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Wunderbare Jahre (Full Transcript, Video, Audio), Wunderbare Jahre I.4: Die Spinnen Die Hippies

Wunderbare Jahre I.4: Die Spinnen Die Hippies

OPENING SEQUENCE

(Alte Fotos von Norma und Jack, aus dem Jahr, in dem sie sich kennenlernten, bis zur Gegenwart.)

Als meine Eltern sich kennenlernten, hörten alle noch die Andrew Sisters. Alle bekamen Kinder und alle mochten Ike Eisenhower. Alle wußten, wenn sie nur hart genug arbeiteten und alles richtig machten, würde ein paradisisches Familienleben vor ihnen liegen. Wobei ich finde, "paradisisch" ist ein ziemlich dehnbarer Begriff. INT. TAG. KÜCHE

(Karen kommt in die Küche. Das Radio auf ihrer Schulter ist voll aufgedreht. Der Song ist "Foxy Lady" von Jimi Hendrix.) NORMA (übertönt schreiend den Lärm): Mach diesen Krach aus!

KAREN (schreit zurück): Dieser "Krach" ist der beste Gitarrist der ganzen Welt. NORMA: Und ich bin die beste Köchin der ganzen Welt. Und jetzt mach das leise, bevor wir alle schwere Gehirnschäden kriegen.

KAREN: Weißt du was, Mom, ich wohne zufällig auch hier und wenn ich nunmal gern laut Musik höre...

JACK (wütend): Deine Mutter hat gesagt, du sollst das leise machen, also mach es gefälligst auch leiser.

KAREN: Ich weiß, was sie gesagt hat.

(Alle schreien durcheinander.)

Meine Schwester - dieser süße, kleine, blonde Engel, hatte sich in etwas verwandelt, das meinen Eltern noch fremder war als ein . Das einzige, worin die drei übereinstimmten war die Auffassung, die beste Art einander etwas mitzuteilen sei, sich die Lunge aus dem Hals zu schreien. Und die beste Art, einander zuzuhören, sei ebenfalls, sich die Lunge aus dem Hals zu schreien.

INT. TAG. KLASSENZIMMER

(Miss White, Kevin's Literaturlehrerin, redet über die Bedeutung von Werten. Das Wort "Values" ("Werte") steht an der Tafel.) MISS WHITE: "Werte". In der Literatur gibt es sehr oft das Aufeinanderprallen verschiedener...

(Pause)

KLASSE: Werte.

MISS WHITE: Gut. Wer vermittelt uns unsere Werte?

(Winnie - in der ersten Reihe - meldet sich.)

MISS WHITE: Winnie?

WINNIE: Die Schule?

MISS WHITE: Ja!

(schreibt "School" ("Schule") an die Tafel.) MISS WHITE: Und wer sonst noch?

(Kevin - in der zweiten Reihe - meldet sich.)

MISS WHITE: Kevin?

KEVIN: Zum Beispiel unsere Eltern.

MISS WHITE: Ja, richtig. Sehr gut, Kevin. Eltern.

(sie schreibt auch "Parents" ("Eltern") an die Tafel.) MISS WHITE: Wer noch?

MÄDCHEN: Die Beatles?

(alle lachen)

MISS WHITE (begeistert): Ja, das ist wirklich gut. Wir beziehen sehr viele unserer Neigungen und Werte von unseren kulturellen Idolen!

(auch das kommt an die Tafel.)

MISS WHITE: Weiter! Fällt euch noch etwas anderes ein, das uns vielleicht auch Werte vermittelt?

(lange Pause, obwohl Miss White ein Buch hochhält)

MÄDCHEN: Das Fernsehen.

MISS WHITE: Was haltet ihr von Büchern?

KLASSE: Ach Bücher - natürlich.

MISS WHITE: Sind wir uns denn immer darüber einig, welche Werte die wahren sind?

(Joey Santano meldet sich.)

Das war Joey Santano. Er wartete immer darauf, daß Miss White eine wirklich einfache, rhetorische Frage stellte...

JOEY: Ja!

...um dann die falsche Antwort zu geben.

MISS WHITE: Irgendjemand anders?

(Paul meldet sich)

MISS WHITE: Ja, Mr. Pfeiffer?

PAUL: Nein.

MISS WHITE: Gut. Sind Werte Wandlungen unterworfen? Sagen wir, von Generation zu Generation?

(Ein Mädchen in der ersten Reihe, rechts von Winnie, meldet sich.)

Christine Hanson. Sie gab immer diese wohlüberlegten, druckreif formulierten, ausgesprochen inspirierten Antworten. Uns wurde immer ganz schlecht. Aber die Lehrer liebten sie.

CHRISTINE: Ja, Miss White. Es gibt Werte, die sich von Generation zu Generation verändern. Aber ich finde, es sind die aufrechtigen, menschlichen Werte, auf die es ankommt. Und die sind durch alle Epochen hindurch die gleichen.

MISS WHITE: Das ist wirklich gut, Christine. Okay.

(dreht sich zur Tafel um und sagt leise mit zusammengebissenen Lippen:)

MISS WHITE: Nervensäge!

(dreht sich wieder der Klasse zu. Christine setzt sich lächelnd, sichtlich zufrieden mit sich selbst.)

MISS WHITE: Gut, weiter. Wenn wir nun etwas lesen und wir die Figuren, die uns begegnen, einschätzen, wie beurteilen wir, welche von deren Werten sich ändern sollten und welche auf der anderen Seite, wie Christine so geistreich formuliert hat, aufrichtig und zeitlos sind?

Das ist zu jeder Zeit eine knifflige Frage. Aber 1968...

MISS WHITE: Ja, Christine?

CHRISTINE: Darf ich austreten gehen?

...1968 wußte nicht mal Christine Hanson die Antwort.

(Im Hintergrund beginnt eine Frauenstimme, "The Answer is Blowing In The Wind" zu singen ...) EXT. TAG. AUF DER WIESE VOR DEM HAUS DER ARNOLDS

(Es ist Karen, die auf der Gitarre spielt und dazu singt. Kevin und Paul spielen auf der Straße Football. Ein kleiner, bunter Kleinbus fährt langsam näher. )

Und doch wurde diese Frage 1968 - vielleicht stärker als nie zuvor - aktuell. Nehmen wir doch mal die Geschichte von meiner Schwester, Karen, und Louis. Seit zwei Wochen hörten wir nur noch: "Louis sagt dies" und "Louis sagt das". Und dann, eines Tages, lernten wir ihn alle kennen.

(Der Kleinbus parkt vor dem Haus der Arnolds und ein junger Mann in Hippiekleidung steigt aus.)

Das war Louis. Er war im sechsten Semester an der State University. Er wollte in Politologie promovieren, er war aktiv in Studentenausschüssen und zahlreichen ehrenamtlichen sozialen Aufgaben. Aber das wußt' ich nicht. Ich wußte nur, daß er an meiner Schwester klebte wie Schimmel am Käse.

