×

We use cookies to help make LingQ better. By visiting the site, you agree to our cookie policy.


image

www.deutschland.de, Die Weltmeister der Logistik

Die Weltmeister der Logistik

Die arbeitsteiligie Weltwirtschaft verstärkt die Warenströme. Und Deutschland ist die Zentrale. Eine Reportage über das Rennen gegen die Zeit.

Vielleicht hätte Andrej Sibirakov an diesem Dezembermorgen die Linkskurve etwas langsamer angehen sollen. Knapp 80 km/h auf Neuschnee, das war einfach zu viel für den Porsche Cayman. Als er bremst, weiss er schon: Es wird nicht reichen. Langsam schliddert der kleine Flitzen in Richtung des Lada, der am Strassenrand abgestellt ist. Dann der Aufprall. Bei Sport-Auto in der Datschnaja-Strasse, der einzigen Porche-Werkstatt in Nowosibirsk und auch im Umkreis von mehreren tausend Kilometern, ist die Diagnose schnell gestellt.

Ein neuer Frontspoiler muss her, heisst es, auch der rechte Kotflügel und der rechte Hauptscheinwerfer müssen erneuert werden. Der Werkstattmeister loggt sich ins Porsche-System ein. Spoiler und Kotflügel sind in Moskau auf Lager, aber den Scheinwerfen gibt es zurzeit in ganz Russland nicht. Der muss aus Deutschland nach Westsibirien gebracht werden, genauer gesagt aus dem zentralen Ersatzteilager in Ludwigsburg bei Stuttgart.

Andrej Sibirjakov will keine zwei oder drei Wochen warten. Denn so lange kann der Landtransport eines Scheinwerfers dauern. Also steht eine Expressfracht per doppelter Luftbrücke an, von Deutschland nach Moskau schickt Sport-Auto die Order per E-mail nach Deutschland. Es ist Mittwoch, 11 Uhr Ortszeit Nowosibirsk, als der Auftrag in Ludwigsburg eintrifft. Dort ist sechs Uhr früh.

Zwei Stunden später zieht ein Mitarbeiter der Geschäftsstelle der Spedition Schenker in Filderstadt bei Stuttgart einen Transporauftrag von Porsche aus dem Fasx: ein rechter Frontscheinwerfer für einen Porsche Cayman, vom 50 Kilometer entfernten Ludwigsburg ins 5000 Kilometer entfernte Nowosibirsk. Abholbereit noch am gleichen Tag um 15.30 Uhr.

Ein Fall für Schenker. Seit knapp zwei Jahren organisiert und betreibt die Tochterlinie der Deutschen Bahn die gesamte Ersatzteilversorgung für Porsche in Russland. Wann immer ein Teil benötigt wird, Schenker liefert es. Die Bahn-Tochter zählt zu den Global Players im internationalen Transport-Geschäft.

In der Belieferung der Autoindustrie rangiert sie ganz oben. Schenken versorgt das Audi-werk im ungarischen Györ, wo der Roadster TT gefertigt wird, mit Teilen aus ganz Europa. Die Spedition transportiert per Schienen-Shuttle Autoteile vom Opel-Werk in Bochum zur Astra-Montage nach Antwerpen und vom spanischen Zaragoza nach Eisenach, in der Leipziger BMW-Fabrik liefert man für die Produktion der 3er-Reihe die Teile minutengenau bis ans Montageband.

Logistik ist ein sperriger Begriff für hochkomplexe Zusammenhänge, eine Welt vieler kleiner, aber ungemein wichtiger, miteinander vernetzter Prozessschritte. Logistik bedeutet, die Verfügbarkeit des richtigen Gutes in der richtigen Menge, im richtigen Zustand, am richtigen Ort, zur richtigen Zeit, für den richtigen Kunden und zu den richtigen Kosten zu sichern. So lautet, umständich, aber zutreffend, die gängigste Definition. Einfacher könnte man sagen: Logistik ist das Schmieröl der Weltwirtschaft. Die arbeitsteilige Weltfabrik lässt die Warenströme rund um den Globus kontinuierlich anschwellen – und die Anforderungen an den Transport von Ort zu Ort wachsen. Deutschland ist Logistik-Weltmeister.

