Greift China bald Taiwan an? Und dann? (1)
Greift China bald Taiwan an? Und dann?
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Da ist ein Land, das einen übermäßig großen Nachbarn hat.
Ein Nachbar, der die Eigenständigkeit dieses Landes nicht anerkennt und immer wieder sagt: Eigentlich gehört ihr zu uns.
Der Nachbar rüstet immer weiter auf, Truppen werden an der Grenze zusammengezogen und dann greift das große Land das kleinere an.
So in etwa war es beim Angriff Russlands auf die Ukraine.
Aber eine ganz ähnliche Situation gibt es auch noch woanders.
Und genau wie bei der Ukraine geht es dabei um viel mehr als "nur" um die Selbstverteidigung eines Staates.
Es geht, wie so oft, um einen Konflikt zwischen großen Mächten, in diesem Fall zwischen China auf der einen Seite und den USA auf der anderen Seite.
Und mittendrin ist Taiwan, ein Archipel, also eine Inselgruppe, die sich seit längerer Zeit schon zu einem Pulverfass entwickelt, das jederzeit explodieren könnte.
Aber warum eigentlich? Was ist da genau los?
Und wie würde so eine Explosion aussehen?
Welche Folgen gäbe es für die ganze Welt?
Darum geht's jetzt.
In der Bibel gibt es ja diese Geschichte von David gegen Goliath.
David ist ein ziemlich kleiner Mann mit einer Steinschleuder, Goliath ein riesiger Kämpfer mit jeder Menge Erfahrung.
Für alle ist klar:
Nach ein paar Sekunden hat Goliath David erledigt.
Aber es kommt ganz anders.
David geht zu einem nahegelegenen Fluss
und holt sich fünf flache Kieselsteine.
Einen dieser Steine spannt er in seine Schleuder, zielt kurz auf seinen Gegner und trifft genau die Stirn des Gegners.
Goliath wird tödlich getroffen, fällt auf den Boden, David ist ein gefeierter Held.
Ob diese Geschichte tatsächlich so stattgefunden hat?
Das ist schwierig zu sagen.
Nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen könnte es zum Beispiel so gewesen sein, dass Goliath zwar groß, aber gar kein guter Kämpfer gewesen ist, weil er wegen seiner Größe eine Art Tunnelblick gehabt haben soll.
Aber was auf jeden Fall klar ist:
Der Sieg Davids gegen Goliath ist bis heute ein wichtiges Symbol für den Triumph eines vermeintlich unterlegenen Gegners gegen eine Übermacht.
Und genau diesen Vergleich liest man momentan auch immer wieder, wenn es um Taiwan geht und um den Konflikt mit dessen Nachbarn China.
Denn auf dem Papier ist die Situation ganz klar:
23,5 Millionen Einwohner gegen 1,4 Milliarden, maximal 450.000 Soldaten gegen zwei Millionen, konventionelle Armee gegen Atommacht.
Und so weiter und so fort.
In fast jedem einzelnen Punkt ist China Taiwan haushoch überlegen.
Trotzdem hat Taiwan nach wie vor eine eigene Regierung, komplette Autonomie, und es gab in den vergangenen Jahrzehnten keinen nennenswerten Versuch Chinas, daran etwas zu ändern.
Obwohl, und das ist zentral, genau dieser Status von Taiwan der chinesischen Regierung ein Dorn im Auge ist.
Und das schon lange.
Aber warum eigentlich?
Genau darüber habe ich im vergangenen Jahr schon mal ein Video gemacht, Das findet ihr oben auf dem "i" verlinkt, aber damit ihr alle auf einem Stand seid, gibt es nun eine kurze Zusammenfassung dieses Videos,
und zwar mit der Antwort auf die zentrale Frage:
Warum gibt es einen Konflikt zwischen China und Taiwan?
Ende des Zweiten Weltkriegs in Asien.
China, das in großen Teilen von Japan besetzt war, wird unabhängig.
Es kommt zu einem Kampf um die Macht und zu einem Bürgerkrieg.