(Karen und Louis liegen im Gras und küssen sich unentwegt. Kevin und Paul sehen zu - Kevin angeekelt, Paul dagegen eher interessiert.)

PAUL: Wow!

KEVIN: Paul, sie ist meine Schwester!

PAUL: Na und? Sie ist aber nicht meine Schwester.

Trotz Karens rebellischer Haltung und Unabhängigkeit - oder vielleicht gerade deswegen -, wurde ich das Gefühl nicht los, daß sie meinen Schutz brauchte.

KEVIN (leise und zerknirscht; zu Paul): Geh da hinten hin!

(Paul läuft näher an Karen und Louis, die inzwischen aufgestanden sind aber zu Kevin's Ärger trotzdem nicht aufgehört haben, sich unentwegt zu küssen. - Kevin wirft Paul den Football zu, trifft aber eher weniger durch Zufall Karen und Louis. Karen sieht ihn zornig an.)

KEVIN (ruft): Entschuldigung!

Ich weiß nicht, was ich an Louis nicht leiden konnte. Er hatte wohl irgendetwas an sich, das ich nicht verstand. Etwas, das meine Schwester von uns wegzog.

INT. TAG. WOHNZIMMER (Kevin sitzt auf dem Teppich vor dem Fernseher.)

FERNSEHER: Verschwinden Sie hier und lassen Sie meine Frau in Ruhe!

(Karen und Louis kommen Arm in Arm ins Wohnzimmer.)

KAREN: Das ist auf dem Collegegelände. Außerdem ist morgen Wochentag. Meine Eltern - es gibt wieder einen riesen Aufstand.

LOUIS: Ich kenn da ein paar vietnamesische Bauern die wahrscheinlich finden, es ist einen Aufstand wert.

KAREN: Ich kann echt nicht zu der Demo gehen. Nicht heute.

LOUIS: Okay.

KAREN: Kevin, schalt endlich dieses dämliche Ding aus!

KEVIN: Ich war zuerst hier!

LOUIS: Laß ihn doch fernsehen. Ich mag diese alten faschistoiden Filme. Die wirken doch heute wie ihre eigene Parodie.

(setzt sich auf die Couch, nimmt das Telefon und wählt eine Nummer. Karen ist in die Küche gegangen und auch Kevin will gerade gehen.)

LOUIS: Hallo. Ich bin's. Ja, klar war's schön, Marissa. Marissa?

Sagte er gerade, es war schön mit Marissa?

LOUIS: Hör zu - heute um halb acht ziehen wir von der zum Regierungsgebäude und äh... Was? Natürlich kannst du bei mir pennen.

Und daß sie bei ihm pennen könnte? LOUIS: Okay, gut. Ich liebe dich auch.

Und daß er sie liebte? Ja, wo gab's denn sowas? So ein Kotzbrocken. Nicht nur, daß er sich an meiner Schwester festgesetzt hatte wie Schimmel in einem feuchten Keller. Nein - er hatte auch noch Zweit- und Drittkeller! Ich war außer mir.

LOUIS: Ich hol dich dann um sieben ab. Bis dann.

(Louis legt auf. Kevin steht neben der Couch und sieht ihn wütend an.)

KEVIN: Louis, würdest du wohl mit mir mal einen Augenblick vor die Tür gehen?

LOUIS (verängstigt zurückweichend): Mein Gott, was meinen Sie denn?

KEVIN: Ich hab dich durchschaut, Louis.

LOUIS (Stottert): Ich weiß gar nicht, was sie von mir wollen.

(Kevin verprügelt Louis und wirft ihn über die Couch.)

KEVIN: Wie schmeckt dir das, du hinterhältiger, nichtsnutziger, hasenfüßiger Strolch?

(zu Karen, die aus der Küche gerannt kam)

KEVIN: Sei nicht traurig, Kleines. Er hat nichts getaugt.

KAREN (umarmt Kevin): Oh Kevin! Ich bin so glücklich darüber, deine Schwester zu sein! Ich mache ab jetzt auch immer dein Bett, versprochen!

(Schnitt. Kevin steht immernoch neben der Couch. Louis steht auf und steht direkt vor Kevin - er ist mindestens doppelt so groß.)

LOUIS (freundlich): Was kann ich für dich tun?

KEVIN (zerknirscht): Wer ist Marissa ?

LOUIS (überrascht): Eine Freundin.

KEVIN: Was für eine Freundin?

LOUIS (belustigst): Willst du wissen, ob ich mit ihr ins Bett gehe?

(angeekelt): Mußte er so deutlich werden?

LOUIS: Du bist wohl Kevin, häh? Du hast gerade gehört, wie ich mit Marissa telefoniert habe. Willst du mich verprügeln? Mir irgendwas antun? Kevin, deine Schwester und ich, wir lieben einander, aber es ist eine offene und vertrauensvolle Liebe. Wir gehören einander nicht so wie eine Kuh einem Bauern gehört. Verstehst du das?

KEVIN (V/O): Ja. Und wenn es das Tierschutzgesetz nicht gäbe, würdest du auch Kühe und Gänse bei dir pennen lassen.

LOUIS: Kevin, ich kann meine Liebe mit deiner Schwester teilen. Und sie teilt ihre Liebe mit mir. Deshalb kann ich doch meine Liebe auch noch mit Marissa teilen.

Das war'n ja eine Menge Teilnehmer. Ich hatte das Gefühl, daß jeder ziemlich kleine Portionen bekam.

KEVIN (immer noch wütend): Weiß Karen etwas davon?

KAREN (kommt wieder ins Wohnzimmer): Louis, nervt er dich?

(setzt sich zu Louis. Sie beginnen wieder, sich zu küssen.)

KAREN: Kevin, würde es dir was ausmachen, woanders spielen zu gehen?

LOUIS: Es ist doch alles bestens. Wir haben gerade über Beziehungen gesprochen. Ich hab mit Marissa geredet. Sie schafft es, mitzugehen.

KAREN: Ach, gut. Dann muß ich ja nicht mehr so ein schlechtes Gewissen haben.

Sie wußte tatsächlich von Marissa! Also nun war ich wirklich völlig durcheinander. Ich mußte die Initiative ergreifen, meinen Standpunkt vertreten - etwas tun. Ich hatte nur nicht die geringste Ahnung, was.

KAREN: Kevin, willst du die ganze Zeit da stehen?

KEVIN (zögernd): Ja.

(Das stört Karen und Louis aber gar nicht. - Kurze Ausblendung, dann die gleiche Szene. Derselbe Raum, dieselben Personen.)

Ich sah Louis und meiner Schwester ungefähr 20 Minuten beim Knutschen zu. Irgendwann fühlte ich mich wie das fünfte Rad am Wagen. Glücklicherweise hatte mein Unterbewußtsein einen Plan geschmiedet.

INT. TAG. KÜCHE (Norma sitzt in der Küche und bereitet das Abendessen vor.)