Die Grossen der Branche, Schenker, DHL oder Kühne + Nagel, das sind heute keine Fuhrparke mit ein paar Lastwagen mehr, sondern weltweit operierende Unternehmen, grosse Spinnen im hochdifferenzierten Transportnetz, ausgerüstet mit IT-Werkzeugen und satellitengesteuerter Kommunikation. 165 Milliarden Euro setzt die Branche jährlich um. 480000 Beschäftigte stehen in Deutschland auf den Lohnlisten der Logistikfirmen, Tendenz steigend.

Logistik umfasst die Briefzustellung wie die Containerverschiffung, die Belieferung von Fabriken mit Stahlrohren genauso wie die Versorgung von Tankstellen mit Benzin und Tiefkühlpizzen. Logistiker sorgen dafür, dass weisse Rosen aus Kenia noch schnittfrisch in den Blumenladen an der Ecke kommen und das beim Homeshopping-Kanal bestellte Kochtopf-Set nach Hause. Wenn eine Autofabrik eine Stunde stillsteht, weil die Container mit dringend benötigten Teilen im Hafen festhängen, kostet das Millionen Euro.

Zeit ist Geld, das gilt in keinem Wirtschaftzweig so wei in der Logistikbranche. Wobei es bei den Kosten nicht unbedingt auf die zurückgelegte Strecke ankommt. Wenn ein Container von Shanghai nach Potsdam reist, sagt ein Logistiker beansprucht die Schiffsreise um die halbe Welt nur ein Fünftel, der Transport über Land von Hamburg nach Potsdam vier fünftel der Frachtkosten.

Vor allem pünktlich muss die Ware am Bestimmungsort eintreffen. Deshalb wird beispielsweise Andrej Sibirjakovs Frontscheinwerfer nicht per Lastwagen nach Nowosibirsk gefahren, das deutlich billiger wäre, sonder aufs Flugzeug verladen. Donnerstagnachmittag, auf dem Flughafen Hahn im Hunsrück. Es ist 15 Uhr Ortszeit, anderhalb Tage nach dem Unfall. Der Scheinwerfer für Andrej Sibirjakovs Porsche wird gerade in den Bauch einer alten DC-10 verladen.

Er hat an diesem Tag schon einiges hinter sich: vom Porsche-Lager in Ludwigsburg zu Schenker nach Filderstadt, dort auf den Truck, rauf auf die Autobahn Richtung Flughafen. Als die DC-10 pünktlich um 20.20 Uhr abhebt gen Moskau, sind seit Andrej Sibirjakovs Unfall gut 41 Stunden vergangen.

Beim Seetransport von Gütern aus China oder Indien nach Deutschland zählt man nicht in Stunden oder Tagen, sondern in Wochen. Und die Unwägbarkeiten sind von ganz anderem Kaliber als ein Nachmittagsstau auf der Autobahn. Probleme beim Zoll, streikende Hafenarbeiter, Umwetter auf hoher See sind die Hürden, die manchmal zu Umwegen zwingen. Dann wird spontan entschieden, den einen oder anderen Hafen zusätzlich anzulaufen und dort ein paar Container aufzunehmen.

Aber das kostet Zeit. Auf der China-Route kann auf diese Weise schnell eine Woche Verzögerung zustande kommen. Für die Transportplaner der grossen Logistik-Unternehmen ist das eine immense Herausforderung. Logistik ist ja längst nicht mehr nur der sichere Transport über Tausende von Kilometern, sonder auch die Kunst der zeitgenauen Anlieferung von Waren in die Fabrik.