Am Ende gewinnen die Kommunisten.
Die Vertreter der Republik China, die vorher existiert hat, verlieren.
Und diese Verlierer werden verhaftet oder direkt umgebracht.
Teilweise können sie aber auch fliehen, und zwar auf die Insel Taiwan.
Dort errichten sie einen eigenen Staat, oder genauer gesagt: Sie setzen ihren alten Staat fort, nur eben sehr viel kleiner.
Aber der Name, der bleibt: "Republik China".
Auf dem Festland entsteht die "Volksrepublik China", ein riesiges Reich, das kommunistisch regiert wird.
Oder zumindest so, wie es die Machthaber verstehen, wenn sie an Kommunismus denken.
Mit der Zeit etablieren sich diese Strukturen und Taiwan wird im Laufe der Jahrzehnte von einem diktatorisch regierten Land zu einer Demokratie.
Aber der Status von Taiwan bleibt unklar.
1979 erklären zum Beispiel die USA:
"Für uns gibt es nur ein China, und das ist die Volksrepublik."
Deshalb gibt es keine offiziellen diplomatischen Kontakte.
Die hält Taiwan heute nur zu 14 Ländern.
1979 formulieren die Vereinigten Staaten aber auch ihren sogenannten Taiwan Relations Act.
Zitat daraus:
Das heißt, auch wenn die USA aus diplomatischen und vor allem, muss man dazusagen, wirtschaftlichen Gründen, für die sogenannte Ein-China-Politik einstehen, unterstützen sie gleichzeitig die Autonomie, also die Selbstständigkeit Taiwans.
Für China ist allerdings klar:
Selbstständigkeit auf gar keinen Fall, Taiwan gehört zur Volksrepublik.
Bei einer Gedenkveranstaltung zum 110. Jahrestag der Chinesischen Revolution im Oktober 2021 hat der chinesische Präsident Xi dazu gesagt: "Nationale Verjüngung" - darunter versteht Xi, dass China tatsächlich eine komplette Einheit wird.
Von "Wiedervereinigung" ist bei ihnen ja auch die Rede.
Und diese Wiedervereinigung soll bis zum 100-jährigen Jubiläum der Volksrepublik China im Jahr 2049 vollzogen sein, mit Taiwan.
In Taiwan selbst gibt es dafür aber wenig Zustimmung.
Laut verschiedenen Umfragen innerhalb der Bevölkerung gibt es seit rund 30 Jahren eine stabile Mehrheit für den Erhalt des aktuellen Status oder sogar eine komplette Unabhängigkeit von China.
Eine Quelle dazu findet ihr unten in der Infobox.
In Taiwan ist die Angst groß davor, unter einer Regierung aus Peking alles das zu verlieren, was es in diesem Land gibt: freie Wahlen, Grundrechte, Marktwirtschaft.
Am Ende könnte es Taiwan so gehen wie Hongkong, das seine jahrzehntelange Autonomie von China grade immer weiter verliert und inzwischen mehr oder weniger komplett aus Chinas Hauptstadt Peking gesteuert wird.
Die große Sorge deshalb:
Xi Jinping schaut sich die Situation nicht mehr lange an und handelt.
Zwar hatte er 2049 als Zielmarke für diese nationale Verjüngung Chinas vorgegeben, aber bei Taiwan könnte es schon deutlich schneller gehen.
Denn ganz klar: Das Jahr 2049 wird Xi Jinping wegen seines Alters eventuell gar nicht mehr erleben.
Das Jahr 2035 dagegen höchstwahrscheinlich schon.
Und genau dieses Jahr hat Xi als das Jahr ausgerufen, in dem China die USA in allen wich- tigen Bereichen überholt haben will.
Ab 2035 soll China den Vereinigten Staaten wirtschaftlich, technologisch und auch militärisch überlegen sein.
Und Beobachter gehen inzwischen davon aus:
Auch Taiwan könnte dabei eine wichtige Rolle spielen.