KEVIN (zu NORMA): Louis ist da.

NORMA: Was?

KEVIN: Ja. Er ist im Wohnzimmer. Mit Karen. Willst du ihn nicht mal sehen?

NORMA: Wenn deine Schwester möchte, daß ich ihn kennenlern, stellt sie ihn mir schon vor. Ich will ihr nicht in ihr Leben reinreden.

Wirklich nicht ? Wäre es vielleicht ein kleiner Ansporn zu wissen, daß sich dieser Kerl durch die weibliche Hälfe des systems hindurcharbeitet?

NORMA: Wie ist er denn?

Volltreffer.

KEVIN: Er ist beunruhigend.

NORMA: Was?

Kevin, du benutzt doch sonst nicht solche Wörter.

KEVIN: Ich weiß ja auch nicht.

NORMA: Was soll das bedeuten, "er ist beunruhigend"? Kevin, was soll das bedeuten?

KEVIN: Sei nicht gleich sauer auf mich!

Hehe. Wenn ich den Kerl schon nicht selber aufhalten konnte, konnte ich zumindest meine Truppen in Bewegung setzen.

(Karen und Louis kommen lachend - und natürlich wieder Arm in Arm - in die Küche.)

KAREN: Mom, das ist Louis. Louis, das ist meine Mom.

NORMA (lachend): Hallo Louis! Nett Sie kennenzulernen.

KAREN: Mom, haben wir Karotten?

NORMA: Ja Schatz, wir haben Karotten. Aber ich habe gedacht, vielleicht begrüße ich erstmal deinen Freund...

LOUIS: Freut mich sehr, Sie kennenzulernen.

NORMA: ... bevor wir . Also ich mache gerade Abendessen, Louis. Es gibt Huhn. Vielleicht möchten Sie ja bleiben.

LOUIS: Das ist wirklich sehr freundlich, aber um ehrlich zu sein ...

KAREN: Louis ißt kein Fleisch.

LOUIS: Es ist nichts aufregendes. Ich hab einfach etwas gegen Massentierhaltung - das ist alles.

Natürlich. Gänse bei sich pennen lassen, aber keine Hühner essen wollen.

NORMA: Oh, wenn Sie m”chten, können Sie gern bleiben und sich den Bauch mit Salat und Gemüse vollschlagen.

LOUIS: Danke. Vielleicht...vielleicht nehm ich ihr Angebot an.

NORMA: So - Sie essen gar kein Fleisch?

LOUIS (lachend): Nein, wirklich nicht.

Ha. Jetzt würde ihn meine Mutter gleich als den Heuchler entlarven, der er war.

LOUIS: Und, Mrs. Arnold, was machen Sie so?

NORMA: Ähm, wie meinen Sie das?

LOUIS: Sie wissen schon - was Sie arbeiten.

NORMA: Oh, ach so, das. Was ich arbeite...Gar nichts. Ich meine...ich bin Hausfrau.

LOUIS: Und das nennen Sie gar nichts?

NORMA: Da haben Sie wahrhaftig recht. Ich hab oft wirklich reichlich zu tun.

LOUIS: Das glaube ich. Finden Sie das befriedigend?

NORMA (schockiert): Befriedigend?! (lacht)

Für wen hielt dieser Typ sich eigentlich? Fragt der doch glatt, ob sie ihr Leben befriedigend findet.

NORMA: Darüber habe ich glaub ich noch nie nachgedacht.

KAREN: Dann wird's endlich Zeit, Mom. Hilfe.

LOUIS: Waren Sie auf dem College, Mrs. Arnold?

NORMA: Oh ja. Mein Hauptfach war Geschichte. Aber ich habe gleich im ersten Jahr Karens Vater kennengelernt und dann aufgehört.

LOUIS: Tut Ihnen das nicht leid?

NORMA (lacht): Oh nein!

LOUIS: Das ist toll. Ich meine, viele Frauen finden es demütigend, ein Leben lang ihren Mann und ihre Kinder zu bedienen.

Okay.

Gleich würde Mom diesen Kerl fertigmachen.

(Norma schlägt sehr kräftig auf das Fleisch, von dem ein Stück auf Louis' Hose fliegt. Norma eilt sofort hinzu und holt es wieder zurück.)

NORMA: Oh!! Mein Gott! Das tut mir ja schrecklich leid. Wo Sie auch noch Vegetarier sind. Also wirklich! Ich bin ja so ein Trampel. Entschuldigen Sie.

Das war ja nicht zu fassen! Warum entschuldigte sie sich bei ihm?

KEVIN (laut, zu Louis): Meine Mom bedient uns sehr gerne!

INT. TAG. KEVINS UND WAYNES ZIMMER

(Kevin und Wayne sitzen auf einem Bett. Wayne sieht sich eine Zeitschrift an und beginnt, etwas herauszuschneiden. )

KEVIN: Dieser Louis ist ein Oberblödmann!

Gut, geschichtlich betrachtet war Wayne nicht unbedingt mein Ansprechpartner in Krisenzeiten, aber unter dem Strich war Wayne mein Bruder. Und wenn es darum ging, unsere Sippe zu beschützen, hielten wir zusammen wie Pech und Schwefel.

WAYNE: Dann ist er eben ein Blödmann. Ist doch nur Karen.

KEVIN: Aber er hat doch Mom beschimpft!

WAYNE: Na und?

KEVIN: Und er ist ein Anarchist! Du kennst doch diese Kerle!

WAYNE: Und wenn schon.

KEVIN: Und er und Karen sind ein Liebespaar! Ich bin mir nicht sicher, ob Karen davon weiß, aber er hat noch eine andere Geliebte. Sie heißt Marissa.

WAYNE (begeistert): Wow! Zwei Geliebte? Ich wette, sie treiben's in seinem Kleinbus. Ich schwör dir, ich hab ihn schon mal mächtig schaukeln sehen. Weißt du was? Wir könnten ein Loch reinbohren und eine Kamera aufbauen ! Ich könnte wetten, manchmal, wenn er's mit Karen treibt, schreit er: "Oh Gott, Marissa, Marissa ! Oh Gott !" Aber eine letzte Hoffnung gab es noch...

INT. ABEND. ESSZIMMER

(Die ganze Familie und Louis sitzen am Tisch und essen.)

JACK: Hallo Louis. Freut mich sehr.

...und es war mehr als nur eine Hoffnung. Es war Dad. Die Festungsmauer des Familienwiderstandes. Jetzt würde nichts mehr schiefgehen. Dad würde sich diesen Kerl vorknöpfen. Jetzt würden die Arnold-Männer fest zusammenhalten.

(Kevin sieht zu Wayne)

Naja, sagen wir, einige der Arnold-Männer.

JACK (sieht auf Louis' Teller): Was denn, kein Huhn? KEVIN: Louis ißt kein Fleisch, Dad.

Ich dachte, ich erwähne das beiläufig.

JACK (Mißbilligend): Kein Fleisch, Louis?

