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www.deutschland.de, Völkerverständigung mit Tempo 320

Völkerverständigung mit Tempo 320

Die neue Hocheschwindigkeitslinie zwischen Frankreich und Deutschland soll dem Flugzeug Konkurrenz machen – und verbindet zwei Völker noch enger.

Auf ein Croissant an die Seine, zum Rundgang durch Notre-Dame oder zum Museumsbesuch in den Louvre: Für die Menschen aus Frankfurt am Main ist Paris jetzt viel näher gerückt. Die neue Hochgeschwindigkeitsstrecke die seit dem 10. Juni Frankreich und Deutschland verbindet, hat die Fahrtzeiten drastisch von sechs auf vier Stunden verkürzt.

So schnell reist es sich auf dem Luftweg kaum, kalkuliert man die An- und Abreise zum Flughafen und die Zeit zum Einchecken mit ein. Die neue Banhlinie aber macht nicht nur dem Flugzeug Konkurrenz: Sie verbindet auch zwei Völker. Sonntagmorgen, halb neun: Bahn-Vorstand Karl-Friedrich Rausch hebt in der Bahnsteighalle des Frankfurter Hauptbahnhofs die Kelle. Ein Pfiff, und los geht's in Richtung Frankreich. Es ist der erste reguläre ICE auf der neuen Hochgeschwindigkeitsstrecke Frankfurt-Paris. Mit mehr als 400 Fahrgästen ist die Premierefahrt ausgebucht. Ein gutes Zeichen: Die Bahn hofft, mit der neuen Verbindung die Zahl der Kunden auf dieser Strecke um 50 Prozent auf 1,5 Millionen im Jahr erhöhen zu können. Dafür wurde viel Aufwand getrieben: 28 Millionen Euro soll allein die Zulassung des ICE in Frankreich gekostet haben.

Triebköpfe mussten umgebaut, Werkstätten vorbereitet und Mitarbeiter zweisprachig mit den Dienstanweisungen beider Länder vertraut gemacht werden. 99 Euro kosten die billigsten Tickets für die Zwei-Länder-Fahrt. Wer fährt an diesem Sonntagmorgen nach Paris? Neben Journalisten und Bahn-Mitarbeitern auch viele private Reisende. Ein junger Mann aus Heidelberg etwa, der ein Vorstellungsgespräch in Frankreich hat.

Eine Dame aus Le Mans, die in Speyer Verwandte besuchte und nun wieder heimreist. Eine dunkelhaarige junge Frau verabschiedet sich am Bahnsteig leidenschaftlich von einem jungen Mann. Sie wolle, sagt sie mit französischem Akzent, zu ihren Eltern, die neben Paris wohnten. Ein französischsprachiger Stammtisch aus Mannheim hat sich gleifalls nach Paris aufgemacht und köpft gerade eine Flasche Champagner.

Bummeln und Kunst genießen

Paris – das ist für viele Deutsche auch Romantik, die Stadt der Liebe, die jetzt nicht mehr ganz so weit entfernt liegt. Gleich mehrere Paare aus Deutschland sind im über 300 Stundenkilometer schnellen Zug zum Kurztrip an die Seine unterwegs. Manche von ihnen haben die Paris-Fahrt als romantisches Geburststagsgeschenk gebucht. Wir bleiben vier Tage, wollen geniessen, Kunst sehen, bummeln, freut sich eines der weiblichen Geburtstagskinder.

Deutschland entdecken

Draußen zieht Lothringen vorbei, der Zug passiert die Weltkriegsschlachtfelder, die Weinberge der Champagne. Die Strecke erinnert an die höchst wechselhafte Geschichte des Verhältnisses zwischen Frankreich und Deutschland. Die Verbesserung der Beziehungen war schliesslich das zentrale Ziel der Vereinbarung von La Rochelle, mit der der frühere Bundeskanzler Helmut Kohl und der ehemalige französische Staatspräsident François Mitterand seinerzeit den Bau der Schnellfahrstrecke besiegelten Seither ist viel geplant und investiert worden: 5,5 Milliarden Euro allein auf französischer Seite. Dabei soll der Stahl von acht Eiffeltürmer verbaut und die Erdmasse von neun Ärmelkanaltunneln bewegt worden sein.

