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www.deutschland.de, Im Trend - Die Generation Vater

Im Trend - Die Generation Vater

Kinder sind Frauensache? Weit gefehlt: Immer mehr deutsche Väter entdecken die Babypause – dank einer neuen Familienpolitik

Jörg Sattler hat eine neue Chefin. Jetzt verlangt sie nach ihm und zwar sofort. Sie will das Fläschchen. Und gleich eine neue Windel. Seine Chefin schreit und macht in die Hose: Zoe, kaum grösser als einen halben Meter. Und doch kann sich der 37-Jährige nichts Schöneres vorstellen, als jede Minute mit Zoe, seiner neugeborenen Tochter, zu verbringen. Schmusen statt Meeting, gern auch morgens um vier. Ein Jahr lang tauscht Sallter seinen Posten als Leiter des Fundbüros und stellvertretender Leiter des Passagierservice-Bereichs beim Frankfurter Flughafenbetreiber Fraport mit dem Platz vor der Wickelkommode. Kostbare Monate, die ihm das neue Elterngeld ermöglicht. Der erste Blick auf das Ultraschall-Bild seiner im Mutterleib heranwachsenden Tochter – das schönste Erlebnis sagt Sattler.

Die Geburt war einfach unglaublich! Mir war von Anfang an klar, dass ich mich ausgiebig an der Kinderbetreuung beteiligen möchte. Da kam dieses Angebot genau richtig. Jetzt liegt Zoe zufrieden in seinem Arm, nuckelt an der Flasche und geniesst Papa zu Hause. Der Fraport-Mitarbeiter ist einer der ersten Väter, die die seit dem 1. Januar Elterngeldregelung nutzen und damit Vorreiter eines neuen Familienbildes in Deutschland sind. Fast 70 Prozent aller Väter sehen sich zuerst als Erzieher ihrer Kinder, nur 33 Prozent betrachten sich überwiegend als Ernährer, erklärt der Genderforscher Robert Richter. Auch Jörg Sattler ist überzeugt: Heute ist selbsverständlich, dass Männer Hausarbeit übernehmen. Genauso wird es bald selbsverständlich sein, dass sie sich zu gleichen Teilen an der Kinderziehung beteiligen. Das Elterngeld ist dafür der erste Schritt.

Neue Chancen

Stichtag für das Elterngeld war der 1. Januar 2007. Für alle von diesem Tag an geborenen Kinder zahlt der Staat berufstätigen Müttern und Vätern zwölf Monate lang ein Elterngeld als Lohnersatz. Dessen Höhe beträgt 67 Prozent des durchschnittlichen Nettolohnes der zurückliegenden zwölf Monate – höchstens jedoch 1800 Euro. Engagieren sich beide Elternteile in der Kinderbetreuung, gibt es zwei Monate länger Elterngeld, also insgesamt 14 Monate. Zeit, die sich Mutter und Väter flexibel untereinander aufteilen können. So bleiben mehr gemeinsame Stunden für den Nachwuchs. Vor allem aber bietet das Elterngeld neue Chancen für die Väter. Denn das bislang gezahlte Erziehungsgeld von rund 300 Euro pro Monat reichte meist nicht aus, um das oft höhere Gehalt der Väter zu ersetzen.

Nun können sich selbst Männer mit Führungsaufgaben wie Jörg Sattler ihrem Kind widmen, ohne ein allzu grosses finanzielles Risiko einzugehen. Das Angebot ist erfolgreich: Wurden im vergangenen Jahr lediglich 3,5 Prozent aller Anträge auf Elternzeit von Männern eingereicht waren es im ersten Quartal 2007 schon doppelt so viele. Auch Ulrich Schmidt hat seinen Antrag schon abgegeben. Nach der Geburt meiner ersten Tochter konnte ich leider keine Erziehungszeit nehmen. Wenn im November unser zweites Kind auf die Welt kommt, mache ich zwei Monate Job-Pause.

Der 35=jährige Redakteur hat nun nicht lange gezögert: Diesmal will und kann er seine Frau nach der Geburt von Anfang an unterstützen. Das möchte auch Stefan Schmidt. Als meine Tochter Anna Dora geboren wurde, hat mich meine Abteilungsleiterin gleich gefragt, wann ich denn Elternzeit nehmen werde. Für sie war das gar keine Frage. Kollegen, Familie, Freundkreis – alle hätten seine Entscheidung unterstürtzt. Einige befreundete Väter wollen sogar seinem Vorbild folgen und auch die Elterngeld-Regelung nutzen.

