Sendung: tagesschau 07.01.2021 17:00 Uhr - Entsetzen über Sturm des US-Kapitols
Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit der tagesschau.
Heute im Studio: Claus-Erich Boetzkes
Guten Tag, willkommen zur tagesschau.
Ein Bild, das man historisch nennen kann:
Anhänger des scheidenden Präsidenten Trump posieren im US-Kongress,
den sie zuvor gestürmt hatten.
Der Wahlsieg des Nachfolgers Biden sollte dort formell bestätigt werden.
Das geschah nach der Räumung des Gebäudes.
Das Entsetzen ist groß
über den beispiellosen Angriff auf die US-Demokratie.
"Verrat" steht auf dem Transparent,
das beim Sturm auf den Kongress liegen blieb.
Nachdem die Lage wieder unter Kontrolle ist,
werden die Sachschäden sichtbar.
Ermutigt durch Äußerungen von Trump
war ein Protestzug seiner Anhänger gestern eskaliert.
Die Demonstranten durchbrachen Polizeiabsperrungen.
Die Sitzungen beider Kammern mussten abgebrochen werden,
Abgeordnete sich verschanzen.
Eine Demonstrantin wird angeschossen,
stirbt später im Krankenhaus.
Der gewählte Präsident Biden zeigt sich betroffen.
Zu dieser Stunde gibt es einen beispiellosen Angriff
auf unsere Demokratie - wie noch nie zuvor.
Ein Angriff auf die Festung der Freiheit,
auf das Kapitol selbst.
Keine Reaktion auf das Wüten aus dem Weißen Haus.
Erst nach Einwirken seiner Mitarbeiter
veröffentlichte Trump eine Videobotschaft:
Mit der Aufforderung, nach Hause zu gehen.
Wir können nicht in die Hände dieser Leute spielen.
Geht heim, ihr seid etwas ganz Besonderes.
Nach fast vier Stunden beendete die Polizei die Belagerung.
Das Parlament nahm seine Arbeit wieder auf.
An diejenigen, die heute hier gewütet haben:
Ihr habt nicht gewonnen.
Gewalt gewinnt nie, Freiheit gewinnt.
Das hier ist immer noch das Haus des Volkes.
Nach Stunden des Chaos wird Biden als künftiger US-Präsident bestätigt.
Weil Trump weiter Tweets über Wahlbetrug veröffentlicht,
sperrt Twitter seinen Account für zwölf Stunden.
Ein Mitarbeiter veröffentlicht eine Erklärung Trumps.
Darin widerspricht er weiter dem Wahlergebnis,
kündigt aber eine geordnete Amtsübergabe an.
In Washington ist Claudia Buckenmaier.
Donald Trump hat nun eine geordnete Machtübergabe angekündigt.
Ist der Kampf vorbei?
Ich kann mir das nicht vorstellen.
Er hat es gesagt.
Er will es umsetzen.
Aber er hat auch gesagt, dass der Kampf,
um Amerika wieder groß zu machen, erst beginnen würde.
Er werde weiter dafür kämpfen, dass nur legale Stimmen werden.
Er hält wirklich daran fest, dass er glaubt,
dass er um seine Wahl betrogen worden sei.
Das wird er seinen Anhängern kommunizieren.
Die werden sich bestätigt fühlen.
Auch wenn es jetzt hier ruhig ist:
Die Frustration seiner Anhänger über die verlorene Wahl
wird eventuell länger anhalten.
Hat Joe Biden überhaupt eine Chance, dieses gespaltene Land zu einen?
Ich glaube, es wird sehr schwer werden für ihn,
dass er überhaupt durchdringt zu den Anhängern von Trump.
Er betont, er möchte ein Präsident für alle werden.
Aber er muss sie erreichen mit seinen Argumenten.
Das wird wohl schwer werden.
Vor allem, weil sich Republikaner noch hinter Trump stellen
und damit die Stimmung anheizen.
Danke, Claudia Buckenmaier in Washington.
Kaum eine Regierung weltweit reagierte nicht
auf die Ausschreitungen der Trump-Anhänger.
Angst um die US-Demokratie schwingt in vielen Stellungnahmen mit.
Oft wird der scheidende Präsident
für die Eskalation der Proteste verantwortlich gemacht.
Trump und Merkel -
der Graben zwischen beiden wurde immer tiefer.
Doch so scharfe Worte wie heute hatte die Kanzlerin bisher nicht gewählt.
Sie sei wütend und traurig über die Bilder aus Washington.
Dann der Vorwurf:
Ich bedauere sehr, dass Präsident Trump seine Niederlage
seit November nicht eingestanden hat und auch gestern wieder nicht.