Bahnökonomisch Wahnsinn, hiess es zum Start der Strecke in einer deutschen Zeitung, aber psychologisch, völkerfreundschaftlich, ja menschheitsgeschichtlich gar nicht hoch genug einzuschätzen. Die Franzosen könnten jetzt lernen, dass Deutschland keineswegs irgendwo in Skandinavien liege, auch auf deutscher Seite werde mehr interesse geweckt.

München ist künftiges Ziel

Die neue Strecke gleicht einem liegenden Ypsilon, dessen Stamm von Paris aus 300 Kilometer nach Osten führt und sich gabelt. Ab hier teilen sich ICE und TGV die Arbeit: Auf einem nordlichen Ast pendelt der ICE nach Saarbrücken Kaisers autern, Mannheim, Frankfurt am Main und zurück nach Paris.

Im Süden übernimmt der TGV die Verbindung nach Strassburg, Karlsruhe, Stuttgart und zurück. Zum Fahrplanwechsel im Dezember, mit dem auch die Fahrtzeit noch einmal um ein paar Minuten verringert werden soll, ist außerdem einmal am Tag eine Verlängerung der Linie bis nach München geplant.

Mit dem ersten Zug der neuen Schnellverbindung fährt auch die deutsch-französische Sängerin Patricia Kaas, auf dem Schoss ihr Malteser Hündschen. Schon in Saarbrücken, direkt an der deutsch-französischen Grenze, steigt sie aus. Sie ist einer der Stars, die zur Eröffnungsfahrt in allen Städten an der neuen Strecke auftreten. Ich hoffe aber, dass ich den schnellen Zug in Zukunft öfter benutzen kann, sagt sie.

Gegen halb eins werden die Häuser, die vor den Fenstern vorüberziehen, langsam höher. Montmartre ist zu erkennen, der im Norden von Paris gelegene Hügel. Am Bahnsteig im Gare de l'Est warten eine Blaskapelle und jede Menge Menschen mit Blumen. Applaus brande auf, als der Hochgeschwindigkeitszug einfährt. Das sommerliche Wetter passt zum Ereignis: Der Himmel über Paris ist blau.

Völkerverständigung mit Tempo 320 International understanding at speed 320 Tarptautinis supratimas dideliu greičiu 320 Międzynarodowe zrozumienie przy 320 km/h Compreensão internacional a alta velocidade 320 320公里/小时的国际理解

Die neue Hocheschwindigkeitslinie zwischen Frankreich und Deutschland soll dem Flugzeug Konkurrenz machen – und verbindet zwei Völker noch enger.

Auf ein Croissant an die Seine, zum Rundgang durch Notre-Dame oder zum Museumsbesuch in den Louvre: Für die Menschen aus Frankfurt am Main ist Paris jetzt viel näher gerückt. Круассан на берегу Сены, экскурсия в Нотр-Дам или посещение Лувра: для жителей Франкфурта-на-Майне Париж стал намного ближе. Die neue Hochgeschwindigkeitsstrecke die seit dem 10. Juni Frankreich und Deutschland verbindet, hat die Fahrtzeiten drastisch von sechs auf vier Stunden verkürzt.

So schnell reist es sich auf dem Luftweg kaum, kalkuliert man die An- und Abreise zum Flughafen und die Zeit zum Einchecken mit ein. Die neue Banhlinie aber macht nicht nur dem Flugzeug Konkurrenz: Sie verbindet auch zwei Völker. Sonntagmorgen, halb neun: Bahn-Vorstand Karl-Friedrich Rausch hebt in der Bahnsteighalle des Frankfurter Hauptbahnhofs die Kelle. Ein Pfiff, und los geht's in Richtung Frankreich. Es ist der erste reguläre ICE auf der neuen Hochgeschwindigkeitsstrecke Frankfurt-Paris. Mit mehr als 400 Fahrgästen ist die Premierefahrt ausgebucht. Ein gutes Zeichen: Die Bahn hofft, mit der neuen Verbindung die Zahl der Kunden auf dieser Strecke um 50 Prozent auf 1,5 Millionen im Jahr erhöhen zu können. Dafür wurde viel Aufwand getrieben: 28 Millionen Euro soll allein die Zulassung des ICE in Frankreich gekostet haben.