LOUIS: Nein. Fleisch...Fleisch törnt mich nicht besonders an.

WAYNE (leise, zu Kevin gebeugt): Da hab ich aber was anderes gehört, Mann.

JACK: Kein Fleisch, nein? Kaum zu fassen.

Ich weußte es. Dad würde diesen Typen in seine Einzelteile zerlegen wie ein Fleischer eine Schweinehälfte.

NORMA: Ich weiß jetzt, warum die Wendenburghs (?) nicht bei Brians Beerdigung waren. Sie waren in Chicago. Dick's (?) Mutter hatte einen Schlaganfall. (zu LOUIS) Einer von den Nachbarjungen ist vor einigen Wochen in Vietnam umgekommen.

LOUIS: Jaja, ich weiß. Ich meine, Karen hat es mir erzählt. (leise) Ein sinnloser Tod.

JACK: Was haben Sie gesagt?

LOUIS: Ich...ich hab nur gemeint...es ist doch ein Jammer, wenn ein Junge praktisch grundlos stirbt.

NORMA: Mag noch einer Broccoli?

JACK: Ich finde es nicht sinnlos, wenn ein junger Mann für die Freiheit und für sein Land stirbt.

LOUIS: Ich denke nur, es fällt doch schwer, den Tod für eine Regierung zu rechtfertigen, die ihre Bürger systematisch unterdrückt.

NORMA (eilig): Oh Schatz, koste doch mal die Kartoffeln. Ich habe Käse draufgerieben.

JACK: Was soll denn das jetzt schon wieder heißen?

KAREN: Das bedeutet, daß die US-Regierung unter anderen verantwortlich ist für die Unterdrückung von Schwarzen, von Frauen, der Meinungsfreiheit...

JACK: Junge Dame, vielleicht würdest du ja gern mal eine Weile in Rußland leben.

LOUIS: Ich glaube, Karen wollte eigentlich sagen, daß...

JACK: Hören Sie zu, Freundchen, ich bin zufällig der Meinung, Demokratie und Freiheit haben Vorteile, die kommunistischen Diktaturen fehlen, und das ist der Punkt, um den es in Vietnam geht.

LOUIS: Nein, das wollen die einem mit ihrer Gehirnwäsche nur weismachen. Die...die machen die Leute zu verblendeten Vollidioten.

Irgendwas sagte mir, daß sich mein Vater an seinem Abendbrottisch nicht kommentarlos einen verblendeten Vollidioten nennen lassen würde.

JACK: So, Sie halten mich also für einen verblendeten Vollidioten? LOUIS: Nein, nein. Nur, ich denke, daß alle Leute, die den amerikanischen Krieg in Vietnam unterstützen, einfach hinter's Licht geführt werden. JACK: Ah ja.

LOUIS: So wie damals in Korea.

JACK: Was wissen Sie denn schon über Korea! Ich war in Korea und viele gute Freunde sind nicht zurückgekehrt...

KAREN: Dad, das hat doch mit dem, was wir meinen, nichts zu tun.

JACK:...und die waren nicht verblendet! Das waren tapfere Männer, die für ihre Ziele gekämpf haben. Wenn Sie zu feige sind zu kämpfen, sagen Sie's doch. Geben Sie's zu - Sie haben Schiß! LOUIS: Sie haben verdammt recht. Ich habe Schiß. Ich will nicht sterben wie Ihre Freunde. Was glauben Sie denn, was sie da unten erreicht haben, mmh ? Glauben Sie, daß diese Leute jetzt frei sind ? Die kennen keine Freiheit ! Außer der Freiheit, Coca Cola und Erdnußbutter zu kaufen und von der Bank Kredite zu kriegen.

JACK: Das ist doch Mist!

LOUIS: Sie sind benutzt worden, genau wie ihre Freunde.

JACK: Das ist doch Mist!

KAREN: Daddy, du hörst uns doch nie richtig zu. Einiges von dem, was wir sagen, ist die Wahrheit.

LOUIS: Sie dürfen diese Toten nicht hinnehmen und schon gar nicht rechtfertigen. Es ist unrecht. Ihre Freunde sollten noch leben. Sie sollten lieber ihr Essen genießen und sich mit ihren Kindern zanken, so wie Sie grade.

JACK: Was wissen Sie denn schon? Wer sind Sie denn daß Sie so reden? LOUIS: Seh'n Sie das hier? (Er steht auf und zeigt Jack einen Einberufungsbescheid.)

LOUIS: Das ist meine Einberufung. In zwei Wochen kann ich entweder in den Knast oder hoch nach Kanada oder ich gehe und lasse mich durchlöchern, wie ihr Freund Brian Cooper. Und wenn Sie weiterhin so denken wie jetzt, Mr. Arnold, sind Ihre Jungs die nächsten. Die Frage ist nur, ob Sie das auch wollen. Entschuldigen Sie mich.

(Louis und Karen stehen auf und verlassen das Zimmer.)

Und so ging Karen schließlich mit Louis weg. Dad, Mom und ich blieben mit unseren Gedanken zurück.

WAYNE: Kann ich ihre Kartoffeln haben?

Und Wayne blieb mit sich selbst zurück.

INT. NACHT. KEVINS UND WAYNES ZIMMER

(Die Kamera zeigt erst Wayen und läuft langsam hinüber zu Kevin's Bett. Beide schlafen.)

Wer hatte recht und wer unrecht ? Naja. Ich bin inzwischen angeblich erwachsen und habe darauf immernoch keine Antwort. Aber es gibt einen Punkt, spät am Abend, kurz vor dem Einschlafen, wo sich die Vorstellungen und Meinungsverschiedenheiten irgendwie auflösen und man nur noch die Menschen sieht. Die Menschen waren damals nicht anders, als sie es immer waren und immer sein werden.

EXT. NACHT. VOR DEM HAUS DER ARNOLDS

(Der Kleinbus hält vor dem Haus. Louis sitzt am Steuer, Karen auf dem Beifahrersitz.)

KAREN (weint): Du hast mir gesagt du liebst sie, du hast aber nicht gesagt, daß du mit ihr schläfst!

(Karen steigt aus und schlägt die Tür zu. Louis fährt ohne ein weiteres Wort weiter.)

Die Herzen junger Mädchen werden gebrochen...

INT. NACHT. SCHLAFZIMMER DER ELTERN

(Norma sitzt auf dem Bett, Jack schaut aus dem Fenster.)

...Männer und Frauen leiden jeder für sich wegen der Entscheidungen, die sie getroffen haben...

INT. NACHT. KEVINS UND WAYNES ZIMMER.

(Wayne und Kevin schlafen friedlich.)

...und Jungen, voller Verwirrung, voller Angst, voller Liebe und Mut werden im Verborgenen größer. Während sie schlafen.

