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Die Sprache hat andere Augen - Herta Müller 2009 - Nobelstif, Die Sprache hat andere Augen - Herta Müller 2009 - Nobelstiftung

Die Sprache hat andere Augen - Herta Müller 2009 - Nobelstiftung

[Herta Müller] Hallo ...

[Marika Griehsel] Frau Müller, Herzliche Glückwünsche.

Mein Name ist Marika Griehsel und ich rufe aus Schweden an und das ist die Nobelstiftung website. Wir wollen ganz gerne herzliche Glückwünsche sagen ...

[HM] Ich danke Ihnen.

[MG] Sie schreiben ja in Deutsch, und Sie haben gesagt, daβ Schreiben für Sie sehr wichtig ist, für das Leben ...

[HM] Na ja, es war das Einzige wo ich noch Ich selber sein konnte, weil das war während der Diktatur ... und na ja, es gab mir Halt ... aber so wichtig war das garnicht, weil ich habe auch dann gearbeitet - wenn ich eine Stelle hatte - ich bin ja immer überall rausgeschmissen worden. Und dann hatte ich ständig diese Schickanen gehabt, die Verhörungen und Verfolgungen. Manchmal kam einem das Schreiben auch vor, als wäre man nicht mehr ganz bei Trost ... weil das Land so arm war und man hat so viel Unglück gesehen und manchmal hat man sich gedacht, na ja, irgendwie ist das doch..es hat in dieser Welt garnichts zu suchen.

[MG] Aber es war irgendwie immer was Sie gemacht haben um die andere Seite auch zu sehen, oder?

[HM]Damit ich doch eine Gewissheit habe daβ ich es noch selber bin, daβ ich existiere.

[MG] Es war 1987 als Sie nach Deutschland gegangen sind?

[HM] Ja.

[MG] Aber trotzdem schreiben Sie immer noch sehr viel über das alte Land ... warum ist das so, meinen Sie?

[HM] Na ja, weil ich glaube daβ das schwere Gewicht ... daβ die Literatur geht dorthin, wo das Gewicht ist. Und ich habe in dieser Diktatur über 30 Jahre gelebt und da sind die Beschädigungen und das Thema ... ich habe das Thema nicht gewählt, das Thema sucht immer mich. Ich werde das Thema nicht ... ich bin es immer noch nicht los. Und man muβ über das schreiben, was einem ständig beschäftigt. Und Diktatur ist ja auch wichtig ... denn leider war die Diktatur nicht die Allerletzte. Es gibt leider immer noch so viele auf der Welt.

[MG] Als Sie angefangen haben zu schreiben, für wen schrieben Sie und für wen schreiben Sie jetzt?

[HM] Also, Ich habe immer eigentlich nur für mich geschrieben. Um die Dinge, um Dinge mit mir zu klären, um zu begreifen auf eine innere Art was eigentlich passiert. Oder: was ist aus mir geworden? Ich komme aus einem ganz kleinem Dorf, und dann kam ich in die Stadt, und es waren immer Brüche und dann war ich Minderheit, Deutsche ... und man gehörte sowieso nicht dazu. Dann hatte ich mit den Landsleuten, mit der deutschen Minderheit diesen groβen Konflikt gehabt: die haben mich ja ex-kommuniziert, schon als das erste Buch geschrieben habe, als sogenannte Nestbeschmutzerin, weil ich ja über die Situation mit der Verstrickung mit dem Nationalsozialistismus geschrieben habe, oder über dieses archaische starre Dorfleben, über diesen Etnozentrismus. Und das haben sie mir nicht nachgesehen.

Die wollten Heimatliteratur und ich habe das nicht geliefert und die fühlten sich von mir, ja, daβ ich sie kompromitiere. Das ist eine sehr konservative Minderheit und insofern war ich von denen ausgeschlossen, und in der rumänischen Gesellschaft aus politischen Grunden ausgeschlossen ist. Also irgendwie war es ganz normal daβ man nicht dazugehört, daβ man nirgends dazugehört. Und dann kam ich nach Deutschland, und hier in Deutschland war ich immer die Rumänin, und in Rumänien war ich immer die Deutsche. Also, irgendwie ist man immer das andere ...