Denn wenn sich Xi, wie er es immer wieder andeutet, tatsächlich 2035 zurückziehen sollte, dann will er sicher
auch dieses wichtige Thema im Sinne Chinas erledigt haben.
Der Platz in den chinesischen Geschichtsbüchern wäre ihm damit sicher.
Und darauf schielt er natürlich jetzt schon.
Daher ist die naheliegende nächste Frage:
Was passiert jetzt mit Taiwan?
Letztendlich weiß das natürlich nur die chinesische Regierung, nur die kennt ihre Pläne.
Aber es gibt ein wichtiges Anzeichen dafür, dass sich auch schon vor 2035, dieser wichtigen Marke, etwas tun könnte.
In seinem aktuellsten Fünfjahresplan
hat China in Bezug auf sein Militär festgehalten, dass man, Zitat:
Es ist sehr ungewöhnlich, dass ein Datum außerhalb dieses Fünfjahresplanes genannt wird, und das hängt sicher damit zusammen, dass die sogenannte Volksbefreiungsarmee, also die offizielle Armee Chinas, in diesem Jahr, also 2027, ihren 100. Geburtstag feiert.
Könnte aber auch ein Zeichen dafür sein, dass China bis dahin so hochgerüstet sein will, dass es in einen größeren Krieg einsteigen könnte.
Und auch wenn viele das vermutet haben: Der russische Angriff auf die Ukraine hat daran wenig geändert.
Im Gegenteil, er könnte China noch etwas vorsichtiger gemacht haben, was eine mögliche Invasion Taiwans angeht.
Dazu gleich mehr.
Was im Moment stattfindet, ist ein Säbelrasseln vor allem zwischen China und den wichtigsten Verbündeten Taiwans, den USA.
Deren Präsident Joe Biden wurde im Mai bei einer Pressekonferenz mit Blick auf den Krieg in der Ukraine gefragt, ob die USA denn zumindest Taiwan direkt verteidigen würden, wenn es von China angegriffen würde, und die Antwort war eindeutig: Joe Biden hat sich dabei unter anderem auf ein Versprechen bezogen, das er schon Ende 2021 gemacht hat.
In China kamen diese neuen Äußerungen überhaupt nicht gut an.
Der chinesische Außenminister Wang Yi hat von starker Unzufriedenheit gesprochen und meinte dann wörtlich: Das heißt, die Fronten verhärten sich immer mehr.
Denn nach diesen Aussagen kann Joe Biden nicht mehr wirklich zurück.
Während die USA in der Vergangenheit vor allem davon gesprochen haben, dass man Taiwan mit Waffen unterstützen möchte, logistisch unterstützen möchte, müssten sie jetzt im Ernstfall auch mit Soldaten kämpfen.
So hat Joe Biden es ja versprochen.
Ansonsten wären die USA unglaubwürdig.
Und in diesem Fall spielt der Krieg in der Ukraine durchaus eine Rolle.
Denn in China hat man ganz genau beobachtet, dass die USA und andere Mitgliedstaaten der NATO die Ukraine zwar logistisch unterstützen, mit Waffen unterstützen, kämpfen wollen sie dort aber nicht.
Und das könnte man aus Sicht Chinas durchaus als Feigheit interpretieren und als zusätzliche Motivation, Taiwan anzugreifen.
So nach dem Motto: "Passiert ja sowieso nix."
Aber was wäre denn in so einem Fall?
Also: Wie könnte ein chinesischer Angriff auf Taiwan aussehen?
Um das einmal durchzuspielen, ist es ganz wichtig, sich die Topografie Taiwans anzuschauen, also die landschaftlichen Bedingungen vor Ort, die Gegebenheiten.
Denn wenn China Taiwan angreift, dann müsste das über den Seeweg passieren.
Das japanische Magazin "The Diplomat" hat 2021 einmal alles berücksichtigt und detailliert analysiert, und es schreibt: Das Fazit dieses Artikels ist deshalb eindeutig: Wenn China schnell und erfolgreich sein will, anders als Russland in der Ukraine, muss ein Angriff auf mehreren Ebenen stattfinden.