Auf die Spitze treibt es die Autoindustrie, wo die Teile, egal, welchen Weg sie hinter sich haben, genau im Takt der Montage ans Band geliefert werden müssen.

Im Hamburg fliessen die welweiten Warenströme zusammen – und anschliessend wieder auseinander. Das Elbufer mit seinen Hochlagern aus buntem Stahlblech ist zum Stapelplatz galoppierender Globalisierung geworden, wie kürzlich in einer Hommage an den mittlerweile achgrössten Hafen der Welt zu lesen war. Und die Weltwährung der Logistik,, hier auf Schritt und Tritt präsent, das ist eine Kiste aus Metall, 20 Fuss lang, 8 Fuss breit und 8 Fuss 6 Zoll hoch: der Container.

In Hamburg gibt es, übers Jahr gerechnet, fast fünfmal mehr Container als Einwohner. Würde man alle Container aneinanderreihen, ergäbe sich ein Container-Band, das fast drei Mal um die Erde reichen würde. Für die meisten Container ist Hamburg nur eine Durchreisestation. Der Hafen verbindet die Werkstätten der Welt: China, Indien und Korea it Skandinavien, dem Baltikum, Russland und Südoseuropa.

Und mit Hannover. Dort betreibt Schenker für Volkswagen ein Produktionsversorgungszentrum, eines der modernsten Logistikzentren Europas. Was in 130 Lkw-Fuhren täglich hier ankommt, muss sekundengenau in 700 VW-Transportern verbaut werden – und zwar ohne dass es in der Fabrik zu Produktionsunterbrechungen kommt, erklärt Jürgen Buch, der die Geschäfte bei Schenker in Hannover führt.

Eine unsichtbare Hand scheint Ordnung ist das chaotische Gewusel der Stapler und Elektrokarren zu bringen. Nichts wird dem Zufall und wenig dem Menschen überlassen. Über zentrale Rechner sind das Versorgungszentrum und die benachbarte Fabrik miteinander vernetzt; intelligente und hochflexible IT-Lösungen sichern den Materialfluss im Takt der Montage. Sie steuern den Dialog zwischen Lieferanten, Schenker und Volkswagen.

Was die Zulieferfirmen aus ganz Europa heranbis zur Sechskantschraube Modulteile und ungezählte Einzelteile bis zur Sechskantschraube, muss vo Laster ins Lager und vom Lager per Elektrowagen über eine 360 Meter lange Brücke in die Fabrik, exakt im Takt der Montage, immer das richtige Teil zur richtigen Zeit am richtiger Platz. Und sei es so etwas scheinbar Banales wie die Handschuhfach liegen muss wenn das Fahrzeug für den britischen Markt gebaut wird – und nicht in einer anderen Sprache.

Schon kleinste Fehler können sich rächen. Die VW-Mitarbeiter in der Fabrik müssen sich darauf verlassen können, dass wir die Teile in der richtigen Reihenfolge einsortiert haben, erklärt Jürgen Buch, die Arbeiter am Band greifen automatisch in das nächste Fach. Wenn sie für ein Auto graue Türkerkleidungen brauchen und wir liefern schwarze kann das Fahrzeug nicht termingerecht ausgeliefert werden. Im schlimmsten Fall muss das Band angehalten werden.

Samstagmittag in Nowosibirsk. Der Werkstattmeister von Sport Auto will gerade zum Mittagessen aufbrechen, als ein Kurier-Kombi auf den Hof fährt. Der Fahrer holt ein Paket aus dem Laderaum. Es ist der rechte Frontscheinwerfer für Andrej Sibirjakovs Cayman. Nach sechs Umschlagstationen, 400 Kilometern auf der Strasse und 5000 Kilometern in der Luft hat er seinen Bestimmungsort erreicht. Seit dem Unfall sind drei Tage und vier Stunden vergangen. Der Werkstattmeister überlegt kurz, dann ruft er Andrej Sibirjakov an. Er kann seinen Wagen in zwei Stunden abholen.