[MG] Ja ja. Ist das wichtig, meinen Sie daβ man sich auβerhalb gefühlt hat?

[HM] Ich weiβ es nicht ob es wichtig ist. Also, wünschen kann man sich das ja nicht. Und es tut ja auch manchmal weh. Der Mensch will ja in manchen Dingen auch dazugehören, aber so war es und ich hab mich daran gewöhnt und irgendwann ist es nur noch eine Tatsache gewesen. Und so ist es. Und ja, man kann sich ja nicht jemandem aufdrängen und das was man denkt, verraten? Wenn ich durch das was ich meine und denke nicht mehr dazugehöre, dann ist es so. Was soll man dann machen? Man kann sich ja nicht verbiegen oder sich verleugnen als Person um dazu zugehören. Anderseits funktioniert das ja garnicht. Wenn man einmal nicht mehr dazugehört, dann ist es vorbei. [MG] Ist für Ihnen die Literatur ... das Schreiben ... man muss sehr ehrlich sein?

[HM] Ja, man muss mit sich selbst auch ehrlich sein. Man erfährt auch durch das Schreiben etwas anderes als durch die fünf Sinne die man hat, weil die Sprache ist ja ein anderes Metier. Und im Schreiben sucht man ja auch, und das ist es auch was einem am Schreiben hält, daβ man die Dinge aus einem ganz anderen Blickwinkel sieht und erfährt, selbst erfährt während des Schreibens. Das Schreiben weiβ ja garnicht wie es aussieht wenn man es tut, erst wenn es fertig ist. Und solange wenn man schreibt bin ich aufgehoben, dann weiβ ich ein biβchen wie das Leben gehen könnte, und wenn ich zu Ende bin mit dem Text, weiβ ich es schon wieder nicht.

[MG] Das hört sich schön an. Atemschaukel – meinen Sie es ist schwierig – Sie haben eine Gruppe Leute, also die Deutschen, die im Gefängnis waren, sie waren nicht besonders beliebt oder? Man hat nicht an sie nach dem Zweiten Weltkrieg gedacht ... was wollten Sie damit sagen?

[HM] Ja, also ... die Deportation nach 1945 hat natürlich mit dem Zweiten Weltkrieg zu tun.

Ach hier wird geläutet. Es ist wirklich ein Irsinn hier im Haus..die sind schon hier an der Tür vorne ...

Und na ja, die wurden dann deportiert im Namen det Kollektivschuld, die Deutsche Minderheit war ja verstrickt, sie war ja in der SS oder der Wehrmacht. Rumänien war mit Antonescu ein faschistischer Staat ...

[HM] Mach leiser, ich kann sonst nicht reden ... das ist ein Freund von mir ... ach..ich verstehe Sie auch nicht mehr ...

[MG] Ok, es ist der Anfang von einem groβen Fest glaube ich. Ganz kurz, Sie haben gesagt es war ein Kollektivschuld, ganz kurz.

[HM] Ja, und ich meine, Kollektivschuld ist ja immer ungerecht, weil die Leute die deportiert wurden, die waren ja damals nicht im Krieg. Die Deportationen war schon im Januar 1945, und der Krieg war ja erst im Maj zuende. Mein Vater war in der SS, der war noch garnicht aus dem Krieg zurück. Und dann hat man Zivilisten genommen, also ganz junge Leute genommen, 17-jährige, so wie Oskar Pastior, die ja persönlich nicht schuldig geworden waren, und Rumänien war ja auch ein faschistischer Staat mit Antonescu an der Seite von Hitler und hat dann ja nur ganz zuletzt die Seite gewechselt, oder wechseln müssen weil die Sowjets Rumänien dann gezwungen haben, die Seite zu wechseln. Und das hat natürlich die Minderheit auch stur gemacht, über die Verstrickung mit dem Nationalsozialismus nachzudenken, weil die Rumänen waren auch alle in Stalingrad mit Antonescu, und danach, nach 1945 hat man halt nur die Minderheiten verantwortlich gemacht. Die Ungarische Minderheit mit Horthy, als die Horthisten und die Deutschen als die Gefolgsleuten von Hitler, aber daβ die ganze Rumänische Bevölkerung in dieser Zeit auch an der Seite von Nazi Deutschland war, das wurde danach, 1945, wurde die Geschichte gefälscht.

