Liedertext in österreichischem (hier: Wiener) Dialekt

Vor einiger Zeit hat ein Forumsmitglied gemeint (ich weiß leider nicht mehr, wer das war), dass es gerne einmal Texte im Dialekt lesen würde. (Man muss im Deutschen hier wirklich “es” schreiben, weil ich mich auf “das” Mitglied beziehe).

Da ich gerade versucht habe, ein wenig Ordnung in meine CD-Sammlung zu bringen und dabei auf eine CD von Ostbahn Kurti (eine von dem Künstler Willi Resetarits erschaffene Kunstfigur) gestoßen bin, dachte ich mir, ich könnte einen kurzen Liedertext von dieser CD verwenden, um einige typische Wiener Ausdrücke zu erklären.

Ich bin mir dessen bewusst, dass solche Texte Leuten, die erst begonnen haben, sich mit der deutschen Sprache zu beschäftigen, wahrscheinlich nicht viel bringen werden - zumindest, was das Erlernen der deutschen Standardsprache anbelangt. Aber vielleicht sind solche Texte ein Anreiz, sich ein wenig mit der Vielfalt einer Sprache auseinanderzusetzen.

Ich werde versuchen, den Text auch ins Hochdeutsche zu übersetzen. Falls Interesse besteht, kann ich auch eine Tonaufnahme des Liedtextes machen (keine Sorge, ich werde nicht singen, sondern den Text einfach lesen ;-)). Da es für den Dialekt keine einheitliche Regelung für die Verschriftung gibt, sind manche Wörter wahrscheinlich erst zu verstehen, wenn man sie hört.

Hier nun der Text, zuerst im Dialekt:

NEICHE SCHOIN
(M&T: B. Gibbons/D. Hill/F. Beard/dt. Text: O. Kurti)

Neichs Hemd - totschick
Heit host a Leiberl heit mochst an Stich
Sakko - schneeweiß
Des fahrt ins Aug, vua allm am Kragn der Preis

Du waaßt die Fraun tuan da heit jedn Gfalln
Weu du bist zum Schneiden scharf
In deina neichn Schoin

Drei Ring - fast echt
Heit bist da Prinz, heit bist da große Hecht
De Bock - Paris,
Du liegst vua dir, wannst di im Spiegel siechst

Du waaßt die Fraun tuan da heit jedn Gfalln
Weu du bist zum Schneiden scharf
In deina neichn Schoin

Dei Huat - echt guat
Do traut se kana sogt a falsches Wuat
De Schoin - de fetzt
Vua allm de Totenköpf auf de Manschettenknöpf

Du waaßt die Fraun tuan da heit jedn Gfalln
Weu du bist zum Schneiden scharf
In deina neichn Schoin

Und jetzt auf Hochdeutsch:

Neue Kleidung

Neues Hemd - todschick
Heute hast du gute Chancen, heute klappt es
Sakko - schneeweiß
Das springt ins Auge, vor allem am Kragen der Preis

Du weißt, die Frauen tun dir heute jeden Gefallen,
denn heute bist du zum Schneiden scharf
in deiner neuen Kleidung

Drei Ringe - beinahe echt,
heute bist du der Prinz, heute bist du der große Hecht,
De Bock - Paris,
du liegst vor dir, wenn du dich im Spiegel siehst

Du weißt, die Frauen tun dir heute jeden Gefallen,
denn heute bist du zum Schneiden scharf
in deiner neuen Kleidung

Dein Hut - echt gut,
da traut sich keiner, ein falsches Wort zu sagen,
diese Kleidung - die hat es in sich,
vor allem die Totenköpfe auf den Manschettenknöpfen

Du weißt, die Frauen tun dir heute jeden Gefallen,
denn du bist zum Schneiden scharf
in deiner neuen Kleidung


Obwohl ich im Süden Österreichs wohne, wo ein ganz anderer Dialekt gesprochen wird, haben wir in meiner Familie immer eine Mischung aus nordösterreichischen Dialekten gesprochen (Wiener, niederösterreichischer und oberösterreichischer Dialekt), die mir vom Klang her auch heute noch vertrauter sind.

Ich werde jetzt versuchen, einige Ausdrücke zu erklären:

“de Schoin”

Dieser Ausdruck steht wörtlich für “die Schale”, also das Äußere. Die “Schale” eines Menschen ist in diesem Fall die Kleidung, das, was man am Körper trägt. Man sagt im Standarddeutschen auch: sich in Schale werfen.

Ich werfe mich in Schale (sich schön, elegant kleiden) = i hau mi in de Schoin (Dialekt)

“heit mochst an Stich” = heute hast du Erfolg, heute klappt es
(“heute machst du einen Stich”)

Diese Formulierung kommt aus dem Kartenspiel. “Einen Stich machen” bedeutet, die Karte eines Gegenspielers zu stechen, also dass die eigene Karte einen höheren Wert im Spiel hat und man daher die Karte des Gegenspielers einziehen kann.

Als idiomatische Formulierung wird dieser Ausdruck meist in Zusammenhang mit Flirts verwendet.