CLOSING TITLES


Wunderbare Jahre I.4: Die Spinnen Die Hippies Wonderful Years I.4: The Spiders The Hippies Anos Maravilhosos I.4: As Aranhas Os Hippies Wonderful Years I.4: The Spiders The Hippies

OPENING SEQUENCE

(Alte Fotos von Norma und Jack, aus dem Jahr, in dem sie sich kennenlernten, bis zur Gegenwart.)

Als meine Eltern sich kennenlernten, hörten alle noch die Andrew Sisters. Alle bekamen Kinder und alle mochten Ike Eisenhower. Alle wußten, wenn sie nur hart genug arbeiteten und alles richtig machten, würde ein paradisisches Familienleben vor ihnen liegen. Wobei ich finde, "paradisisch" ist ein ziemlich dehnbarer Begriff. INT. TAG. KÜCHE

(Karen kommt in die Küche. Das Radio auf ihrer Schulter ist voll aufgedreht. Der Song ist "Foxy Lady" von Jimi Hendrix.) NORMA (übertönt schreiend den Lärm): Mach diesen Krach aus!

KAREN (schreit zurück): Dieser "Krach" ist der beste Gitarrist der ganzen Welt. NORMA: Und ich bin die beste Köchin der ganzen Welt. Und jetzt mach das leise, bevor wir alle schwere Gehirnschäden kriegen.

KAREN: Weißt du was, Mom, ich wohne zufällig auch hier und wenn ich nunmal gern laut Musik höre...

JACK (wütend): Deine Mutter hat gesagt, du sollst das leise machen, also mach es gefälligst auch leiser.

KAREN: Ich weiß, was sie gesagt hat.

(Alle schreien durcheinander.)

Meine Schwester - dieser süße, kleine, blonde Engel, hatte sich in etwas verwandelt, das meinen Eltern noch fremder war als ein ****. Das einzige, worin die drei übereinstimmten war die Auffassung, die beste Art einander etwas mitzuteilen sei, sich die Lunge aus dem Hals zu schreien. Und die beste Art, einander zuzuhören, sei ebenfalls, sich die Lunge aus dem Hals zu schreien.

INT. TAG. KLASSENZIMMER

(Miss White, Kevin's Literaturlehrerin, redet über die Bedeutung von Werten. Das Wort "Values" ("Werte") steht an der Tafel.) MISS WHITE: "Werte". In der Literatur gibt es sehr oft das Aufeinanderprallen verschiedener...

(Pause)

KLASSE: Werte.

MISS WHITE: Gut. Wer vermittelt uns unsere Werte?

(Winnie - in der ersten Reihe - meldet sich.)

MISS WHITE: Winnie?

WINNIE: Die Schule?

MISS WHITE: Ja!

(schreibt "School" ("Schule") an die Tafel.) MISS WHITE: Und wer sonst noch?

(Kevin - in der zweiten Reihe - meldet sich.)

MISS WHITE: Kevin?

KEVIN: Zum Beispiel unsere Eltern.

MISS WHITE: Ja, richtig. Sehr gut, Kevin. Eltern.

(sie schreibt auch "Parents" ("Eltern") an die Tafel.) MISS WHITE: Wer noch?

MÄDCHEN: Die Beatles?

(alle lachen)

MISS WHITE (begeistert): Ja, das ist wirklich gut. Wir beziehen sehr viele unserer Neigungen und Werte von unseren kulturellen Idolen!

(auch das kommt an die Tafel.)

MISS WHITE: Weiter! Fällt euch noch etwas anderes ein, das uns vielleicht auch Werte vermittelt?

(lange Pause, obwohl Miss White ein Buch hochhält)

MÄDCHEN: Das Fernsehen.

MISS WHITE: Was haltet ihr von Büchern?

KLASSE: Ach Bücher - natürlich.

MISS WHITE: Sind wir uns denn immer darüber einig, welche Werte die wahren sind?

(Joey Santano meldet sich.)

Das war Joey Santano. Er wartete immer darauf, daß Miss White eine wirklich einfache, rhetorische Frage stellte...

JOEY: Ja!

...um dann die falsche Antwort zu geben.

MISS WHITE: Irgendjemand anders?

(Paul meldet sich)

MISS WHITE: Ja, Mr. Pfeiffer?

PAUL: Nein.

MISS WHITE: Gut. Sind Werte Wandlungen unterworfen? Sagen wir, von Generation zu Generation?

(Ein Mädchen in der ersten Reihe, rechts von Winnie, meldet sich.)

Christine Hanson. Sie gab immer diese wohlüberlegten, druckreif formulierten, ausgesprochen inspirierten Antworten. Uns wurde immer ganz schlecht. Aber die Lehrer liebten sie.

CHRISTINE: Ja, Miss White. Es gibt Werte, die sich von Generation zu Generation verändern. Aber ich finde, es sind die aufrechtigen, menschlichen Werte, auf die es ankommt. Und die sind durch alle Epochen hindurch die gleichen.

MISS WHITE: Das ist wirklich gut, Christine. Okay.

(dreht sich zur Tafel um und sagt leise mit zusammengebissenen Lippen:)

MISS WHITE: Nervensäge!

(dreht sich wieder der Klasse zu. Christine setzt sich lächelnd, sichtlich zufrieden mit sich selbst.)

MISS WHITE: Gut, weiter. Wenn wir nun etwas lesen und wir die Figuren, die uns begegnen, einschätzen, wie beurteilen wir, welche von deren Werten sich ändern sollten und welche auf der anderen Seite, wie Christine so geistreich formuliert hat, aufrichtig und zeitlos sind?

Das ist zu jeder Zeit eine knifflige Frage. Aber 1968...

MISS WHITE: Ja, Christine?

CHRISTINE: Darf ich austreten gehen?

...1968 wußte nicht mal Christine Hanson die Antwort.

(Im Hintergrund beginnt eine Frauenstimme, "The Answer is Blowing In The Wind" zu singen ...) EXT. TAG. AUF DER WIESE VOR DEM HAUS DER ARNOLDS

(Es ist Karen, die auf der Gitarre spielt und dazu singt. Kevin und Paul spielen auf der Straße Football. Ein kleiner, bunter Kleinbus fährt langsam näher. )

Und doch wurde diese Frage 1968 - vielleicht stärker als nie zuvor - aktuell. Nehmen wir doch mal die Geschichte von meiner Schwester, Karen, und Louis. Seit zwei Wochen hörten wir nur noch: "Louis sagt dies" und "Louis sagt das". Und dann, eines Tages, lernten wir ihn alle kennen.

(Der Kleinbus parkt vor dem Haus der Arnolds und ein junger Mann in Hippiekleidung steigt aus.)

Das war Louis. Er war im sechsten Semester an der State University. Er wollte in Politologie promovieren, er war aktiv in Studentenausschüssen und zahlreichen ehrenamtlichen sozialen Aufgaben. Aber das wußt' ich nicht. Ich wußte nur, daß er an meiner Schwester klebte wie Schimmel am Käse.

(Karen und Louis liegen im Gras und küssen sich unentwegt. Kevin und Paul sehen zu - Kevin angeekelt, Paul dagegen eher interessiert.)

