unter Lachen und Scherz nahm man viel Fleisch zu sich, vergaß auch die Kannenbirenschnitze nicht, bis endlich der ältere Götti sagte: es dünke ihn, man sollte einstweilen genug haben und etwas vom Tische weg, die Beine würden unter dem Tische ganz steif, und eine Pfeife schmecke nie besser, als wenn man zuvor Fleisch gegessen hätte. In this way, laughing and joking, they ate a lot of meat and did not forget the pear-slices either, until eventually the older godfather said that he thought that they should be contented for the time being and move away a little from the table, for your legs got quite stiff beneath the table and a pipe is never more welcome than after you’ve been eating meat. Dieser Rat erhielt allgemeinen Beifall, wie auch die Kindbettileute einredeten, man solle doch nicht vom Tische weg; wenn man einmal davon sei, so bringe man die Menschen fast nicht mehr dazu. This counsel received general acclamation, even though the father and mother tried to persuade the guests not to leave the table; once people had moved away, there was hardly a hope of bringing them back again. »Habe doch nicht Kummer, Base!« sagte der Vetter, »wenn du etwas Gutes auf den Tisch stellst, so hast du mit geringer Mühe uns wieder dabei, und wenn wir uns ein wenig strecken, so geht es um so handlicher wieder mit dem Essen.« Die Männer machten nun die Runde in den Ställen, taten einen Blick auf die Bühne, ob noch altes Heu vorhanden sei, rühmten das schöne Gras und schauten in die Bäume hinauf, wie groß der Segen wohl sein möge, der von ihnen zu hoffen sei. “Don’t you worry, cousin!” said the older godfather, “as soon as you put something good on the table, you’ll have us all together again without much trouble, and if we stretch our legs a bit, we shall be all the more handy at tackling the food again. “ The men now made the round of the cattle-sheds, took a look at the hayloft to see if any of the old hay was still available, made compliments about the lush grass and stared up into the fruit-trees to calculate how great the blessing of this crop might be.

Unter einem der noch blühenden Bäume machte der Vetter halt und sagte: da schicke es sich wohl am besten, abzusitzen und ein Pfeifchen anzustecken, es sei gut kühl da, und wenn die Weiber wieder etwas Gutes angerichtet hätten, so sei man nahe bei der Hand. The cousin made a halt beneath one of the trees that was still in bloom and said that this was as good a place as any to sit down and have a pipe, it was cool here, and as soon as the womenfolk had served up something good again, they would be near at hand. Bald gesellte sich die Gotte zu ihnen, die mit den andern Weibern den Garten und die Pflanzplätze besehen hatte. Soon they were joined by the godmother who with the other women had been inspecting the vegetable garden and the plantations. Der Gotte kamen die andern Weiber nach, und eine nach der andern ließ sich nieder ins Gras, vorsichtig die schönen Kittel in Sicherheit bringend, dagegen ihre Unterröcke mit dem hellen roten Rande der Gefahr aussetzend, ein Andenken zu erhalten vom grünen Grase. The other womenfolk came after the godmother, and one after another lowered themselves onto the grass, carefully keeping their beautiful skirts safe and clean, although their petticoats with their bright red edging were exposed to the danger of receiving a souvenir on them from the green grass.

Der Baum, um den die ganze Gesellschaft sich lagerte, stand oberhalb des Hauses am sanften Anfang der Halde. The tree around which the whole company was encamped stood above the house on the first gentle rise of the slope. Zuerst ins Auge fiel das schöne, neue Haus; über dasselbe weg konnten die Blicke schweifen an den jenseitigen Talesrand, über manchen schönen, reichen Hof und weiterhin über grüne Hügel und dunkle Täler weg. The beautiful new house was what first caught the eye; beyond the house the glance could rove to the edge of the valley on the other side, looking over many a fine, prosperous farm and further away over green hills and dark valleys.