Zweifel am Wahlausgang wurden geschürt.
Das hat die Atmosphäre dafür bereitet,
dass die Ereignisse der Nacht erst möglich gemacht hat.
Scharfe Töne aus vielen anderen EU-Staaten.
Eine klare Schuldzuweisung kommt von der Kommissionspräsidentin.
Jeder Präsident hat bis in die letzten Tagen seines Amtes
Verantwortung für seine Worte.
Man konnte gestern sehen, wie aus Worten Taten werden.
Von schandhaften Szenen spricht der britische Premier Johnson.
Unerlässlich sei nun eine friedliche und geordnete Machtübergabe.
China hofft,
dass die Stabilität der USA wieder hergestellt werden könne.
Bundespräsident Steinmeier spricht von Lügen, Spalterei
und Demokratieverachtung.
Er erinnert auch an den August:
In Berlin hatten "Gegner der Demokratie", so Steinmeier,
die Stufen des Reichstages gestürmt.
Deshalb sende ich diese Botschaft heute auch an uns alle:
Hass und Hetze gefährden die Demokratie.
Lügen gefährden die Demokratie.
Gewalt gefährdet die Demokratie.
Die Ereignisse in Washington machen weltweit Schlagzeilen.
Das Entsetzen ist groß.
Die Krawalle in Washington ließen die Stichwahlen für den Senat
im US-Bundesstaat Georgia in den Hintergrund rücken.
Für den neuen US-Präsidenten Biden verliefen sie erfolgreich -
nach Berechnungen mehrerer US-Medien.
Seine Parteigänger, Demokraten Warnock und Ossoff,
konnten sich durchsetzen.
Die Demokraten kontrollieren künftig beide Kammern.
Zum Sturm auf das Kapitol sendet das Erste einen Brennpunkt
nach der 20-Uhr-tagesschau.
In der ersten Woche das Jahres
übersprang der DAX bereits die Marke von 14.000 Punkten.
Trotz Corona und der Ereignisse in Washington.
Klaus-Rainer Jackisch, wie lautet das nächste Ziel?
Das nächste Ziel lautet: 15.000 Punkte.
Einige Analysten haben ihre Prognosen erhöht.
Der Optimismus hier ist weiter sehr hoch.
Es gibt sehr viel Geld im Markt, das angelegt werden will.
Und es gibt aktuelle Gründe für den starken Anstieg des Kurses.
Neueste Konjunkturdaten weisen darauf hin:
Die deutsche Wirtschaft ist nicht so schwer geschädigt wie befürchtet.
Und es gibt Fortschritte in der Bekämpfung der Pandemie.
CureVac und Bayer wollen eine Allianz schließen.
Damit soll schneller geimpft werden können.
All das führte gegen 16 Uhr dazu,
dass der DAX die 14.000-Punkte-Marke überschritten hat.
Danke, Klaus-Rainer Jackisch.
Das Corona-Infektionsgeschehen bleibt auf hohem Niveau:
Um die Lage in den Griff zu bekommen,
hilft laut Experten nur Immunisierung - also Impfen.
Von Mitarbeitern in Krankenhäusern und Heimen würde man vermuten,
dass sie sich als Erste impfen lassen.
Aber die Bereitschaft dazu ist wohl geringer als erwartet.
Normalität sieht anders aus.
Im Speisesaal dieses Seniorenheims in Rheinland-Pfalz
werden Corona-Tests gemacht.
Vor einer Woche konnten sich Bewohner und Personal
hier auch impfen lassen.
Etwa die Hälfte der Pflegekräfte machte das bereits.
Sie würde gerne, wartet aber aufgrund ihrer Rheumaerkrankung.
Für mich kommt das im Moment nicht in Frage.
Die Pflegedienstleiterin beobachtet Verunsicherung bei den Pflegern.
Das Wissen über den Impfstoff fehlt einigen Mitarbeitern.
Die erwarten mehr Aufklärung.
Nur etwa 50 Prozent der Beschäftigten in Heimen will sich impfen lassen.
Das schätzt der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste.
Aufklärung sei wichtig.
Viele holen ihre Informationen aus Facebook und obskuren Foren.
Statt sich beim RKI ordentlich zu informieren.
Um Menschen in Heimen und Krankenhäusern besser zu schützen,
fordern Patientenschützer:
Verpflichtende Tests vor jeder Schicht.
Tägliche Tests bringen ein Extra an Sicherheit.
Darum geht es: zweigleisig fahren.
Tägliche Tests und Impfungen sind die Chance,
durch die Pandemie zu kommen.