PAUL: Wow!

KEVIN: Paul, sie ist meine Schwester!

PAUL: Na und? Sie ist aber nicht meine Schwester.

Trotz Karens rebellischer Haltung und Unabhängigkeit - oder vielleicht gerade deswegen -, wurde ich das Gefühl nicht los, daß sie meinen Schutz brauchte.

KEVIN (leise und zerknirscht; zu Paul): Geh da hinten hin!

(Paul läuft näher an Karen und Louis, die inzwischen aufgestanden sind aber zu Kevin's Ärger trotzdem nicht aufgehört haben, sich unentwegt zu küssen. - Kevin wirft Paul den Football zu, trifft aber eher weniger durch Zufall Karen und Louis. Karen sieht ihn zornig an.)

KEVIN (ruft): Entschuldigung!

Ich weiß nicht, was ich an Louis nicht leiden konnte. Er hatte wohl irgendetwas an sich, das ich nicht verstand. Etwas, das meine Schwester von uns wegzog.

INT. TAG. WOHNZIMMER (Kevin sitzt auf dem Teppich vor dem Fernseher.)

FERNSEHER: Verschwinden Sie hier und lassen Sie meine Frau in Ruhe!

(Karen und Louis kommen Arm in Arm ins Wohnzimmer.)

KAREN: Das ist auf dem Collegegelände. Außerdem ist morgen Wochentag. Meine Eltern - es gibt wieder einen riesen Aufstand.

LOUIS: Ich kenn da ein paar vietnamesische Bauern die wahrscheinlich finden, es ist einen Aufstand wert.

KAREN: Ich kann echt nicht zu der Demo gehen. Nicht heute.

LOUIS: Okay.

KAREN: Kevin, schalt endlich dieses dämliche Ding aus!

KEVIN: Ich war zuerst hier!

LOUIS: Laß ihn doch fernsehen. Ich mag diese alten faschistoiden Filme. Die wirken doch heute wie ihre eigene Parodie.

(setzt sich auf die Couch, nimmt das Telefon und wählt eine Nummer. Karen ist in die Küche gegangen und auch Kevin will gerade gehen.)

LOUIS: Hallo. Ich bin's. Ja, klar war's schön, Marissa. Marissa?

Sagte er gerade, es war schön mit Marissa?

LOUIS: Hör zu - heute um halb acht ziehen wir von der **** zum Regierungsgebäude und äh... Was? Natürlich kannst du bei mir pennen.

Und daß sie bei ihm pennen könnte? LOUIS: Okay, gut. Ich liebe dich auch.

Und daß er sie liebte? Ja, wo gab's denn sowas? So ein Kotzbrocken. Nicht nur, daß er sich an meiner Schwester festgesetzt hatte wie Schimmel in einem feuchten Keller. Nein - er hatte auch noch Zweit- und Drittkeller! Ich war außer mir.

LOUIS: Ich hol dich dann um sieben ab. Bis dann.

(Louis legt auf. Kevin steht neben der Couch und sieht ihn wütend an.)

KEVIN: Louis, würdest du wohl mit mir mal einen Augenblick vor die Tür gehen?

LOUIS (verängstigt zurückweichend): Mein Gott, was meinen Sie denn?

KEVIN: Ich hab dich durchschaut, Louis.

LOUIS (Stottert): Ich weiß gar nicht, was sie von mir wollen.

(Kevin verprügelt Louis und wirft ihn über die Couch.)

KEVIN: Wie schmeckt dir das, du hinterhältiger, nichtsnutziger, hasenfüßiger Strolch?

(zu Karen, die aus der Küche gerannt kam)

KEVIN: Sei nicht traurig, Kleines. Er hat nichts getaugt.

KAREN (umarmt Kevin): Oh Kevin! Ich bin so glücklich darüber, deine Schwester zu sein! Ich mache ab jetzt auch immer dein Bett, versprochen!

(Schnitt. Kevin steht immernoch neben der Couch. Louis steht auf und steht direkt vor Kevin - er ist mindestens doppelt so groß.)

LOUIS (freundlich): Was kann ich für dich tun?

KEVIN (zerknirscht): Wer ist Marissa ?

LOUIS (überrascht): Eine Freundin.

KEVIN: Was für eine Freundin?

LOUIS (belustigst): Willst du wissen, ob ich mit ihr ins Bett gehe?

(angeekelt): Mußte er so deutlich werden?

LOUIS: Du bist wohl Kevin, häh? Du hast gerade gehört, wie ich mit Marissa telefoniert habe. Willst du mich verprügeln? Mir irgendwas antun? Kevin, deine Schwester und ich, wir lieben einander, aber es ist eine offene und vertrauensvolle Liebe. Wir gehören einander nicht so wie eine Kuh einem Bauern gehört. Verstehst du das?

KEVIN (V/O): Ja. Und wenn es das Tierschutzgesetz nicht gäbe, würdest du auch Kühe und Gänse bei dir pennen lassen.

LOUIS: Kevin, ich kann meine Liebe mit deiner Schwester teilen. Und sie teilt ihre Liebe mit mir. Deshalb kann ich doch meine Liebe auch noch mit Marissa teilen.

Das war'n ja eine Menge Teilnehmer. Ich hatte das Gefühl, daß jeder ziemlich kleine Portionen bekam.

KEVIN (immer noch wütend): Weiß Karen etwas davon?

KAREN (kommt wieder ins Wohnzimmer): Louis, nervt er dich?

(setzt sich zu Louis. Sie beginnen wieder, sich zu küssen.)

KAREN: Kevin, würde es dir was ausmachen, woanders spielen zu gehen?

LOUIS: Es ist doch alles bestens. Wir haben gerade über Beziehungen gesprochen. Ich hab mit Marissa geredet. Sie schafft es, mitzugehen.

KAREN: Ach, gut. Dann muß ich ja nicht mehr so ein schlechtes Gewissen haben.

Sie wußte tatsächlich von Marissa! Also nun war ich wirklich völlig durcheinander. Ich mußte die Initiative ergreifen, meinen Standpunkt vertreten - etwas tun. Ich hatte nur nicht die geringste Ahnung, was.

KAREN: Kevin, willst du die ganze Zeit da stehen?

KEVIN (zögernd): Ja.

(Das stört Karen und Louis aber gar nicht. - Kurze Ausblendung, dann die gleiche Szene. Derselbe Raum, dieselben Personen.)

Ich sah Louis und meiner Schwester ungefähr 20 Minuten beim Knutschen zu. Irgendwann fühlte ich mich wie das fünfte Rad am Wagen. Glücklicherweise hatte mein Unterbewußtsein einen Plan geschmiedet.

INT. TAG. KÜCHE (Norma sitzt in der Küche und bereitet das Abendessen vor.)

KEVIN (zu NORMA): Louis ist da.

NORMA: Was?

KEVIN: Ja. Er ist im Wohnzimmer. Mit Karen. Willst du ihn nicht mal sehen?