»Du hast da ein stattliches Haus, und alles ist gut angegeben dabei«, sagte der Vetter, »jetzt könnt ihr auch sein darin und habt Platz für alles; ich konnte nie begreifen, wie man sich in einem so schlechten Hause so lange leiden kann, wenn man Geld und Holz genug zum Bauen hat, wie ihr zum Exempel.« “You got a grand house there, and everything is well planned about it too,” the cousin said. “Now you can really enjoy being in it, and you’ve got room for everything and everybody; I never could understand how anybody could put up with such a poor house when they have enough money and timber to build for themselves, as you have, for example. “

»Vexier nicht, Vetter!« sagte der Großvater, »es hat von beidem nichts zu rühmen; dann ist das Bauen eine wüste Sache, man weiß wohl, wie man anfängt, aber nie, wie man aufhört, und manchmal ist einem noch dies im Wege oder das, an jedem Orte etwas anders.«

»Mir gefällt das Haus ganz ausnehmend wohl«, sagte eine der Frauen. “I like the house extremely well,” one of the women said. »Wir sollten auch schon lange ein neues haben, aber wir scheuen immer die Kosten. “We too ought to have had a new house fur a long time now, but we always shy off at the expense. Sobald mein Mann aber kommt, muß er dieses recht besehen, es dünkt mich, wenn wir so eins haben könnten, ich wäre im Himmel. But as soon as my husband arrives, he must have a good look at this house; it seems to me that if we could have a house like this, I should be in heaven. Aber fragen möchte ich doch, nehmt es nicht für ungut, warum da gleich neben dem ersten Fenster der wüste, schwarze Fensterposten (Bystel) ist, der steht dem ganzen Hause übel an.« But all the same I would like to ask—and don’t take it amiss, will you?—why ever that ugly black window-post is there, just by the first window; it detracts from the appearance of the whole house. “

Der Großvater machte ein bedenkliches Gesicht, zog noch härter an seiner Pfeife und sagte endlich: es hätte an Holz gefehlt beim Aufrichten, kein anderes sei gleich bei der Hand gewesen, da habe man in Not und Eile einiges vom alten Hause genommen. The grandfather pulled a dubious face, drew even more vigorously at his pipe and finally said that they had run out of wood when they were building, there was nothing else just at hand, and so they had taken in their need and haste something from the old house. »Aber«, sagte die Frau, »das schwarze Stück Holz war ja noch dazu zu kurz, oben und unten ist es angesetzt, und jeder Nachbar hätte euch von Herzen gerne ein ganz neues Stück gegeben.« “But,” the woman said, “the black piece of wood was too short, apart from anything else, and there are pieces joined on top and bottom; besides, any neighbour would have been only too glad to give you a really new piece.”

»Ja, wir haben es halt nicht besser gesinnet und durften unsere Nachbaren nicht immer von neuem plagen, sie hatten uns schon genug geholfen mit Holz und Fahren«, antwortete der Alte. “Yes, we just didn’t think it out better and we could not always be pestering our neighbours afresh, they had already given us a lot of help with gifts of timber and with the loan of horses and carts,” the old man replied.

»Hör, Ätti«, sagte der Vetter, »mache nicht Schneckentänze, sondern gib die Wahrheit an und aufrichtigen Bericht! “Listen, Granddad,” the cousin said, “don’t beat about the bush, but tell the truth and give an honest account. Schon manches habe ich raunen hören, aber punktum das Wahre nie vernehmen können. I’ve already heard various rumours, but I’ve never yet been able to hear the truth exactly. Jetzt schickte es sich so wohl, bis die Weiber den Braten zweghaben, du würdest uns damit so kurze Zeit machen, darum gib aufrichtigen Bericht!« Noch manchen Schneckentanz machte der Großvater, ehe er sich dazu verstund; aber der Vetter und die Weiber ließen nicht nach, bis er es endlich versprach, jedoch unter dem ausdrücklichen Vorbehalt, daß ihm dann lieber wäre, was er erzähle, bliebe unter ihnen und käme nicht weiter. Now would be a good time, you could entertain us so well with the story, until the women have got the roast ready; so you give us an honest account!” The grandfather still beat about the bush before he would consent; but the cousin and the womenfolk did not give way until he at last gave his promise, though nevertheless with the express reservation that he would prefer what he had to tell to remain a secret and not to go beyond the present company. So etwas scheuen gar viele Leute an einem Hause, und er möchte in seinen alten Tagen nicht gerne seinen Leuten böses Spiel machen. A good many people would fight shy of anything like that about a house, and he would not like to be responsible in his old age for anything that might harm his own relatives.