Ja ... Ich meine, meine Mutter war ja auch deportiert, 5 Jahre lang. Und ich habe versucht diese Dinge aber in Zusammenhang zu sehen. Also ohne die Verbrechen von Nazi Deutschland wäre die Deportation nicht passiert. Das muss man natürlich immer mitdenken. Das kam nicht aus heiterem Himmel. Sondern das war eine Folge der Verbrechen an denen die Minderheit natürlich auch beteiligt war.

[MG] Was meinen Sie, Ihre Bücher werden auch ins Rumänische übersetzt. Wie werden Sie dort empfangen?

[HM] Na ja, unterschiedlich. Die Bücher werden gewöhnlich gut aufgenommen. Aber, das ist das eine. Aber, wahrscheinlich wer sucht sich aus, wer ein Buch rezensiert er hat auch vielleicht für das Buch etwas übrig. Aber in der Rumänischen Gesellschaft werde ich nicht besonders gemocht. Ich werde selten eingeladen. Weil ich bis heute über die Zustände in Rumänien zuviel negatives sage, weil es halt so ist. Weil die ganze Nomenklatura, die frühere, und der frühere Geheimdienst - die haben sich die Positionen im ganzen Land aufgeteilt. Und das ist ein ganzes Netz. Die bedienen sich gegenseitig. Und das ist auch eine Erklärung für diese allgegenwärtige Korruption in Rumänien. Und von Demokratie ist Rumänien leider noch ziemlich weit entfernt.

Das hört man nicht gerne in Rumänien. Das ist das ewige Problem. Die im Exil sollen das Maul halten und dann sagt man auch, ich verstehe nichts mehr davon.

[MG] Ihre Sprache ist Deutsch, aber Sie haben auch Rumänische Einflüsse ... wie sieht man das?

[HM] Na ja, die Sprache, das ist ja meine Muttersprache, Deutsch. Aber ich habe sehr spät mit 15 erst Rumänish gelernt in der Stadt, und ich wollte das auch lernen. Und ich mag diese Sprache. Rumänisch ist eine sehr schöne, sinnliche, poetische Sprache. Und von dem Moment an - das war auch vielleicht gut, daβ ich es so spät gelernt habe weil – dann habe ich schon einen Blick dafür gehabt – ich habe gemerkt wieviele Sprachbilder es im Rumänischen gibt, wie groβartig die Metaphorik ist, die gewöhnlichen Sprachbilder, die die Leute im Alltag benutzen, im Aberglauben oder ... in Redewendungen, viele Dinge sind auch gegensätzlich, oder wie die Pflanzen heissen, daβ sie ganz anders heissen als im Deutschen. Das ist ja dann auch ein anderes Blick auf das selbe.. ich habe immer gesehen daβ es zwei Stationen gibt, das eine ist die Station auf meiner Sprache für etwas, und das andere ist diese andere Station. Es ist nicht nur ein anderes Wort, das ist ein anderer Blick. Die Sprache hat andere Augen. Bei mir schreibt das Rumänische immer mit, auch wenn ich nicht auf Rumänisch schreibe, weil ich habe es im Kopf. Und ich habe zwei Blicke aus der anderen Sprache, die sind immer mit dabei. Ich weiβ oft garnicht welche das ist aus dem heraus ich dann schreibe.