Acht Wochen Babypause sind für das Frühjahr 2008 eingeplant. Zwei Monate, auf die nicht nur er sich freut. Nach einem Jahr Erziehungszeit will sich die Ehefrau des Sachbearbeiters, eine Humanbiologin, im kommenden Jahr selbständig machen. Die Unterstützung durch den Ehemann kommt da wie gerufen. Man will ja nicht alles für das Kind aufgeben. Wir brauchen einen Mittelweg zwischen Beruf und Familie, sagt der 38-Jährige. Fur Männer und Frauen.

Das ist auch das Ziel von Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen. Es sind neue Zeiten angebrochen familienfreundliche Zeiten, erklärt die Politikerin selbst siebenfache Mutter. Innerhalb kurzer Zeit hat sie die Familiepolitik zum zentralen innenpolitischen Thema in Deutschland gemacht. Mit dem Elterngeld erleichterte der Staat hoch qualifizierten Müttern und Vätern die Entscheidung für ein Kind. Nun soll der bundesweite Ausbau von Krippenplätzen ihnen die problemlose Rückkehr in den Beruf ermöglichen. 500 000 zusätzliche Betreuungsplätze, überwiegend für Kinder unter drei Jahren, sind bis 2013 geplant.

Das bedeutet für etwa ein Drittel der Kleinsten ein Betreuungsangebot. Zudem fördert das Ministerium Mehrgenerationenhäuser und plant eine Pflegezeit. Diese soll Söhnen und Töchtern die Versorgung ihrer pflegebedürftigen Eltern ermöglichen, ohne dass sie ihren Arbeitsplatz aufgeben müssen. Entscheidungen, von denen die ganze Gesellschaft profitiert, versichert von der Leyen: Familienpolitik ist ein eindeutiger Wachstumstreiber. Was eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln bestätigt.

Demnach werden die europäischen Länder durch ihre niedrigeren Geburtenraten wirtschaftlich hinter die USA zurückfallen, wenn sie nicht gegensteuern. Gute Familienpolitik aber sorge für wachsende Geburtenraten und garantiere somit Wohlstand.

Familienfreundliche Arbeit

Sie ist auch für Firmen immer wichtiger. Der demografische Wandel in Deutschland mit einem wachsenden Bevölkerungsanteil alter Menschen sorgt in manchen Branchen bereits für Personalmangel. Die Konkurrenz der Betriebe um die besten Köpfe wächst. Für Patrik Speier, gerade Vater geworden und Gruppenleiter bei der R+ V-Versicherung, ist klar: Nur Unternehmen, die ihren Angestellten die Balance zwischen Arbeit und Familie ermöglichten, könnten in Zukunft ihre Angestellten halten.

Der 46-Jährige hat selbst erfahren, wie wichtig das ist: Dank der Unterstützung seiner Vorgesetzten und Kollegen war er ihm möglich, nach der Geburt von Tochter Kira fünf Wochen Urlaub zu nehmen und die Elternzeit auf 2008 zu verschieben, wenn seine Frau wieder arbeitet: Ein zufriedener Mitarbeiter ist ein besserer Mitarbeiter, sagt Speier. Obwohl es für ihn als Chef eines zehnköpfigen Teams mehr Planungsaufwand bedeuten würde, wünchst er sich flexiblere Jobmodelle: Die Unternehmen sollten mehr Teilzeit-Stellen anbieten.

Das käme vielen Eltern entgegen und würde die Angestellten enger an die Firmen binden. Laut einer Umfrage der Deutschen Gesellschaft für Personalführung stehen die Chancen dafür gut. 85 Prozent der deutschen Personalmanager erwarten, dass eine familienorientierte Unternehmenspolitik immer wichtiger wird. Was Elternfreundlichkeit bedeutet, zeigt Fraport.

Erst kürzlich wurde der Flughafen-Betreiber von der bundesweiten Initiative berufundfamilie als eine 500 familiengereichtesten Firmen in Deutschland ausgezeichnet. Das Unternehmen bietet einen eigenen Kindergarten mit Notfallbetreuung initiert zurzeit ein Väternetzwerk, animiert Väter, die Elterngeld-Regelung zu nutzen und regt die männlichen Mitarbeiter zu einem Väterstammtisch an. Dort wird Fundbüroleiter Jörg Sattler viel zu erzählen haben.

Von der einjährigen Elternzeit, seiner neuen Chefin, die er am liebsten rund um die Uhr auf dem Arm halten möchte – und seiner beruflichen Zukunft: Die Zeit mit Tochter Zoe gefällt ihm so gut, dass er nach seiner Elternzeit nur noch in Teilzeit arbeiten wird.


