Der deutschen Sprache auf der Spur: Konrad Duden
Fürstentum Reuß im heutigen Thüringen, 1869. Zu jener Zeit ist in der deutschen Sprache ein Orthographiestreit in vollem Gange. Der neue Direktor des Rutheneum genannten Gymnasiums wird hierbei eine entscheidende Rolle spielen ... Konrad Duden.
Er hat die schwierige Aufgabe übernommen, das Gymnasium in Schleiz zu reformieren, um es vor der Schließung zu bewahren. Ihm wird schnell bewusst, dass eine gewaltige Herausforderung vor ihm liegt.
Denn seine Schüler kommen zwar aus einem Umkreis von nur fünfzig Kilometern, sind aber aus sieben verschiedenen deutschen Staaten und sprechen ebenso viele verschiedene Dialekte.
Wie in einem Brennglas zeigt sich am Rutheneum in Schleiz die deutsche Kleinstaaterei und die Vielfalt der deutschen Sprache.
Konrad Duden wird hier den Grundstock für ein epochales Werk schaffen und wird zur Ikone der deutschen Orthographie aufsteigen. Denn bis heute ist der Name Duden das Synonym für die deutsche Rechtschreibung.
Die Probleme mit der Orthographie in Schleiz sind symptomatisch für das gesamte deutschsprachige Gebiet. Zu Dudens Zeit existieren neununddreißig souveräne, meist kleinere Länder, von denen viele ein eigenes Münz-, Maß- und Gewichtssystem besitzen.
Zahlreiche Zollschranken behindern den Handel und Warenverkehr und es gibt weitere Probleme: zu den vielen Dialekten kommt die unterschiedliche Schreibweise einzelner Wörter. Eine verbindliche, einheitliche Rechtschreibung gibt es zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Deshalb ist ein Streit um die richtige Orthographie der deutschen Sprache entbrannt ... und es wird sehr lange dauern, bis man sich auf eine gemeinsame Rechtschreibung der deutschen Sprache einigen kann. Dies liegt auch an ihrer Geschichte.
Die Anfänge der deutschen Sprache sind nur bruchstückhaft überliefert. Zwischen 500 und 700 entwickelten sich aus dem Germanischen die Dialekte, die wir heute „deutsch“ nennen.
Mitteleuropa war zu dieser Zeit ein recht ungastlicher Ort. Das Land war dicht mit Wald bewachsen und die Dörfer und Felder lagen weit verstreut in einem fast undurchdringlichen Dickicht aus grünem Laub. Der Lebenskreis der Menschen war auf den Wohnort und die nähere Umgebung beschränkt.
Jenseits des Dorfes begann für die Germanen das Unbekannte. Dort zu sein, hieß „elilenti“ zu sein. Noch im Mittelhochdeutschen hieß „elende“ die Fremde und noch heute ist einem „elend zumute“, wenn man die Heimat verlassen muss.
Die Wurzel der deutschen Sprache ist das Nordwestgermanische. Das setzt sich zusammen aus zwei Zweigen ... zum einen dem Westgermanischen ... und dazu gehören die heutigen Sprachen Deutsch, Englisch, Niederländisch, Friesisch und Jiddisch ... und zum anderen haben wir das Nordgermanische ... und dazu gehören Schwedisch, Norwegisch, Dänisch und Isländisch.
Vom Klang her ist das Germanische dem heutigen Plattdeutsch ähnlicher als dem Hochdeutschen.
Denn Mitte des ersten Jahrtausends kam es zur hochdeutschen Lautverschiebung ... ein Vorgang, der bis zur Konrad Dudens Zeit noch zu großen Problemen führen sollte.
Die Menschen der südlichen Regionen sprachen nun bestimmte Wörter anders aus. Der Konsonant „p“ wurde zu „f“, „t“ zu „z“ oder „s“, und das „k“ zu „ch“. So wurde aus „Appel“ „Apfel“, „wat“ wurde „was“, und aus „Melk“ wurde „Milch“.
Die hochdeutsche Lautverschiebung hatte Auswirkungen bis in Konrad Dudens Zeit, denn die richtige Schreibweise der verschobenen Laute wird auch für die Orthographiereformer eine Rolle spielen.
Im Weseler Gymnasium wird der Grundstein für Konrad Dudens spätere berufliche Laufbahn gelegt. Hier lernt Duden auch Griechisch und Latein. Zu dieser Zeit ist der Lateinunterricht Pflicht. Über Jahrhunderte prägte er das deutsche Schulsystem. Bis ins späte achtzehnte Jahrhundert war Latein neben Deutsch sogar offizielle Sprache. Dabei hat auch die deutsche Sprache eine lange Geschichte.
Die ersten althochdeutschen Handschriften entstehen in den Jahren nach 700. Geschrieben werden sie von Mönchen. Das sind überhaupt die einzigen, die damals lesen und schreiben konnten. Dementsprechend sind die Texte christlich geprägt. Es handelt sich in erster Linie um Glaubensbekenntnisse, Segensprüche und Bibelübersetzungen.
Es finden sich aber auch vereinzelt Erzählungen und Sagen aus der Welt der heidnischen Götter. Das berühmteste Beispiel sind die Merseburger Zaubersprüche, benannt nach ihrem Fundort, dem Dom zu Merseburg.
Heute nennen wir diese Sprache „Deutsch“ aber als einheitliche Sprache existierte sie damals nicht. Das war eher ein Netzwerk von verwandten Dialekten. Allerdings bemühten sich die Mönche in den Skriptorien ihrer Klöster um eine gewisse Vereinheitlichung der Sprache, zumindest in der Schrift.
Insofern kann man sagen, es waren Pioniere im Dickicht einer Sprache, in der es damals weder Wörterbücher noch Orthographieregeln oder Grammatiken gab.
Die Mönche griffen auf das lateinische Alphabet zurück, dessen Zeichen aber nicht immer zu den urtümlichen deutschen Lauten passten. So schufen die Mönche das „w“, das im Lateinischen nicht vorkommt, aus einem doppelten „u“. Noch heute heißt deshalb der Buchstabe im Englischen „double-u“.
Die Mönche kombinierten aber auch Buchstaben wie „s“, „c“ und „h“ zu den Lauten „sch“ und „ch“. Das älteste Zeugnis der deutschen Sprache ist das „Abrogans“ genannte lateinisch-deutsche Wörterverzeichnis, das um 760 von Mönchen in Freising geschrieben wurde. Das Original existiert nicht mehr, aber eine wunderschöne Abschrift aus dem späten achten Jahrhundert ist in der Klosterbibliothek Sankt Gallen erhalten.
Im frühen achten Jahrhundert tauchten dann auch erstmals Glossen auf. Das sind Texte, die als deutsche Übersetzungen, unter die Wörter oder an den Rand der lateinischen Handschriften geschrieben wurden.
Da es zu dieser Zeit keine deutsche Rechtschreibung gab, entwickelte jedes Kloster sein eigenes Schreibsystem. Dementsprechend viele Varianten finden sich in den alten Schriften. Eine einheitliche Orthographie für die deutsche Sprache wird erst mehrere hundert Jahre später durch die Mithilfe Konrad Dudens entstehen.