[MG] Was empfehlen Sie uns jetzt zuerst von Ihnen zu lesen?

[HM] Was soll ich sagen? Also auf Deutsch würde ich natürlich das letzte Buch empfehlen. Das letzte Buch steht einem immer noch am nächsten. "Die Atemschaukel". [MG] "Die Atemschaukel". Also die Publizität wird jetzt ganz groβ und was halten Sie davon?

[HM] Ja, was kann ich dazu sagen?

[MG] (lacht)

[HM] Man ist ja kein anderer Mensch. Das hat ja eigentlich mit dem Schreiben selbst nichts zu tun. Ich bin jetzt glücklich, aber ich bleibe auch auf dem Boden. Also, ich ordne das jetzt schön ein. Und in zwei drei Tagen kommt das sogar an. Ich weiβ es ja jetzt, aber ich glaube es noch garnicht. Ich kann das nicht realisieren. Das muss auch so sein. Ich weiβ auch garnicht wieso ich soviel Glück verdiene. Ich denke manchmal, das Glück hat sich geirrt. Vielleicht verdiene ich das auch garnicht. Wieso steht mir das Glück zu?

[MG] Frau Müller, vielen vielen Dank, und viele Glückwünsche ...

[HM] Ja, ich danke Ihnen. Alles Gute.

[MG] Alles Gute. Vielen Dank, tschüs.


Die Sprache hat andere Augen - Herta Müller 2009 - Nobelstiftung Language has different eyes - Herta Müller 2009 - Nobel Foundation

[Herta Müller] Hallo ... [Herta Müller] Hello ... [Herta Müller] Hola ... [エルタ・ミュラー]こんにちは...

[Marika Griehsel] Frau Müller, Herzliche Glückwünsche. [Marika Griehsel] Mrs. Müller, Congratulations. [マリカ・グリーセル]ミュラーさん、おめでとうございます。

Mein Name ist Marika Griehsel und ich rufe aus Schweden an und das ist die Nobelstiftung website. My name is Marika Griehsel and I call from Sweden and this is the Nobel Foundation website. 私の名前はマリカ・グリーセルで、スウェーデンから電話をかけています。それがノーベル財団のウェブサイトです。 Wir wollen ganz gerne herzliche Glückwünsche sagen ... We would like to say congratulations ... Nos gustaría decir felicitaciones ... 温かいおめでとうございます

[HM] Ich danke Ihnen. [HM] Thank you. [HM]ありがとう。

[MG] Sie schreiben ja in Deutsch, und Sie haben gesagt, daβ Schreiben für Sie sehr wichtig ist, für das Leben ... [MG] You write in German, and you said that writing is very important to you, for life ... [MG] Escribes en alemán y dijiste que escribir es muy importante para ti, para toda la vida ... [MG]あなたはドイツ語で書いています、そしてあなたは書くことがあなたにとって、人生にとって非常に重要であると言いました...

[HM] Na ja, es war das Einzige wo ich noch Ich selber sein konnte, weil das war während der Diktatur ... und na ja, es gab mir Halt ... aber so wichtig war das garnicht, weil ich habe auch dann gearbeitet - wenn ich eine Stelle hatte - ich bin ja immer überall rausgeschmissen worden. [HM] Well, it was the only one where I could still be myself, because that was during the dictatorship ... and well, it gave me a hold ... but that was not important at all, because I did too worked - if I had a job - I've always been thrown out everywhere. [HM]ええと、それは私がまだ自分自身でいられる唯一のことでした。なぜなら、それは独裁時代だったからです...そしてまあ、それは私に安定性を与えました...しかし私も当時だったのでそれはそれほど重要ではありませんでした働いていた-私が仕事をしていたとき-私はいつもどこでも追い出されました。 Und dann hatte ich ständig diese Schickanen gehabt, die Verhörungen und Verfolgungen. And then, all the time, I had had these chic people, the interrogations and persecutions. そして、私はいつもこれらのチカン、尋問と迫害を持っていました。 Manchmal kam einem das Schreiben auch vor, als wäre man nicht mehr ganz bei Trost ... weil das Land so arm war und man hat so viel Unglück gesehen und manchmal hat man sich gedacht, na ja, irgendwie ist das doch..es hat in dieser Welt garnichts zu suchen. Sometimes writing also seemed like comforting ... because the country was so poor and you saw so much misfortune and sometimes you thought, well, somehow that's it..it has nothing at all in this world. 時々、執筆はあなたがもはや慰めになっていないように感じました...国がとても貧しくて、あなたがとても多くの不幸を見たので、そして時々あなたは、まあ、どういうわけかそれは...この世界で探すものは何もありません。