Die Grössten Deutschen Logistik Unternehmen

1-DHL – Das Unternehmen ist Weltmarktführer für den internationalen Expressversand, Überlandtransporte und Luftrachtbeförderung. Ausserdem ist DHL die Nummer eins im Bereich Seefracht und Vertragslogistik. Das Unternehmen wurde 1969 von den US-Amerikanern Adrian Dalsey, Larry Hillblom und Robert Lynn – die Anfangsbuchstaben der Nachnamen ergeben den Firmennamen – gegründet. Sie beförderten zunächst persönlich Unterlagen mit dem Flugzeug von San Francisco nach Honolulu. Seit 2002 gehört DHL zur Deutschen Post World Net, beschäftigt heute 285000 Mitarbeiter und liefert pro Jahr 1,5 Milliarden Sendungen in über 220 Länder.

2-Schenker – Das Tochterunternehmen der DB Logistics, dem Ressort Transport und Logistik der Deutschen Bahn AG, ist einer der weltweit führenden integrierten Logistik-Dienstleister. Als Spezialist für Landverkehre in Europa, auf Strasse und Schiene verbindet Schenker mit einen dichten Netz vor Linien verkehren die wesentlichen Wirtschaftsregionen in über dreissig europäischen Ländern. Schenker ist ausserdem auf weltweite Lösungen in der Luft- und Seefracht sowie alle damit verbundenen logistischen Dienstleistungen spezialisiert. Das Unternehmen wurde vor über 135 Jahren von Gottfried Schenker in Wien gegründet und ist heute mit fast 55 000 Mitarbeitern die Nummer zwei der grössten Logistik-Unternehmen in Deutschland.

3-Kühne + Nagel – Die Firma, die 1890 von August Kühne und Friedrich Nagel in Bremen gegründet wurde, begann bereits in den 1950er-Jahren mit der Internationalisierung und ist heute mit 45000 Mitarbeitern der drittgrösste deutsche Logistiker.


Die Weltmeister der Logistik The world champions of logistics

Die arbeitsteiligie Weltwirtschaft verstärkt die Warenströme. The global economy based on the division of labor increases the flow of goods. Und Deutschland ist die Zentrale. And Germany is the headquarters. Eine Reportage über das Rennen gegen die Zeit. A report about the race against time.

Vielleicht hätte Andrej Sibirakov an diesem Dezembermorgen die Linkskurve etwas langsamer angehen sollen. Knapp 80 km/h auf Neuschnee, das war einfach zu viel für den Porsche Cayman. Als er bremst, weiss er schon: Es wird nicht reichen. Langsam schliddert der kleine Flitzen in Richtung des Lada, der am Strassenrand abgestellt ist. Dann der Aufprall. Bei Sport-Auto in der Datschnaja-Strasse, der einzigen Porche-Werkstatt in Nowosibirsk und auch im Umkreis von mehreren tausend Kilometern, ist die Diagnose schnell gestellt.

Ein neuer Frontspoiler muss her, heisst es, auch der rechte Kotflügel und der rechte Hauptscheinwerfer müssen erneuert werden. Der Werkstattmeister loggt sich ins Porsche-System ein. Spoiler und Kotflügel sind in Moskau auf Lager, aber den Scheinwerfen gibt es zurzeit in ganz Russland nicht. Der muss aus Deutschland nach Westsibirien gebracht werden, genauer gesagt aus dem zentralen Ersatzteilager in Ludwigsburg bei Stuttgart.

Andrej Sibirjakov will keine zwei oder drei Wochen warten. Denn so lange kann der Landtransport eines Scheinwerfers dauern. Also steht eine Expressfracht per doppelter Luftbrücke an, von Deutschland nach Moskau schickt Sport-Auto die Order per E-mail nach Deutschland. Es ist Mittwoch, 11 Uhr Ortszeit Nowosibirsk, als der Auftrag in Ludwigsburg eintrifft. Dort ist sechs Uhr früh.