Dann, so die Hoffnung, kommt wieder ein Stück Normalität.
In Großbritannien steigt die Kurve der neuen Corona-Fälle.
Mit verantwortlich ist offenbar eine ansteckendere Corona-Variante.
Diese wurde nur entdeckt, weil Labore bei positiven Tests
dort auch den genetischen Bauplan der Erreger entschlüsseln.
In Deutschland hätte sich das mutierte Virus
womöglich lange unbemerkt übertragen, beklagen Experten.
Eine solche Überwachung gibt es hier kaum.
Virologen forderten das bereits vor der Pandemie.
Das zeigen Recherchen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung.
Das Krankenhaussystem arbeitet am Limit.
In Großbritannien steigen die Infektionszahlen massiv.
Ein Grund: eine wohl ansteckendere Corona-Mutation.
In Deutschland wurde diese Variante erst ein paar Mal entdeckt.
Aber die Dunkelziffer könnte sehr hoch sein.
Der Virus-Bauplan wird hier nur selten genau entschlüsselt.
In Großbritannien wird jeder 15. positive Fall analysiert,
in Deutschland nur jeder 900.
Virologen fordern die Ausweitung dieser Sequenzierungen.
Wir schauen uns die Viren in Deutschland nicht genauer an.
Wir haben nur ganz rudimentäre Vorstellungen von den Varianten,
die hier vorkommen.
Hier testen Privatlabore, ob jemand positiv ist.
Die aufwendige Analyse des Bauplans unternehmen meist Unis.
Mehr Proben-Austausch, bessere Finanzierung
fordern führende Virologen.
Schon vor Corona-Ausbruch hatten sie in einem Brief
ans Gesundheitsministerium diese Schwachstellen kritisiert.
Zuletzt kündigte der Bund auch eine Ausweitung der Analysen an.
Nur so ließen sich früh Ausbrüche durch neue Varianten kontrollieren.
Das möchte man beobachten.
Schon deshalb, weil möglicherweise auch Varianten entstehen,
die veränderte Eigenschaften mit sich bringen.
So könne man auch feststellen,
ob der Impfstoff weiter wirksam gegen das Virus ist.
Die Corona-Pandemie hat 2020 vieles überlagert,
auch die fortschreitende Zerstörung des Regenwaldes in Brasilien.
2020 wurden dort mehr als 220.000 Waldbrände registriert -
so viele wie seit zehn Jahren nicht.
Betroffen war v.a. der Regenwald im Amazonas-Gebiet,
das von zentraler Bedeutung für den Klimaschutz ist.
Aber auch das Xingu-Schutzgebiet für Indigene
und eines der weltweit größten Binnenland-Feuchtgebiete:
Das Pantanal.
Flammen fressen sich durchs Unterholz.
Oft sind Brandrodungen die Ursache, obwohl die verboten waren.
Kaum ein Landwirt hielt sich daran.
Auch das Xingu-Reservat brannte,
eines der größten indigenen Schutzgebiete.
Die Flammen erreichten die Dörfer der Ureinwohner.
Weiter südlich, im Feuchtgebiet Pantanal,
wüteten die schlimmsten Brände seit 22 Jahren.
Zuvor herrschte extreme Trockenheit - Opfer waren v.a. Wildtiere.
Durch die zunehmende Abholzung des Regenwaldes
geraten Regionen weiter südlich in Mitleidenschaft.
Dort hat das weniger Regen zur Folge,
wodurch sich die Zahl der Brände erhöht.
Satellitendaten von der Raumfahrtbehörde
zeigen 2020 einen Anstieg der Amazonas-Zerstörung um 9 %.
In zwölf Monaten wurde eine Fläche so groß wie das Saarland vernichtet.
Der Präsident kürzte zuvor die Mittel für Brandbekämpfung.
Er verbittet sich Kritik.
Brasilien tut weltweit am meisten für Umweltschutz.
Es ist unverständlich, warum wir Kritik aus dem Ausland erhalten.
Ein Treiber der Amazonas-Zerstörung ist die Viehwirtschaft,
bestätigen Studien.
Bei Rindfleischproduktion
stehen 17 Prozent in Verbindung mit illegalen Rodungen.
Es fehlen Maßnahmen,
um die Urwaldzerstörung in Brasilien nachhaltig zu reduzieren.
Die Wetteraussichten:
Nachts teils Schneefall und Glätte.
Morgen Wolken und gebietsweise Schnee oder Regen.
Das war die tagesschau um fünf.
Einen schönen Abend noch.
Copyright Untertitel: NDR 2021