[MG] Aber es war irgendwie immer was Sie gemacht haben um die andere Seite auch zu sehen, oder? [MG] But it was kind of always what you did to see the other side, right? [MG]でも、向こう側も見るのはいつもそうだったんですよね?

[HM]Damit ich doch eine Gewissheit habe daβ ich es noch selber bin, daβ ich existiere. [HM] So that I have a certainty that I am still myself, that I exist. [HM]だから、私は自分がまだ自分であり、存在しているという確信を持っている。

[MG] Es war 1987 als Sie nach Deutschland gegangen sind? [MG] It was in 1987 when you went to Germany? [MG]あなたがドイツに行ったのは1987年でしたか?

[HM] Ja. [HMはい。

[MG] Aber trotzdem schreiben Sie immer noch sehr viel über das alte Land ... warum ist das so, meinen Sie? [MG] But still, you still write a lot about the old country ... why is that, you mean? [MG]それでも、あなたはまだ古い国についてたくさん書いています...それはなぜですか?

[HM] Na ja, weil ich glaube daβ das schwere Gewicht ... daβ die Literatur geht dorthin, wo das Gewicht ist. [HM] Well, because I think the heavy weight ... the literature goes where the weight is. [HM]ええと、私は重い重量を信じているので...その文献は重量があるところに行きます。 Und ich habe in dieser Diktatur über 30 Jahre gelebt und da sind die Beschädigungen und das Thema ... ich habe das Thema nicht gewählt, das Thema sucht immer mich. And I have lived in this dictatorship for over 30 years and there are the damages and the topic ... I did not choose the topic, the topic is always looking for me. そして、私はこの独裁政権に30年以上住んでいて、被害とトピックがあります...私はトピックを選択しませんでした。トピックは常に私を探しています。 Ich werde das Thema nicht ... ich bin es immer noch nicht los. I will not talk about the topic ... I still can not go. 私は主題に取り組んでいません...私はまだそれを取り除くことはありません。 Und man muβ über das schreiben, was einem ständig beschäftigt. And you have to write about what keeps you busy. そして、あなたはいつもあなたの心にあることについて書かなければなりません。 Und Diktatur ist ja auch wichtig ... denn leider war die Diktatur nicht die Allerletzte. And dictatorship is also important ... because unfortunately the dictatorship was not the very last. そして独裁も重要です...残念ながら独裁は最後ではなかったからです。 Es gibt leider immer noch so viele auf der Welt. Unfortunately, there are still so many in the world. 残念ながら、世界にはまだたくさんあります。

[MG] Als Sie angefangen haben zu schreiben, für wen schrieben Sie und für wen schreiben Sie jetzt? [MG] When you started writing, who were you writing for and who are you writing for now?