Zwei Stunden später zieht ein Mitarbeiter der Geschäftsstelle der Spedition Schenker in Filderstadt bei Stuttgart einen Transporauftrag von Porsche aus dem Fasx: ein rechter Frontscheinwerfer für einen Porsche Cayman, vom 50 Kilometer entfernten Ludwigsburg ins 5000 Kilometer entfernte Nowosibirsk. Abholbereit noch am gleichen Tag um 15.30 Uhr.

Ein Fall für Schenker. Seit knapp zwei Jahren organisiert und betreibt die Tochterlinie der Deutschen Bahn die gesamte Ersatzteilversorgung für Porsche in Russland. Wann immer ein Teil benötigt wird, Schenker liefert es. Die Bahn-Tochter zählt zu den Global Players im internationalen Transport-Geschäft.

In der Belieferung der Autoindustrie rangiert sie ganz oben. Schenken versorgt das Audi-werk im ungarischen Györ, wo der Roadster TT gefertigt wird, mit Teilen aus ganz Europa. Die Spedition transportiert per Schienen-Shuttle Autoteile vom Opel-Werk in Bochum zur Astra-Montage nach Antwerpen und vom spanischen Zaragoza nach Eisenach, in der Leipziger BMW-Fabrik liefert man für die Produktion der 3er-Reihe die Teile minutengenau bis ans Montageband.

Logistik ist ein sperriger Begriff für hochkomplexe Zusammenhänge, eine Welt vieler kleiner, aber ungemein wichtiger, miteinander vernetzter Prozessschritte. Logistik bedeutet, die Verfügbarkeit des richtigen Gutes in der richtigen Menge, im richtigen Zustand, am richtigen Ort, zur richtigen Zeit, für den richtigen Kunden und zu den richtigen Kosten zu sichern. So lautet, umständich, aber zutreffend, die gängigste Definition. Einfacher könnte man sagen: Logistik ist das Schmieröl der Weltwirtschaft. Die arbeitsteilige Weltfabrik lässt die Warenströme rund um den Globus kontinuierlich anschwellen – und die Anforderungen an den Transport von Ort zu Ort wachsen. Deutschland ist Logistik-Weltmeister.

Die Grossen der Branche, Schenker, DHL oder Kühne + Nagel, das sind heute keine Fuhrparke mit ein paar Lastwagen mehr, sondern weltweit operierende Unternehmen, grosse Spinnen im hochdifferenzierten Transportnetz, ausgerüstet mit IT-Werkzeugen und satellitengesteuerter Kommunikation. 165 Milliarden Euro setzt die Branche jährlich um. 480000 Beschäftigte stehen in Deutschland auf den Lohnlisten der Logistikfirmen, Tendenz steigend.

Logistik umfasst die Briefzustellung wie die Containerverschiffung, die Belieferung von Fabriken mit Stahlrohren genauso wie die Versorgung von Tankstellen mit Benzin und Tiefkühlpizzen. Logistiker sorgen dafür, dass weisse Rosen aus Kenia noch schnittfrisch in den Blumenladen an der Ecke kommen und das beim Homeshopping-Kanal bestellte Kochtopf-Set nach Hause. Wenn eine Autofabrik eine Stunde stillsteht, weil die Container mit dringend benötigten Teilen im Hafen festhängen, kostet das Millionen Euro.

Zeit ist Geld, das gilt in keinem Wirtschaftzweig so wei in der Logistikbranche. Wobei es bei den Kosten nicht unbedingt auf die zurückgelegte Strecke ankommt. Wenn ein Container von Shanghai nach Potsdam reist, sagt ein Logistiker beansprucht die Schiffsreise um die halbe Welt nur ein Fünftel, der Transport über Land von Hamburg nach Potsdam vier fünftel der Frachtkosten.

