Der Kleine Prinz - Teil 3
Ich glaube, daß er zu seiner Flucht einen Zug wilder Vögel benutzt hat. Am Morgen seiner Abreise brachte er seinen Planeten schön in Ordnung. Sorgfältig fegte er seine tätigen Vulkane. Er besaß zwei tätige Vulkane, das war sehr praktisch zum Frühstückkochen. Er besaß auch einen erloschenen Vulkan. Da er sich aber sagte: Man kann nie wissen! fegte er auch den erloschenen Vulkan. Er glaubte nicht, daß er jemals zurückkehren wurde. Aber alle diese vertrauten Arbeiten erschienen ihm an diesem Morgen ungemein süß. Und, als er die Blume zum letztenmal begoß und sich anschickte, sie unter den Schutz der Glasglocke zu stellen, entdeckte er in sich das Bedürfnis zu weinen. »Adieu«, sagte er zur Blume. Aber sie antwortete ihm nicht. »Adieu«, wiederholte er. Die Blume hustete. Aber das kam nicht von der Erkältung. »Ich bin dumm gewesen«, sagte sie endlich zu ihm. »Ich bitte dich um Verzeihung. Versuche, glücklich zu sein.« Es überraschte ihn, daß die Vorwürfe ausblieben. Er stand ganz fassungslos da, mit der Glasglocke in der Hand. Er verstand diese stille Sanftmut nicht.
»Aber ja, ich liebe dich«, sagte die Blume. »Du hast nichts davon gewußt. Das ist meine Schuld. Es ist ganz unwichtig. Aber du warst ebenso dumm wie ich. Versuche, glücklich zu sein … Laß diese Glasglocke liegen! Ich will sie nicht mehr …« »Aber der Wind …« »Ich bin nicht so stark erkältet, daß … Die frische Nachtluft wird mir gut tun. Ich bin eine Blume.« »Aber die Tiere …« »Ich muß wohl zwei oder drei Raupen aushalten, wenn ich die Schmetterlinge kennenlernen will. Auch das scheint sehr schön zu sein. Wer wird mich sonst besuchen? Du bist ja weit weg. Was aber die großen Tiere angeht, so fürchte ich mich nicht. Ich habe meine Krallen.« Und sie zeigt treuherzig ihre vier Dornen. Dann fügte sie noch hinzu: »Zieh es nicht so in die Länge, das ist ärgerlich. (Etwas in die länge ziehen) Du hast dich entschlossen zu reisen. So geh!« Denn sie wollte nicht, daß er sie weinen sähe. Es war eine so stolze Blume.
Er befand sich in der Region der Asteroiden 325, 326, 327, 328, 329 und 330. Er begann also, sie zu besuchen, um sich zu beschäftigen und um sich zu bilden. Auf dem ersten wohnte ein König. Der König thronte in Purpur und Hermelin auf einem sehr einfachen aber dabei sehr königlichen Thron. »Ah! Sieh da, ein Untertan«, rief der König, als er den kleinen Prinzen sah. Und der kleine Prinz fragte sich: Wie kann er mich kennen, da er mich noch nie gesehen hat! Er wußte nicht, daß für die Könige die Welt etwas höchst Einfaches ist: Alle Menschen sind Untertanen. »Herr«, sagte er zu ihm … »ich bitte, verzeiht mir, daß ich Euch frage … worüber herrscht Ihr?« »Über alles«, antwortete der König mit großer Einfachheit. »Über alles?« Der König wies mit einer bedeutsamen Gebärde auf seinen Planeten, auf die anderen Planeten und auf die Sterne. »Über all das?« sagte der kleine Prinz. »Über all das …«, antwortete der König. »Und die Sterne gehorchen Euch?« »Gewiß«, sagte der König. »sie gehorchen aufs Wort. Ich dulde keinen Ungehorsam.«
»Ich möchte einen Sonnenuntergang sehen … Machen Sie mir die Freude … Befehlen Sie der Sonne unterzugehen …« »Deinen Sonnenuntergang wirst du haben. Ich werde ihn befehlen. Aber in meiner Herrscherweisheit werde ich warten, bis die Bedingungen dafür günstig sind.« »Wann wird das sein?« erkundigte sich der kleine Prinz. »Hm, hm!« antwortete der König, der zunächst einen großen Kalender studierte, »hm, hm! Das wird sein gegen … gegen … das wird heute abend gegen sieben Uhr vierzig sein! Und du wirst sehen, wie man mir gehorcht.« Der kleine Prinz gähnte. Es tat ihm leid um den versäumten Sonnenuntergang. Er langweilte sich schon ein bißchen. »Ich habe hier nichts mehr zu tun«, sagte er zum König. »Ich werde wieder abreisen!«
Der zweite Planet war von einem Eitlen bewohnt. »Ah, ah, schau, schau, ein Bewunderer kommt zu Besuch!« rief der Eitle von weitem, sobald er des kleinen Prinzen ansichtig wurde. Denn für die Eitlen sind die anderen Leute Bewunderer. »Guten Tag«, sagte der kleine Prinz. »Sie haben einen spaßigen Hut auf.« »Der ist zum Grüßen«, antwortete ihm der Eitle. »Er ist zum Grüßen, wenn man mir zujauchzt. Unglücklicherweise kommt hier niemand vorbei.« »Ach ja?« sagte der kleine Prinz, der nichts davon begriff. »Schlag deine Hände zusammen«, empfahl ihm der Eitle. Der kleine Prinz schlug seine Hände gegeneinander. Der Eitle grüßte bescheiden, indem er seinen Hut lüftete. Das ist unterhaltender als der Besuch beim König, sagte sich der kleine Prinz. Und er begann von neuem die Hände zusammenzuschlagen. Der Eitle wieder fuhr fort, seinen Hut grüßend zu lüften. Nach fünf Minuten wurde der kleine Prinz der Eintönigkeit dieses Spieles überdrüssig: »Und was muß man tun«, fragte er, »damit der Hut herunterfällt?« Aber der Eitle hörte ihn nicht. Die Eitlen hören immer nur die Lobreden. »Bewunderst du mich wirklich sehr?« fragte er den kleinen Prinzen. »Was heißt bewundern?« »Bewundern heißt erkennen, daß ich der schönste, der bestangezogene, der reichste und der intelligenteste Mensch des Planeten bin.« »Aber du bist doch allein auf deinem Planeten!« »Mach mir die Freude, bewundere mich trotzdem!« »Ich bewundere dich, aber wozu nimmst du das wichtig?« Und der kleine Prinz machte sich davon. (Sich davonmachen) Die großen Leute sind entschieden sehr verwunderlich, stellte er auf seiner Reise fest.
In nächsten Planeten bewohnte ein Säufer. »Was machst du da?« fragte der kleine Prinz den Säufer, den er stumm vor einer Reihe leerer und einer Reihe voller Flaschen sitzend antraf. »Ich trinke«, antwortete der Säufer mit düsterer Miene. »Warum trinkst du?« fragte ihn der kleine Prinz. »Um zu vergessen«, antwortete der Säufer. »Um was zu vergessen?« erkundigte sich der kleine Prinz, der ihn schon bedauerte. »Um zu vergessen, daß ich mich schäme«, gestand der Säufer und senkte den Kopf. »Weshalb schämst du dich?« fragte der kleine Prinz, der den Wunsch hatte, ihm zu helfen. »Weil ich saufe!« endete der Säufer und verschloß sich endgültig in sein Schweigen. Und der kleine Prinz verschwand bestürzt. Die großen Leute sind entschieden sehr, sehr wunderlich, sagte er zu sich auf seiner Reise.