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Rainer Maria Rilke - Gedichte, Im Dome; In der Kapelle St. Wenzels; Vom Lugaus

Im Dome; In der Kapelle St. Wenzels; Vom Lugaus

Im Dome

Wie von Steinen rings, von Erzen

weit der Wände Wölbung funkelt,

eine Heilge, braungedunkelt,

dämmert hinter trüben Kerzen.

Von der Decke, rundgemauert,

schwebt ob eines Engels Kopfe

hell ein weißer Silbertropfe,

drin ein ewig Lichtlein kauert.

Und im Eck, wo Goldgeglaste

niederhangt in staubgen Klumpen,

steht in Schmuzt gehüllt und Lumpen

still ein Kind der Bettlerkaste.

Von dem ganzen Glanze floß ihm

in die Brust kein Fünkchen Segen...

Zitternd, matt, streckt's mit entgegen

seine Hand mit leisem: "Prosim!" In der Kapelle St. Wenzels

Alle Wände in der Halle

voll des Prachtgesteins; wer wüßte

sie zu nennen: Bergkristalle,

Rauchtopase, Amethyste.

Zauberhell wie ein Mirakel

glänzt der Raum im Lichtgetänzel,

unterm goldnen Tabernakel

ruht der Staub des heilgen Wenzel.

Ganz vom Leuchten bis zum Scheitel

ist die Kuppel voll, die hohle:

und der Goldglast sieht sich eitel

in die gelben Karneole.

Vom Lugaus

Dort seh ich Türme, kuppig bald wie Eicheln,

und jene wieder spitz wie schlanke Birnen;

dort liegt die Stadt; an ihre tausend Stirnen

schmiegt sich der Abend schon mit leisem Schmeicheln.

Weit streckt sie ihren schwarzen Leib. Ganz hinten

sieh St. Mariens Doppeltürme blitzen.

Ist's nicht: sie saugte durch zwei Fühlerspitzen

in sich des Himmels violette Tinten?


Im Dome; In der Kapelle St. Wenzels; Vom Lugaus

Im Dome

Wie von Steinen rings, von Erzen

weit der Wände Wölbung funkelt,

eine Heilge, braungedunkelt,

dämmert hinter trüben Kerzen.

Von der Decke, rundgemauert,

schwebt ob eines Engels Kopfe

hell ein weißer Silbertropfe,

drin ein ewig Lichtlein kauert.

Und im Eck, wo Goldgeglaste

niederhangt in staubgen Klumpen,

steht in Schmuzt gehüllt und Lumpen

still ein Kind der Bettlerkaste.

Von dem ganzen Glanze floß ihm

in die Brust kein Fünkchen Segen...

Zitternd, matt, streckt’s mit entgegen

seine Hand mit leisem: "Prosim!" In der Kapelle St. Wenzels

Alle Wände in der Halle

voll des Prachtgesteins; wer wüßte

sie zu nennen: Bergkristalle,

Rauchtopase, Amethyste.

Zauberhell wie ein Mirakel

glänzt der Raum im Lichtgetänzel,

unterm goldnen Tabernakel

ruht der Staub des heilgen Wenzel.

Ganz vom Leuchten bis zum Scheitel

ist die Kuppel voll, die hohle:

und der Goldglast sieht sich eitel

in die gelben Karneole.

Vom Lugaus

Dort seh ich Türme, kuppig bald wie Eicheln,

und jene wieder spitz wie schlanke Birnen;

dort liegt die Stadt; an ihre tausend Stirnen

schmiegt sich der Abend schon mit leisem Schmeicheln.

Weit streckt sie ihren schwarzen Leib. Ganz hinten

sieh St. Mariens Doppeltürme blitzen.

Ist’s nicht: sie saugte durch zwei Fühlerspitzen

in sich des Himmels violette Tinten?