Im Trend - Die Generation Vater

Kinder sind Frauensache? Weit gefehlt: Immer mehr deutsche Väter entdecken die Babypause – dank einer neuen Familienpolitik

Jörg Sattler hat eine neue Chefin. Jetzt verlangt sie nach ihm und zwar sofort. Sie will das Fläschchen. Und gleich eine neue Windel. Seine Chefin schreit und macht in die Hose: Zoe, kaum grösser als einen halben Meter. Und doch kann sich der 37-Jährige nichts Schöneres vorstellen, als jede Minute mit Zoe, seiner neugeborenen Tochter, zu verbringen. Schmusen statt Meeting, gern auch morgens um vier. Ein Jahr lang tauscht Sallter seinen Posten als Leiter des Fundbüros und stellvertretender Leiter des Passagierservice-Bereichs beim Frankfurter Flughafenbetreiber Fraport mit dem Platz vor der Wickelkommode. Kostbare Monate, die ihm das neue Elterngeld ermöglicht. Der erste Blick auf das Ultraschall-Bild seiner im Mutterleib heranwachsenden Tochter – das schönste Erlebnis sagt Sattler.

Die Geburt war einfach unglaublich! Mir war von Anfang an klar, dass ich mich ausgiebig an der Kinderbetreuung beteiligen möchte. Da kam dieses Angebot genau richtig. Jetzt liegt Zoe zufrieden in seinem Arm, nuckelt an der Flasche und geniesst Papa zu Hause. Der Fraport-Mitarbeiter ist einer der ersten Väter, die die seit dem 1. Januar Elterngeldregelung nutzen und damit Vorreiter eines neuen Familienbildes in Deutschland sind. Fast 70 Prozent aller Väter sehen sich zuerst als Erzieher ihrer Kinder, nur 33 Prozent betrachten sich überwiegend als Ernährer, erklärt der Genderforscher Robert Richter. Auch Jörg Sattler ist überzeugt: Heute ist selbsverständlich, dass Männer Hausarbeit übernehmen. Genauso wird es bald selbsverständlich sein, dass sie sich zu gleichen Teilen an der Kinderziehung beteiligen. Das Elterngeld ist dafür der erste Schritt.

Neue Chancen

Stichtag für das Elterngeld war der 1. Januar 2007. Für alle von diesem Tag an geborenen Kinder zahlt der Staat berufstätigen Müttern und Vätern zwölf Monate lang ein Elterngeld als Lohnersatz. Dessen Höhe beträgt 67 Prozent des durchschnittlichen Nettolohnes der zurückliegenden zwölf Monate – höchstens jedoch 1800 Euro. Engagieren sich beide Elternteile in der Kinderbetreuung, gibt es zwei Monate länger Elterngeld, also insgesamt 14 Monate. Zeit, die sich Mutter und Väter flexibel untereinander aufteilen können. So bleiben mehr gemeinsame Stunden für den Nachwuchs. Vor allem aber bietet das Elterngeld neue Chancen für die Väter. Denn das bislang gezahlte Erziehungsgeld von rund 300 Euro pro Monat reichte meist nicht aus, um das oft höhere Gehalt der Väter zu ersetzen.

Nun können sich selbst Männer mit Führungsaufgaben wie Jörg Sattler ihrem Kind widmen, ohne ein allzu grosses finanzielles Risiko einzugehen. Das Angebot ist erfolgreich: Wurden im vergangenen Jahr lediglich 3,5 Prozent aller Anträge auf Elternzeit von Männern eingereicht waren es im ersten Quartal 2007 schon doppelt so viele. Auch Ulrich Schmidt hat seinen Antrag schon abgegeben. Nach der Geburt meiner ersten Tochter konnte ich leider keine Erziehungszeit nehmen. Wenn im November unser zweites Kind auf die Welt kommt, mache ich zwei Monate Job-Pause.

Der 35=jährige Redakteur hat nun nicht lange gezögert: Diesmal will und kann er seine Frau nach der Geburt von Anfang an unterstützen. Das möchte auch Stefan Schmidt. Als meine Tochter Anna Dora geboren wurde, hat mich meine Abteilungsleiterin gleich gefragt, wann ich denn Elternzeit nehmen werde. Für sie war das gar keine Frage. Kollegen, Familie, Freundkreis – alle hätten seine Entscheidung unterstürtzt. Einige befreundete Väter wollen sogar seinem Vorbild folgen und auch die Elterngeld-Regelung nutzen.