Beispiel: Bei der neuen Mitarbeiterin machst du sicher keinen Stich (bei der wirst du nicht landen, nicht erfolgreich sein).

“a Leiberl hobn” = ein Leiberl haben

Leiberl ist das österreichische Wort für T-Shirt. Der Ausdruck “a Leiberl hobn” bedeutet, dass man gute Chancen hat, bei einer Sache erfolgreich zu sein. In diesem Liedtext geht es um die Erfolgschancen beim Flirt mit dem weiblichen Geschlecht.

Der Ausdruck kommt aus dem Sport. Beim Fußball sagen wir in Österreich anstatt Trikot sehr oft “Leiberl”, das Fußball-Leiberl.

Wer in die Mannschaft aufgenommen wird bzw. wer bei einem Spiel zum Einsatz kommt, der bekommt ein Leiberl, er trägt also ein Trikot. Er bekommt somit eine Chance von seinem Trainer.

Man sagt auch oft: “kein Leiberl haben” (keine Chance haben).

So könnte man zum Beispiel bei einem Boxkampf sagen, dass einer der Kämpfer gegen den anderen “kein Leiberl hat”, also chancenlos ist.

Wenn man meint, dass man bei einer Stellenbewerbung chancenlos ist, könnte man auch sagen: Da brauch ich mich gar nicht zu bewerben, gegen die anderen Bewerber habe ich kein Leiberl.

“zum Schneiden scharf” = das ist ein Wortspiel in Anspielung an eine scharfe Klinge eines Messers zum Beispiel.

“scharf sein” = äußerst anziehend wirken, attraktiv sein

Ein umgangssprachlicher Ausdruck wäre: “eine scharfe Braut” (eine äußerst attraktive Frau). Man verwendet das manchmal auch für Dinge. Heute wird dieser Ausdruck, vor allem von jungen Leuten, meist durch das beinahe schon allgegenwärtige “geil” ersetzt (das im Übrigen in meiner Jugendzeit noch eine völlig andere Bedeutung hatte).

“da große Hecht sein” = die häufigere Formulierung lautet “ein toller Hecht sein” und geht auf das Sprichwort “Ein Hecht in einem Karpfenteich” zurück. Grundsätzlich wird damit ein Mann bezeichnet, der als “toller, cooler Mann” gilt.

“de Schoin - de fetzt” (= diese Kleidung sieht wirklich toll aus)

Wenn “etwas fetzt”, dann ist es toll, super.

Das ist im Dialekt ein Verb, zu dem es kein wirkliches Pendant in der Hochsprache gibt. Man kann das meiner Meinung nach nur mit einem Adjektiv umschreiben.

“du liegst vua dir” = du liegst vor dir (du findest dich selbst so toll, dass du vor dir liegst)

Meistens wird dies so verwendet, dass man davon spricht, dass man “vor einem anderen liegt”.

Beispiel: Peter spielt drei Musikinstrumente - ein Wahnsinn. Vor solchen Leuten liege ich.
(Es klingt im Dialekt besser als im Hochdeutschen).

Die Formulierung hat ihren Ursprung wohl darin, dass man früher als Zeichen der Ehrerbietung vor jemandem liegen (Untertanen vor Königen zum Beispiel) oder zumindest knien musste.


Ich hoffe, ein paar Leute finden diesen Eintrag nützlich oder interessant, auch wenn er zugegebenermaßen für Deutschlernende auf den ersten Blick nicht so hilfreich erscheinen mag.

2 Likes

@ Robert

"Falls Interesse besteht, kann ich auch eine Tonaufnahme des Liedtextes machen "

Mit einer Tonaufnahme, wäre das eine super Lektion!

Die Deutsche Sprache ist so reich an Dialekten und Begriffen, welche von der Standardsprache abweichen.

Danke für Deinen Beitrag!

j:-)

Danke Robert. Ich habe deinen Beitrag gelesen und das Audio auf YouTube gefunden. Ich kann kein gutes Wörterbuch online finden, aber ich denke, man kann solches Buch in Thalia kaufen.

There is even an audio course on the Onleihe where I’m used to borrow books from: http://www.onleiheverbundhessen.de/verbund_hessen/frontend/mediaInfo,0-91-352460070-200-0-0-0-0-0-0-0.html

Ich weiß jetzt nun wirklich nicht, warum ich hier eben auf Englisch geantwortet habe …

ad Colin: (…) Ich habe das Wörterbuch zu Hause :slight_smile:

Im Dialekt lassen sich manche Dinge einfach so viel anschaulicher formulieren. Zum Beispiel die Wiener Formulierung: Geh kum, loss mi aunglahnt.

Wörtlich auf Hochdeutsch: Ach, komm, lass mich angelehnt.

Der Spruch bedeutet in etwa: Lass mich doch in Ruhe.

So wie man ein Fahrrad an eine Wand anlehnt zum Beispiel und das Fahrrad dann dort ungestört stehen kann, genauso möchte man von anderen in Ruhe gelassen werden, wenn man sagt: geh kum, loss mi aunglahnt.

Eine herrliche Formulierung, finde ich.

ad Vera: Ach, der Hader, der ist schon eine Klasse für sich.