Und diese Ebenen wiederum beschreibt die US-amerikanische Nachrichtenseite Bloomberg so: Danach würde dann der eigentliche Angriff beginnen, zum Beispiel mit Fallschirmlandegruppen.
So sagt es Bloomberg.
Anschließend würde es dann so lange zu Kämpfen auf der Hauptinsel kommen, bis Taiwan nicht mehr weiter verteidigt werden kann.
Das wäre dann das Ende des Landes.
Allerdings, wir erinnern uns an David gegen Goliath.
Da hat sich am Ende auch herausgestellt, dass David deutlich stärker war als gedacht.
Könnte man das auch hier übertragen?
Ja, das wäre durchaus möglich, denn die taiwanesische Armee besteht zwar aktuell nur aus 190.000 Soldaten,
könnte aber laut dem Verteidigungsminister um 260.000 auf dann knapp eine halbe Million aufgestockt werden.
Und wenn man dabei der militärischen Faustformel folgt, dass der Angreifer immer mindestens drei- oder am besten sogar fünfmal so viele Soldaten aufbieten muss wie der Angegriffene, wäre das für China eine ganz schöne Belastung.
Bis zu zwei Millionen Kräfte müsste man dafür mobilisieren.
Das wäre fast die komplette chinesische Armee ohne Reservisten.
Dazu kommt: China hat zuletzt Ende der 1970er-Jahre in einem Krieg gekämpft, vor 40 Jahren.
Es fehlt also, brutal gesagt, die praktische Erfahrung, und die wiederum würden die USA mitbringen.
Und damit kommt ein weiterer wichtiger Faktor ins Spiel:
Würden die USA sich tatsächlich mit Soldaten an so einem Krieg beteiligen, dann hätte China es deutlich schwerer.
Zwar wäre es sicher mit dem Personal und den Waffen überlegen, aber alles das muss ja erst mal richtig eingesetzt werden können.
Und seit einiger Zeit gibt es außerdem ein militärisches Bündnis zwischen den USA, Großbritannien und Australien.
Das könnten die USA in so einem Fall aktivieren und damit noch einmal mehr Kräfte mobilisieren.
Ein Angriff Chinas auf Taiwan ist längst nicht so unkompliziert und vor allem so einfach, wie es vielleicht auf den ersten Blick aussieht.
Und so ein Angriff ist auch riskant.
Nicht nur, weil China hohe Verluste einfahren könnte, es würde auch die Gefahr bestehen, einen großen Krieg loszubrechen, der sich im schlechtesten Fall zu einem dritten Weltkrieg entwickelt.
Deshalb: Wie sieht eine mögliche Perspektive aus?
Im Prinzip haben wir momentan schon so etwas wie einen maximalen Kompromiss.
Für China ist die rote Linie immer gewesen, dass Taiwan sich nicht offiziell für unabhängig erklären soll, und Taiwan möchte natürlich nicht angegriffen werden.
Beides ist gerade der Fall.
Die taiwanesische Premierministerin Tsai Ing-wen sagt sinngemäß:
Wir müssen nicht irgendwas erklären, wir sind de facto schon souverän.
Mit diesem Zustand würde man sich in Taiwan auch zufrieden geben, wenn man dafür dann Sicherheitsgarantien von China bekommen würde, dass man nicht angegriffen wird.
Xi Jinping müsste seinerseits auch Zugeständnisse machen.
Zum Beispiel könnte Peking Taiwan zwar offiziell als Teil des eigenen Landes betrachten, auch bezeichnen, so wie jetzt auch schon, der Region aber gleichzeitig vollständige Selbstverwaltung garantieren.
Und zwar nicht nur auf dem Papier, wie das jetzt in Hongkong der Fall ist.
Damit könnten beide Seiten vermutlich ganz gut leben, aber man müsste eben aufeinander zugehen.