Vor allem pünktlich muss die Ware am Bestimmungsort eintreffen. Deshalb wird beispielsweise Andrej Sibirjakovs Frontscheinwerfer nicht per Lastwagen nach Nowosibirsk gefahren, das deutlich billiger wäre, sonder aufs Flugzeug verladen. Donnerstagnachmittag, auf dem Flughafen Hahn im Hunsrück. Es ist 15 Uhr Ortszeit, anderhalb Tage nach dem Unfall. Der Scheinwerfer für Andrej Sibirjakovs Porsche wird gerade in den Bauch einer alten DC-10 verladen.

Er hat an diesem Tag schon einiges hinter sich: vom Porsche-Lager in Ludwigsburg zu Schenker nach Filderstadt, dort auf den Truck, rauf auf die Autobahn Richtung Flughafen. Als die DC-10 pünktlich um 20.20 Uhr abhebt gen Moskau, sind seit Andrej Sibirjakovs Unfall gut 41 Stunden vergangen.

Beim Seetransport von Gütern aus China oder Indien nach Deutschland zählt man nicht in Stunden oder Tagen, sondern in Wochen. Und die Unwägbarkeiten sind von ganz anderem Kaliber als ein Nachmittagsstau auf der Autobahn. Probleme beim Zoll, streikende Hafenarbeiter, Umwetter auf hoher See sind die Hürden, die manchmal zu Umwegen zwingen. Dann wird spontan entschieden, den einen oder anderen Hafen zusätzlich anzulaufen und dort ein paar Container aufzunehmen.

Aber das kostet Zeit. Auf der China-Route kann auf diese Weise schnell eine Woche Verzögerung zustande kommen. Für die Transportplaner der grossen Logistik-Unternehmen ist das eine immense Herausforderung. Logistik ist ja längst nicht mehr nur der sichere Transport über Tausende von Kilometern, sonder auch die Kunst der zeitgenauen Anlieferung von Waren in die Fabrik.

Auf die Spitze treibt es die Autoindustrie, wo die Teile, egal, welchen Weg sie hinter sich haben, genau im Takt der Montage ans Band geliefert werden müssen.

Im Hamburg fliessen die welweiten Warenströme zusammen – und anschliessend wieder auseinander. Das Elbufer mit seinen Hochlagern aus buntem Stahlblech ist zum Stapelplatz galoppierender Globalisierung geworden, wie kürzlich in einer Hommage an den mittlerweile achgrössten Hafen der Welt zu lesen war. Und die Weltwährung der Logistik,, hier auf Schritt und Tritt präsent, das ist eine Kiste aus Metall, 20 Fuss lang, 8 Fuss breit und 8 Fuss 6 Zoll hoch: der Container.

In Hamburg gibt es, übers Jahr gerechnet, fast fünfmal mehr Container als Einwohner. Würde man alle Container aneinanderreihen, ergäbe sich ein Container-Band, das fast drei Mal um die Erde reichen würde. Für die meisten Container ist Hamburg nur eine Durchreisestation. Der Hafen verbindet die Werkstätten der Welt: China, Indien und Korea it Skandinavien, dem Baltikum, Russland und Südoseuropa.

Und mit Hannover. Dort betreibt Schenker für Volkswagen ein Produktionsversorgungszentrum, eines der modernsten Logistikzentren Europas. Was in 130 Lkw-Fuhren täglich hier ankommt, muss sekundengenau in 700 VW-Transportern verbaut werden – und zwar ohne dass es in der Fabrik zu Produktionsunterbrechungen kommt, erklärt Jürgen Buch, der die Geschäfte bei Schenker in Hannover führt.

Eine unsichtbare Hand scheint Ordnung ist das chaotische Gewusel der Stapler und Elektrokarren zu bringen. Nichts wird dem Zufall und wenig dem Menschen überlassen. Über zentrale Rechner sind das Versorgungszentrum und die benachbarte Fabrik miteinander vernetzt; intelligente und hochflexible IT-Lösungen sichern den Materialfluss im Takt der Montage. Sie steuern den Dialog zwischen Lieferanten, Schenker und Volkswagen.