[HM] Also, Ich habe immer eigentlich nur für mich geschrieben. [HM] Well, I always just wrote for myself. Um die Dinge, um Dinge mit mir zu klären, um zu begreifen auf eine innere Art was eigentlich passiert. To get things to clarify things with me, to grasp an inner way of what actually happens. 物事を整理すること、私と一緒に物事を整理すること、実際に何が起こっているのかを内面的に理解すること。 Oder: was ist aus mir geworden? Or: what has become of me? Ich komme aus einem ganz kleinem Dorf, und dann kam ich in die Stadt, und es waren immer Brüche und dann war ich Minderheit, Deutsche ... und man gehörte sowieso nicht dazu. I come from a very small village, and then I came to town, and there were always breaks and then I was a minority, Germans ... and you did not belong anyway. Dann hatte ich mit den Landsleuten, mit der deutschen Minderheit diesen groβen Konflikt gehabt: die haben mich ja ex-kommuniziert, schon als das erste Buch geschrieben habe, als sogenannte Nestbeschmutzerin, weil ich ja über die Situation mit der Verstrickung mit dem Nationalsozialistismus geschrieben habe, oder über dieses archaische starre Dorfleben, über diesen Etnozentrismus. Then I had this great conflict with the compatriots, with the German minority: they have ex-communicated me already, as the first book wrote, as a so-called Nestbeschmutzerin, because I have written about the situation with the involvement with National Socialism or about this archaic, rigid village life, about this etocentrism. Und das haben sie mir nicht nachgesehen. And they did not look at me.

Die wollten Heimatliteratur und ich habe das nicht geliefert und die fühlten sich von mir, ja, daβ ich sie kompromitiere. They wanted to bring home literature and I did not deliver that and they felt so, that I compromised them. Das ist eine sehr konservative Minderheit und insofern war ich von denen ausgeschlossen, und in der rumänischen Gesellschaft aus politischen Grunden ausgeschlossen ist. This is a very conservative minority and so I was excluded from them, and in Romanian society is excluded for political reasons. Also irgendwie war es ganz normal daβ man nicht dazugehört, daβ man nirgends dazugehört. So somehow it was quite normal that one does not belong, that one belongs nowhere. だからどういうわけか、あなたが所属していない、どこにも所属していないのはごく普通のことでした。 Und dann kam ich nach Deutschland, und hier in Deutschland war ich immer die Rumänin, und in Rumänien war ich immer die Deutsche. And then I came to Germany, and here in Germany I was always the Romanian, and in Romania I was always the Germans. それから私はドイツに来ました、そしてここドイツでは私はいつもルーマニア人でした、そしてルーマニアでは私はいつもドイツ人でした。 Also, irgendwie ist man immer das andere ... So, somehow you are always the other one ... だから、どういうわけか一方は常にもう一方です...

[MG] Ja ja. Ist das wichtig, meinen Sie daβ man sich auβerhalb gefühlt hat? Is that important, do you mean that you felt outside yourself?

[HM] Ich weiβ es nicht ob es wichtig ist. [HM] I do not know if it matters. Also, wünschen kann man sich das ja nicht. So, you can not wish that. Und es tut ja auch manchmal weh. And sometimes it hurts. Der Mensch will ja in manchen Dingen auch dazugehören, aber so war es und ich hab mich daran gewöhnt und irgendwann ist es nur noch eine Tatsache gewesen. Man wants to belong in some things, but that's how it was and I got used to it and at some point it was just a fact. Und so ist es. And so it is. Und ja, man kann sich ja nicht jemandem aufdrängen und das was man denkt, verraten? And yes, you can not impose yourself on someone and betray what you think? Wenn ich durch das was ich meine und denke nicht mehr dazugehöre, dann ist es so. If I do not belong by what I mean and think, then it is so. Was soll man dann machen? What should one do then? Man kann sich ja nicht verbiegen oder sich verleugnen als Person um dazu zugehören. You can not bend or deny yourself as a person to belong to. Anderseits funktioniert das ja garnicht. On the other hand, that does not work at all. Wenn man einmal nicht mehr dazugehört, dann ist es vorbei. Once you're gone, it's over. [MG] Ist für Ihnen die Literatur ... das Schreiben ... man muss sehr ehrlich sein? [MG] Is literature for you ... writing ... you have to be very honest?