NORMA: Wenn deine Schwester möchte, daß ich ihn kennenlern, stellt sie ihn mir schon vor. Ich will ihr nicht in ihr Leben reinreden.

Wirklich nicht ? Wäre es vielleicht ein kleiner Ansporn zu wissen, daß sich dieser Kerl durch die weibliche Hälfe des ****systems hindurcharbeitet?

NORMA: Wie ist er denn?

Volltreffer.

KEVIN: Er ist beunruhigend.

NORMA: Was?

Kevin, du benutzt doch sonst nicht solche Wörter.

KEVIN: Ich weiß ja auch nicht.

NORMA: Was soll das bedeuten, "er ist beunruhigend"? Kevin, was soll das bedeuten?

KEVIN: Sei nicht gleich sauer auf mich!

Hehe. Wenn ich den Kerl schon nicht selber aufhalten konnte, konnte ich zumindest meine Truppen in Bewegung setzen.

(Karen und Louis kommen lachend - und natürlich wieder Arm in Arm - in die Küche.)

KAREN: Mom, das ist Louis. Louis, das ist meine Mom.

NORMA (lachend): Hallo Louis! Nett Sie kennenzulernen.

KAREN: Mom, haben wir Karotten?

NORMA: Ja Schatz, wir haben Karotten. Aber ich habe gedacht, vielleicht begrüße ich erstmal deinen Freund...

LOUIS: Freut mich sehr, Sie kennenzulernen.

NORMA: ... bevor wir ****. Also ich mache gerade Abendessen, Louis. Es gibt Huhn. Vielleicht möchten Sie ja bleiben.

LOUIS: Das ist wirklich sehr freundlich, aber um ehrlich zu sein ...

KAREN: Louis ißt kein Fleisch.

LOUIS: Es ist nichts aufregendes. Ich hab einfach etwas gegen Massentierhaltung - das ist alles.

Natürlich. Gänse bei sich pennen lassen, aber keine Hühner essen wollen.

NORMA: Oh, wenn Sie m”chten, können Sie gern bleiben und sich den Bauch mit Salat und Gemüse vollschlagen.

LOUIS: Danke. Vielleicht...vielleicht nehm ich ihr Angebot an.

NORMA: So - Sie essen gar kein Fleisch?

LOUIS (lachend): Nein, wirklich nicht.

Ha. Jetzt würde ihn meine Mutter gleich als den Heuchler entlarven, der er war.

LOUIS: Und, Mrs. Arnold, was machen Sie so?

NORMA: Ähm, wie meinen Sie das?

LOUIS: Sie wissen schon - was Sie arbeiten.

NORMA: Oh, ach so, das. Was ich arbeite...Gar nichts. Ich meine...ich bin Hausfrau.

LOUIS: Und das nennen Sie gar nichts?

NORMA: Da haben Sie wahrhaftig recht. Ich hab oft wirklich reichlich zu tun.

LOUIS: Das glaube ich. Finden Sie das befriedigend?

NORMA (schockiert): Befriedigend?! (lacht)

Für wen hielt dieser Typ sich eigentlich? Fragt der doch glatt, ob sie ihr Leben befriedigend findet.

NORMA: Darüber habe ich glaub ich noch nie nachgedacht.

KAREN: Dann wird's endlich Zeit, Mom. Hilfe.

LOUIS: Waren Sie auf dem College, Mrs. Arnold?

NORMA: Oh ja. Mein Hauptfach war Geschichte. Aber ich habe gleich im ersten Jahr Karens Vater kennengelernt und dann aufgehört.

LOUIS: Tut Ihnen das nicht leid?

NORMA (lacht): Oh nein!

LOUIS: Das ist toll. Ich meine, viele Frauen finden es demütigend, ein Leben lang ihren Mann und ihre Kinder zu bedienen.

Okay.

Gleich würde Mom diesen Kerl fertigmachen.

(Norma schlägt sehr kräftig auf das Fleisch, von dem ein Stück auf Louis' Hose fliegt. Norma eilt sofort hinzu und holt es wieder zurück.)

NORMA: Oh!! Mein Gott! Das tut mir ja schrecklich leid. Wo Sie auch noch Vegetarier sind. Also wirklich! Ich bin ja so ein Trampel. Entschuldigen Sie.

Das war ja nicht zu fassen! Warum entschuldigte sie sich bei ihm?

KEVIN (laut, zu Louis): Meine Mom bedient uns sehr gerne!

INT. TAG. KEVINS UND WAYNES ZIMMER

(Kevin und Wayne sitzen auf einem Bett. Wayne sieht sich eine Zeitschrift an und beginnt, etwas herauszuschneiden. )

KEVIN: Dieser Louis ist ein Oberblödmann!

Gut, geschichtlich betrachtet war Wayne nicht unbedingt mein Ansprechpartner in Krisenzeiten, aber unter dem Strich war Wayne mein Bruder. Und wenn es darum ging, unsere Sippe zu beschützen, hielten wir zusammen wie Pech und Schwefel.

WAYNE: Dann ist er eben ein Blödmann. Ist doch nur Karen.

KEVIN: Aber er hat doch Mom beschimpft!

WAYNE: Na und?

KEVIN: Und er ist ein Anarchist! Du kennst doch diese Kerle!

WAYNE: Und wenn schon.

KEVIN: Und er und Karen sind ein Liebespaar! Ich bin mir nicht sicher, ob Karen davon weiß, aber er hat noch eine andere Geliebte. Sie heißt Marissa.

WAYNE (begeistert): Wow! Zwei Geliebte? Ich wette, sie treiben's in seinem Kleinbus. Ich schwör dir, ich hab ihn schon mal mächtig schaukeln sehen. Weißt du was? Wir könnten ein Loch reinbohren und eine Kamera aufbauen ! Ich könnte wetten, manchmal, wenn er's mit Karen treibt, schreit er: "Oh Gott, Marissa, Marissa ! Oh Gott !" Aber eine letzte Hoffnung gab es noch...

INT. ABEND. ESSZIMMER

(Die ganze Familie und Louis sitzen am Tisch und essen.)

JACK: Hallo Louis. Freut mich sehr.

...und es war mehr als nur eine Hoffnung. Es war Dad. Die Festungsmauer des Familienwiderstandes. Jetzt würde nichts mehr schiefgehen. Dad würde sich diesen Kerl vorknöpfen. Jetzt würden die Arnold-Männer fest zusammenhalten.

(Kevin sieht zu Wayne)

Naja, sagen wir, einige der Arnold-Männer.

JACK (sieht auf Louis' Teller): Was denn, kein Huhn? KEVIN: Louis ißt kein Fleisch, Dad.

Ich dachte, ich erwähne das beiläufig.

JACK (Mißbilligend): Kein Fleisch, Louis?

LOUIS: Nein. Fleisch...Fleisch törnt mich nicht besonders an.