Was die Zulieferfirmen aus ganz Europa heranbis zur Sechskantschraube Modulteile und ungezählte Einzelteile bis zur Sechskantschraube, muss vo Laster ins Lager und vom Lager per Elektrowagen über eine 360 Meter lange Brücke in die Fabrik, exakt im Takt der Montage, immer das richtige Teil zur richtigen Zeit am richtiger Platz. Und sei es so etwas scheinbar Banales wie die Handschuhfach liegen muss wenn das Fahrzeug für den britischen Markt gebaut wird – und nicht in einer anderen Sprache.

Schon kleinste Fehler können sich rächen. Die VW-Mitarbeiter in der Fabrik müssen sich darauf verlassen können, dass wir die Teile in der richtigen Reihenfolge einsortiert haben, erklärt Jürgen Buch, die Arbeiter am Band greifen automatisch in das nächste Fach. Wenn sie für ein Auto graue Türkerkleidungen brauchen und wir liefern schwarze kann das Fahrzeug nicht termingerecht ausgeliefert werden. Im schlimmsten Fall muss das Band angehalten werden.

Samstagmittag in Nowosibirsk. Der Werkstattmeister von Sport Auto will gerade zum Mittagessen aufbrechen, als ein Kurier-Kombi auf den Hof fährt. Der Fahrer holt ein Paket aus dem Laderaum. Es ist der rechte Frontscheinwerfer für Andrej Sibirjakovs Cayman. Nach sechs Umschlagstationen, 400 Kilometern auf der Strasse und 5000 Kilometern in der Luft hat er seinen Bestimmungsort erreicht. Seit dem Unfall sind drei Tage und vier Stunden vergangen. Der Werkstattmeister überlegt kurz, dann ruft er Andrej Sibirjakov an. Er kann seinen Wagen in zwei Stunden abholen.

Die Grössten Deutschen Logistik Unternehmen

1-DHL – Das Unternehmen ist Weltmarktführer für den internationalen Expressversand, Überlandtransporte und Luftrachtbeförderung. Ausserdem ist DHL die Nummer eins im Bereich Seefracht und Vertragslogistik. Das Unternehmen wurde 1969 von den US-Amerikanern Adrian Dalsey, Larry Hillblom und Robert Lynn – die Anfangsbuchstaben der Nachnamen ergeben den Firmennamen – gegründet. Sie beförderten zunächst persönlich Unterlagen mit dem Flugzeug von San Francisco nach Honolulu. Seit 2002 gehört DHL zur Deutschen Post World Net, beschäftigt heute 285000 Mitarbeiter und liefert pro Jahr 1,5 Milliarden Sendungen in über 220 Länder.

2-Schenker – Das Tochterunternehmen der DB Logistics, dem Ressort Transport und Logistik der Deutschen Bahn AG, ist einer der weltweit führenden integrierten Logistik-Dienstleister. Als Spezialist für Landverkehre in Europa, auf Strasse und Schiene verbindet Schenker mit einen dichten Netz vor Linien verkehren die wesentlichen Wirtschaftsregionen in über dreissig europäischen Ländern. Schenker ist ausserdem auf weltweite Lösungen in der Luft- und Seefracht sowie alle damit verbundenen logistischen Dienstleistungen spezialisiert. Das Unternehmen wurde vor über 135 Jahren von Gottfried Schenker in Wien gegründet und ist heute mit fast 55 000 Mitarbeitern die Nummer zwei der grössten Logistik-Unternehmen in Deutschland.

3-Kühne + Nagel – Die Firma, die 1890 von August Kühne und Friedrich Nagel in Bremen gegründet wurde, begann bereits in den 1950er-Jahren mit der Internationalisierung und ist heute mit 45000 Mitarbeitern der drittgrösste deutsche Logistiker.