Triebköpfe mussten umgebaut, Werkstätten vorbereitet und Mitarbeiter zweisprachig mit den Dienstanweisungen beider Länder vertraut gemacht werden. 99 Euro kosten die billigsten Tickets für die Zwei-Länder-Fahrt. Wer fährt an diesem Sonntagmorgen nach Paris? Neben Journalisten und Bahn-Mitarbeitern auch viele private Reisende. Ein junger Mann aus Heidelberg etwa, der ein Vorstellungsgespräch in Frankreich hat.

Eine Dame aus Le Mans, die in Speyer Verwandte besuchte und nun wieder heimreist. Eine dunkelhaarige junge Frau verabschiedet sich am Bahnsteig leidenschaftlich von einem jungen Mann. Sie wolle, sagt sie mit französischem Akzent, zu ihren Eltern, die neben Paris wohnten. Ein französischsprachiger Stammtisch aus Mannheim hat sich gleifalls nach Paris aufgemacht und köpft gerade eine Flasche Champagner.

Bummeln und Kunst genießen

Paris – das ist für viele Deutsche auch Romantik, die Stadt der Liebe, die jetzt nicht mehr ganz so weit entfernt liegt. Gleich mehrere Paare aus Deutschland sind im über 300 Stundenkilometer schnellen Zug zum Kurztrip an die Seine unterwegs. Manche von ihnen haben die Paris-Fahrt als romantisches Geburststagsgeschenk gebucht. Wir bleiben vier Tage, wollen geniessen, Kunst sehen, bummeln, freut sich eines der weiblichen Geburtstagskinder.

Deutschland entdecken

Draußen zieht Lothringen vorbei, der Zug passiert die Weltkriegsschlachtfelder, die Weinberge der Champagne. Die Strecke erinnert an die höchst wechselhafte Geschichte des Verhältnisses zwischen Frankreich und Deutschland. Die Verbesserung der Beziehungen war schliesslich das zentrale Ziel der Vereinbarung von La Rochelle, mit der der frühere Bundeskanzler Helmut Kohl und der ehemalige französische Staatspräsident François Mitterand seinerzeit den Bau der Schnellfahrstrecke besiegelten Seither ist viel geplant und investiert worden: 5,5 Milliarden Euro allein auf französischer Seite. Dabei soll der Stahl von acht Eiffeltürmer verbaut und die Erdmasse von neun Ärmelkanaltunneln bewegt worden sein.

Bahnökonomisch Wahnsinn, hiess es zum Start der Strecke in einer deutschen Zeitung, aber psychologisch, völkerfreundschaftlich, ja menschheitsgeschichtlich gar nicht hoch genug einzuschätzen. Die Franzosen könnten jetzt lernen, dass Deutschland keineswegs irgendwo in Skandinavien liege, auch auf deutscher Seite werde mehr interesse geweckt.

München ist künftiges Ziel

Die neue Strecke gleicht einem liegenden Ypsilon, dessen Stamm von Paris aus 300 Kilometer nach Osten führt und sich gabelt. Ab hier teilen sich ICE und TGV die Arbeit: Auf einem nordlichen Ast pendelt der ICE nach Saarbrücken Kaisers autern, Mannheim, Frankfurt am Main und zurück nach Paris.

Im Süden übernimmt der TGV die Verbindung nach Strassburg, Karlsruhe, Stuttgart und zurück. Zum Fahrplanwechsel im Dezember, mit dem auch die Fahrtzeit noch einmal um ein paar Minuten verringert werden soll, ist außerdem einmal am Tag eine Verlängerung der Linie bis nach München geplant.

Mit dem ersten Zug der neuen Schnellverbindung fährt auch die deutsch-französische Sängerin Patricia Kaas, auf dem Schoss ihr Malteser Hündschen. Schon in Saarbrücken, direkt an der deutsch-französischen Grenze, steigt sie aus. Sie ist einer der Stars, die zur Eröffnungsfahrt in allen Städten an der neuen Strecke auftreten. Ich hoffe aber, dass ich den schnellen Zug in Zukunft öfter benutzen kann, sagt sie.

Gegen halb eins werden die Häuser, die vor den Fenstern vorüberziehen, langsam höher. Montmartre ist zu erkennen, der im Norden von Paris gelegene Hügel. Am Bahnsteig im Gare de l'Est warten eine Blaskapelle und jede Menge Menschen mit Blumen. Applaus brande auf, als der Hochgeschwindigkeitszug einfährt. Das sommerliche Wetter passt zum Ereignis: Der Himmel über Paris ist blau.