[HM] Ja, man muss mit sich selbst auch ehrlich sein. Man erfährt auch durch das Schreiben etwas anderes als durch die fünf Sinne die man hat, weil die Sprache ist ja ein anderes Metier. Und im Schreiben sucht man ja auch, und das ist es auch was einem am Schreiben hält, daβ man die Dinge aus einem ganz anderen Blickwinkel sieht und erfährt, selbst erfährt während des Schreibens. Das Schreiben weiβ ja garnicht wie es aussieht wenn man es tut, erst wenn es fertig ist. Und solange wenn man schreibt bin ich aufgehoben, dann weiβ ich ein biβchen wie das Leben gehen könnte, und wenn ich zu Ende bin mit dem Text, weiβ ich es schon wieder  nicht.

[MG] Das hört sich schön an. Atemschaukel – meinen Sie es ist schwierig – Sie haben eine Gruppe Leute, also die Deutschen, die im Gefängnis waren, sie waren nicht besonders beliebt oder? Man hat nicht an sie nach dem Zweiten Weltkrieg gedacht ... was wollten Sie damit sagen?

[HM] Ja, also ... die Deportation nach 1945 hat natürlich mit dem Zweiten Weltkrieg zu tun.

Ach hier wird geläutet. Es ist wirklich ein Irsinn hier im Haus..die sind schon hier an der Tür vorne ...

Und na ja, die wurden dann deportiert im Namen det Kollektivschuld, die Deutsche Minderheit war ja verstrickt, sie war ja in der SS oder der Wehrmacht. Rumänien war mit Antonescu ein faschistischer Staat ...

[HM]  Mach leiser, ich kann sonst nicht reden ... das ist ein Freund von mir ... ach..ich verstehe Sie auch nicht mehr ...

[MG] Ok, es ist der Anfang von einem groβen Fest glaube ich. Ganz kurz, Sie haben gesagt es war ein Kollektivschuld, ganz kurz.

[HM] Ja, und ich meine, Kollektivschuld ist ja immer ungerecht, weil die Leute die deportiert wurden, die waren ja damals nicht im Krieg. Die Deportationen war schon im Januar 1945, und der Krieg war ja erst im Maj zuende. Mein Vater war in der SS, der war noch garnicht aus dem Krieg zurück. Und dann hat man Zivilisten genommen, also ganz junge Leute genommen, 17-jährige, so wie Oskar Pastior, die ja persönlich nicht schuldig geworden waren, und Rumänien war ja auch ein faschistischer Staat mit Antonescu an der Seite von Hitler und hat dann ja nur ganz zuletzt die Seite gewechselt, oder wechseln müssen weil die Sowjets Rumänien dann gezwungen  haben, die Seite zu wechseln. Und das hat natürlich die Minderheit auch stur gemacht, über die Verstrickung mit dem Nationalsozialismus nachzudenken, weil die Rumänen waren auch alle in Stalingrad mit Antonescu, und danach, nach 1945 hat man halt nur die Minderheiten verantwortlich gemacht. Die Ungarische Minderheit mit Horthy, als die Horthisten und die Deutschen als die Gefolgsleuten von Hitler, aber daβ die ganze Rumänische Bevölkerung in dieser Zeit auch an der Seite von Nazi Deutschland war, das wurde danach, 1945, wurde die Geschichte gefälscht.

Ja ... Ich meine, meine Mutter war ja auch deportiert, 5 Jahre lang. Und ich habe versucht diese Dinge aber in Zusammenhang zu sehen. Also ohne die Verbrechen von Nazi Deutschland wäre die Deportation nicht passiert. Das muss man natürlich immer mitdenken. Das kam nicht aus heiterem Himmel. Sondern das war eine Folge der Verbrechen an denen die Minderheit natürlich auch beteiligt war.

[MG] Was meinen Sie, Ihre Bücher werden auch ins Rumänische übersetzt. Wie werden Sie dort empfangen?