Acht Wochen Babypause sind für das Frühjahr 2008 eingeplant. Zwei Monate, auf die nicht nur er sich freut. Nach einem Jahr Erziehungszeit will sich die Ehefrau des Sachbearbeiters, eine Humanbiologin, im kommenden Jahr selbständig machen. Die Unterstützung durch den Ehemann kommt da wie gerufen. Man will ja nicht alles für das Kind aufgeben. Wir brauchen einen Mittelweg zwischen Beruf und Familie, sagt der 38-Jährige. Fur Männer und Frauen.

Das ist auch das Ziel von Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen. Es sind neue Zeiten angebrochen familienfreundliche Zeiten, erklärt die Politikerin selbst siebenfache Mutter. Innerhalb kurzer Zeit hat sie die Familiepolitik zum zentralen innenpolitischen Thema in Deutschland gemacht. Mit dem Elterngeld erleichterte der Staat hoch qualifizierten Müttern und Vätern die Entscheidung für ein Kind. Nun soll der bundesweite Ausbau von Krippenplätzen ihnen die problemlose Rückkehr in den Beruf ermöglichen. 500 000 zusätzliche Betreuungsplätze, überwiegend für Kinder unter drei Jahren, sind bis 2013 geplant.

Das bedeutet für etwa ein Drittel der Kleinsten ein Betreuungsangebot. Zudem fördert das Ministerium Mehrgenerationenhäuser und plant eine Pflegezeit. Diese soll Söhnen und Töchtern die Versorgung ihrer pflegebedürftigen Eltern ermöglichen, ohne dass sie ihren Arbeitsplatz aufgeben müssen. Entscheidungen, von denen die ganze Gesellschaft profitiert, versichert von der Leyen: Familienpolitik ist ein eindeutiger Wachstumstreiber. Was eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln bestätigt.

Demnach werden die europäischen Länder durch ihre niedrigeren Geburtenraten wirtschaftlich hinter die USA zurückfallen, wenn sie nicht gegensteuern. Gute Familienpolitik aber sorge für wachsende Geburtenraten und garantiere somit Wohlstand.

Familienfreundliche Arbeit

Sie ist auch für Firmen immer wichtiger. Der demografische Wandel in Deutschland mit einem wachsenden Bevölkerungsanteil alter Menschen sorgt in manchen Branchen bereits für Personalmangel. Die Konkurrenz der Betriebe um die besten Köpfe wächst. Für Patrik Speier, gerade Vater geworden und Gruppenleiter bei der R+ V-Versicherung, ist klar: Nur Unternehmen, die ihren Angestellten die Balance zwischen Arbeit und Familie ermöglichten, könnten in Zukunft ihre Angestellten halten.

Der 46-Jährige hat selbst erfahren, wie wichtig das ist: Dank der Unterstützung seiner Vorgesetzten und Kollegen war er ihm möglich, nach der Geburt von Tochter Kira fünf Wochen Urlaub zu nehmen und die Elternzeit auf 2008 zu verschieben, wenn seine Frau wieder arbeitet: Ein zufriedener Mitarbeiter ist ein besserer Mitarbeiter, sagt Speier. Obwohl es für ihn als Chef eines zehnköpfigen Teams mehr Planungsaufwand bedeuten würde, wünchst er sich flexiblere Jobmodelle: Die Unternehmen sollten mehr Teilzeit-Stellen anbieten.

Das käme vielen Eltern entgegen und würde die Angestellten enger an die Firmen binden. Laut einer Umfrage der Deutschen Gesellschaft für Personalführung stehen die Chancen dafür gut. 85 Prozent der deutschen Personalmanager erwarten, dass eine familienorientierte Unternehmenspolitik immer wichtiger wird. Was Elternfreundlichkeit bedeutet, zeigt Fraport.

Erst kürzlich wurde der Flughafen-Betreiber von der bundesweiten Initiative berufundfamilie als eine 500 familiengereichtesten Firmen in Deutschland ausgezeichnet. Das Unternehmen bietet einen eigenen Kindergarten mit Notfallbetreuung initiert zurzeit ein Väternetzwerk, animiert Väter, die Elterngeld-Regelung zu nutzen und regt die männlichen Mitarbeiter zu einem Väterstammtisch an. Dort wird Fundbüroleiter Jörg Sattler viel zu erzählen haben.

Von der einjährigen Elternzeit, seiner neuen Chefin, die er am liebsten rund um die Uhr auf dem Arm halten möchte – und seiner beruflichen Zukunft: Die Zeit mit Tochter Zoe gefällt ihm so gut, dass er nach seiner Elternzeit nur noch in Teilzeit arbeiten wird.