WAYNE (leise, zu Kevin gebeugt): Da hab ich aber was anderes gehört, Mann.

JACK: Kein Fleisch, nein? Kaum zu fassen.

Ich weußte es. Dad würde diesen Typen in seine Einzelteile zerlegen wie ein Fleischer eine Schweinehälfte.

NORMA: Ich weiß jetzt, warum die Wendenburghs (?) nicht bei Brians Beerdigung waren. Sie waren in Chicago. Dick's (?) Mutter hatte einen Schlaganfall. (zu LOUIS) Einer von den Nachbarjungen ist vor einigen Wochen in Vietnam umgekommen.

LOUIS: Jaja, ich weiß. Ich meine, Karen hat es mir erzählt. (leise) Ein sinnloser Tod.

JACK: Was haben Sie gesagt?

LOUIS: Ich...ich hab nur gemeint...es ist doch ein Jammer, wenn ein Junge praktisch grundlos stirbt.

NORMA: Mag noch einer Broccoli?

JACK: Ich finde es nicht sinnlos, wenn ein junger Mann für die Freiheit und für sein Land stirbt.

LOUIS: Ich denke nur, es fällt doch schwer, den Tod für eine Regierung zu rechtfertigen, die ihre Bürger systematisch unterdrückt.

NORMA (eilig): Oh Schatz, koste doch mal die Kartoffeln. Ich habe Käse draufgerieben.

JACK: Was soll denn das jetzt schon wieder heißen?

KAREN: Das bedeutet, daß die US-Regierung unter anderen verantwortlich ist für die Unterdrückung von Schwarzen, von Frauen, der Meinungsfreiheit...

JACK: Junge Dame, vielleicht würdest du ja gern mal eine Weile in Rußland leben.

LOUIS: Ich glaube, Karen wollte eigentlich sagen, daß...

JACK: Hören Sie zu, Freundchen, ich bin zufällig der Meinung, Demokratie und Freiheit haben Vorteile, die kommunistischen Diktaturen fehlen, und das ist der Punkt, um den es in Vietnam geht.

LOUIS: Nein, das wollen die einem mit ihrer Gehirnwäsche nur weismachen. Die...die machen die Leute zu verblendeten Vollidioten.

Irgendwas sagte mir, daß sich mein Vater an seinem Abendbrottisch nicht kommentarlos einen verblendeten Vollidioten nennen lassen würde.

JACK: So, Sie halten mich also für einen verblendeten Vollidioten? LOUIS: Nein, nein. Nur, ich denke, daß alle Leute, die den amerikanischen Krieg in Vietnam unterstützen, einfach hinter's Licht geführt werden. JACK: Ah ja.

LOUIS: So wie damals in Korea.

JACK: Was wissen Sie denn schon über Korea! Ich war in Korea und viele gute Freunde sind nicht zurückgekehrt...

KAREN: Dad, das hat doch mit dem, was wir meinen, nichts zu tun.

JACK:...und die waren nicht verblendet! Das waren tapfere Männer, die für ihre Ziele gekämpf haben. Wenn Sie zu feige sind zu kämpfen, sagen Sie's doch. Geben Sie's zu - Sie haben Schiß! LOUIS: Sie haben verdammt recht. Ich habe Schiß. Ich will nicht sterben wie Ihre Freunde. Was glauben Sie denn, was sie da unten erreicht haben, mmh ? Glauben Sie, daß diese Leute jetzt frei sind ? Die kennen keine Freiheit ! Außer der Freiheit, Coca Cola und Erdnußbutter zu kaufen und von der **** Bank Kredite zu kriegen.

JACK: Das ist doch Mist!

LOUIS: Sie sind benutzt worden, genau wie ihre Freunde.

JACK: Das ist doch Mist!

KAREN: Daddy, du hörst uns doch nie richtig zu. Einiges von dem, was wir sagen, ist die Wahrheit.

LOUIS: Sie dürfen diese Toten nicht hinnehmen und schon gar nicht rechtfertigen. Es ist unrecht. Ihre Freunde sollten noch leben. Sie sollten lieber ihr Essen genießen und sich mit ihren Kindern zanken, so wie Sie grade.

JACK: Was wissen Sie denn schon? Wer sind Sie denn daß Sie so reden? LOUIS: Seh'n Sie das hier? (Er steht auf und zeigt Jack einen Einberufungsbescheid.)

LOUIS: Das ist meine Einberufung. In zwei Wochen kann ich entweder in den Knast oder hoch nach Kanada oder ich gehe und lasse mich durchlöchern, wie ihr Freund Brian Cooper. Und wenn Sie weiterhin so denken wie jetzt, Mr. Arnold, sind Ihre Jungs die nächsten. Die Frage ist nur, ob Sie das auch wollen. Entschuldigen Sie mich.

(Louis und Karen stehen auf und verlassen das Zimmer.)

Und so ging Karen schließlich mit Louis weg. Dad, Mom und ich blieben mit unseren Gedanken zurück.

WAYNE: Kann ich ihre Kartoffeln haben?

Und Wayne blieb mit sich selbst zurück.

INT. NACHT. KEVINS UND WAYNES ZIMMER

(Die Kamera zeigt erst Wayen und läuft langsam hinüber zu Kevin's Bett. Beide schlafen.)

Wer hatte recht und wer unrecht ? Naja. Ich bin inzwischen angeblich erwachsen und habe darauf immernoch keine Antwort. Aber es gibt einen Punkt, spät am Abend, kurz vor dem Einschlafen, wo sich die Vorstellungen und Meinungsverschiedenheiten irgendwie auflösen und man nur noch die Menschen sieht. Die Menschen waren damals nicht anders, als sie es immer waren und immer sein werden.

EXT. NACHT. VOR DEM HAUS DER ARNOLDS

(Der Kleinbus hält vor dem Haus. Louis sitzt am Steuer, Karen auf dem Beifahrersitz.)

KAREN (weint): Du hast mir gesagt du liebst sie, du hast aber nicht gesagt, daß du mit ihr schläfst! KAREN (crying): You told me you loved her, but you didn't say you were sleeping with her!

(Karen steigt aus und schlägt die Tür zu. (Karen gets out and slams the door. Louis fährt ohne ein weiteres Wort weiter.) Louis drives on without another word.)

Die Herzen junger Mädchen werden gebrochen... Young girls' hearts are broken ...

INT. NACHT. SCHLAFZIMMER DER ELTERN

(Norma sitzt auf dem Bett, Jack schaut aus dem Fenster.)

...Männer und Frauen leiden jeder für sich wegen der Entscheidungen, die sie getroffen haben... ... men and women each suffer for the choices they have made ...

INT. NACHT. KEVINS UND WAYNES ZIMMER.

(Wayne und Kevin schlafen friedlich.)

...und Jungen, voller Verwirrung, voller Angst, voller Liebe und Mut werden im Verborgenen größer. ... and boys, full of confusion, full of fear, full of love and courage, grow taller in secret. Während sie schlafen.

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