[HM] Na ja, unterschiedlich. Die Bücher werden gewöhnlich gut aufgenommen. Aber, das ist das eine. Aber, wahrscheinlich wer sucht sich aus, wer ein Buch rezensiert er hat auch vielleicht für das Buch etwas übrig. Aber in der Rumänischen Gesellschaft werde ich nicht besonders gemocht. Ich werde selten eingeladen. Weil ich bis heute über die Zustände in Rumänien zuviel negatives sage, weil es halt so ist. Weil die ganze Nomenklatura, die frühere, und der frühere Geheimdienst - die haben sich die Positionen im ganzen Land aufgeteilt. Und das ist ein ganzes Netz. Die bedienen sich gegenseitig. Und das ist auch eine Erklärung für diese allgegenwärtige Korruption in Rumänien. Und von Demokratie ist Rumänien leider noch ziemlich weit entfernt.

Das hört man nicht gerne in Rumänien. Das ist das ewige Problem. Die im Exil sollen das Maul halten und dann sagt man auch, ich verstehe nichts mehr davon.

[MG] Ihre Sprache ist Deutsch, aber Sie haben auch Rumänische Einflüsse ... wie sieht man das?

[HM] Na ja, die Sprache, das ist ja meine Muttersprache, Deutsch. Aber ich habe sehr spät mit 15 erst Rumänish gelernt in der Stadt, und ich wollte das auch lernen. Und ich mag diese Sprache. Rumänisch ist eine sehr schöne, sinnliche, poetische Sprache. Und von dem Moment an - das war auch vielleicht gut, daβ ich es so spät gelernt habe weil – dann habe ich schon einen Blick dafür gehabt – ich habe gemerkt wieviele Sprachbilder es im Rumänischen gibt, wie groβartig die Metaphorik ist, die gewöhnlichen Sprachbilder, die die Leute im Alltag benutzen, im Aberglauben oder ... in Redewendungen, viele Dinge sind auch gegensätzlich, oder wie die Pflanzen heissen, daβ sie ganz anders heissen als im Deutschen. Das ist ja dann auch ein anderes Blick auf das selbe.. ich habe immer gesehen daβ es zwei Stationen gibt, das eine ist die Station auf meiner Sprache für etwas, und das andere ist diese andere Station. Es ist nicht nur ein anderes Wort, das ist ein anderer Blick. Die Sprache hat andere Augen. Bei mir schreibt das Rumänische immer mit, auch wenn ich nicht auf Rumänisch schreibe, weil ich habe es im Kopf. Und ich habe zwei Blicke aus der anderen Sprache, die sind immer mit dabei. Ich weiβ oft garnicht welche das ist aus dem heraus ich dann schreibe.

[MG] Was empfehlen Sie uns jetzt zuerst von Ihnen zu lesen?

[HM] Was soll ich sagen? Also auf Deutsch würde ich natürlich das letzte Buch empfehlen. Das letzte Buch steht einem immer noch am nächsten. "Die Atemschaukel". [MG] "Die Atemschaukel". Also die Publizität wird jetzt ganz groβ und was halten Sie davon?

[HM] Ja, was kann ich dazu sagen?

[MG]  (lacht)

[HM] Man ist ja kein anderer Mensch. Das hat ja eigentlich mit dem Schreiben selbst nichts zu tun. Ich bin jetzt glücklich, aber ich bleibe auch auf dem Boden. Also, ich ordne das jetzt schön ein. Und in zwei drei Tagen kommt das sogar an. Ich weiβ es ja jetzt, aber ich glaube es noch garnicht. Ich kann das nicht realisieren. Das muss auch so sein. Ich weiβ auch garnicht wieso ich soviel Glück verdiene. Ich denke manchmal, das Glück hat sich geirrt. Vielleicht verdiene ich das auch garnicht. Wieso steht mir das Glück zu?

[MG] Frau Müller, vielen vielen Dank, und viele Glückwünsche ...

[HM] Ja, ich danke Ihnen. Alles Gute.

[MG] Alles Gute. Vielen Dank, tschüs.