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Alice's Abenteur im Wunderland, Achtes Kapitel

Achtes Kapitel

Achtes Kapitel.

Das Croquetfeld der Königin.

Ein großer hochstämmiger Rosenstrauch stand nahe bei'm Eingang; die Rosen, die darauf wuchsen, waren weiß, aber drei Gärtner waren damit

beschäftigt, sie roth zu malen. Alice kam dies wunderbar vor, und da sie

näher hinzutrat, um ihnen zuzusehen, hörte sie einen von ihnen sagen:

»Nimm dich in Acht, Fünf! Bespritze mich nicht so mit Farbe!«

»Ich konnte nicht dafür,« sagte Fünf in verdrießlichem Tone; »Sieben hat

mich an den Ellbogen gestoßen.«

Worauf Sieben aufsah und sagte: »Recht so, Fünf! Schiebe immer die

Schuld auf andre Leute!«

»Du sei nur ganz still!« sagte Fünf. »Gestern erst hörte ich die Königin

sagen, du verdientest geköpft zu werden!«

»Wofür?« fragte der, welcher zuerst gesprochen hatte.

»Das geht _dich_ nichts an, Zwei!« sagte Sieben.

»Ja, es _geht_ ihn an!« sagte Fünf, »und ich werde es ihm sagen -- dafür,

daß er dem Koch Tulpenzwiebeln statt Küchenzwiebeln gebracht hat.«

[Illustration]

Sieben warf seinen Pinsel hin und hatte eben angefangen: »Ist je eine

ungerechtere Anschuldigung --« als sein Auge zufällig auf Alice fiel,

die ihnen zuhörte; er hielt plötzlich inne, die andern sahen sich auch

um, und sie verbeugten sich Alle tief.

»Wollen Sie so gut sein, mir zu sagen,« sprach Alice etwas furchtsam,

»warum Sie diese Rosen malen?«

Fünf und Sieben antworteten nichts, sahen aber Zwei an. Zwei fing mit

leiser Stimme an: »Die Wahrheit zu gestehen, Fräulein, dies hätte hier

ein _rother_ Rosenstrauch sein sollen, und wir haben aus Versehen einen

weißen gepflanzt, und wenn die Königin es gewahr würde, würden wir Alle

geköpft werden, müssen Sie wissen. So, sehen Sie Fräulein, versuchen

wir, so gut es geht, ehe sie kommt --« In dem Augenblick rief Fünf, der

ängstlich tiefer in den Garten hinein gesehen hatte: »Die Königin! die

Königin!« und die drei Gärtner warfen sich sogleich flach auf's Gesicht. Es entstand ein Geräusch von vielen Schritten, und Alice blickte

neugierig hin, die Königin zu sehen.

Zuerst kamen zehn Soldaten, mit Keulen bewaffnet, sie hatten alle

dieselbe Gestalt wie die Gärtner, rechteckig und flach, und an den vier

Ecken die Hände und Füße; danach kamen zehn Herren vom Hofe, sie waren

über und über mit Diamanten bedeckt und gingen paarweise, wie die

Soldaten. Nach diesen kamen die königlichen Kinder, es waren ihrer zehn,

und die lieben Kleinen kamen lustig gesprungen Hand in Hand, paarweise,

sie waren ganz mit Herzen geschmückt. Darauf kamen die Gäste, meist

Könige und Königinnen, und unter ihnen erkannte Alice das weiße

Kaninchen; es unterhielt sich in etwas eiliger und aufgeregter Weise,

lächelte bei Allem, was gesagt wurde und ging vorbei, ohne sie zu

bemerken. Darauf folgte der Coeur-Bube, der die königliche Krone auf

einem rothen Sammetkissen trug, und zuletzt in diesem großartigen Zuge

kamen _der Herzenskönig und die Herzenskönigin_.

Alice wußte nicht recht, ob sie sich nicht flach auf's Gesicht legen müsse, wie die drei Gärtner; aber sie konnte sich nicht erinnern, je von

einer solchen Sitte bei Festzügen gehört zu haben. »Und außerdem, wozu

gäbe es überhaupt Aufzüge,« dachte sie, »wenn alle Leute flach auf dem

Gesichte liegen müßten, so daß sie sie nicht sehen könnten?« Sie blieb

also stehen, wo sie war, und wartete.

Als der Zug bei ihr angekommen war, blieben Alle stehen und sahen sie

an, und die Königin sagte strenge: »Wer ist das?« Sie hatte den

Coeur-Buben gefragt, der statt aller Antwort nur lächelte und Kratzfüße

machte.

»Schafskopf!« sagte die Königin, den Kopf ungeduldig zurückwerfend; und

zu Alice gewandt fuhr sie fort: »Wie heißt du, Kind?«

[Illustration]

»Mein Name ist Alice, Euer Majestät zu dienen!« sagte Alice sehr

höflich; aber sie dachte bei sich: »Ach was, es ist ja nur ein Pack

Karten. Ich brauche mich nicht vor ihnen zu fürchten!«

»Und wer sind diese drei?« fuhr die Königin fort, indem sie auf die drei

Gärtner zeigte, die um den Rosenstrauch lagen; denn natürlich, da sie

auf dem Gesichte lagen und das Muster auf ihrer Rückseite dasselbe war

wie für das ganze Pack, so konnte sie nicht wissen, ob es Gärtner oder

Soldaten oder Herren vom Hofe oder drei von ihren eigenen Kindern waren.

»Woher soll ich das wissen?« sagte Alice, indem sie sich selbst über

ihren Muth wunderte. »Es ist nicht meines Amtes.«

Die Königin wurde purpurroth vor Wuth, und nachdem sie sie einen

Augenblick wie ein wildes Thier angestarrt hatte, fing sie an zu

brüllen: »Ihren Kopf ab! ihren Kopf --«

»Unsinn!« sagte Alice sehr laut und bestimmt, und die Königin war still.

Der König legte seine Hand auf ihren Arm und sagte milde: »Bedenke,

meine Liebe, es ist nur ein Kind!«

Die Königin wandte sich ärgerlich von ihm ab und sagte zu dem Buben:

»Dreh' sie um!« Der Bube that es, sehr sorgfältig, mit einem Fuße.

»Steht auf!« schrie die Königin mit durchdringender Stimme, und die drei

Gärtner sprangen sogleich auf und fingen an sich zu verneigen vor dem

König, der Königin, den königlichen Kindern, und Jedermann.

»Laßt das sein!« eiferte die Königin. »Ihr macht mich schwindlig.« Und

dann, sich nach dem Rosenstrauch umdrehend, fuhr sie fort: »Was habt ihr

hier gethan?«

»Euer Majestät zu dienen,« sagte Zwei in sehr demüthigem Tone und sich

auf ein Knie niederlassend, »wir haben versucht --«

»Ich sehe!« sagte die Königin, die unterdessen die Rosen untersucht

hatte.

»Ihre Köpfe ab!« und der Zug bewegte sich fort, während drei von

den Soldaten zurückblieben um die unglücklichen Gärtner zu enthaupten,

welche zu Alice liefen und sie um Schutz baten.

»Ihr sollt nicht getödtet werden!« sagte Alice, und damit steckte sie

sie in einen großen Blumentopf, der in der Nähe stand. Die drei Soldaten

gingen ein Weilchen hier- und dorthin, um sie zu suchen, und dann

schlossen sie sich ruhig wieder den Andern an.

»Sind ihre Köpfe gefallen?« schrie die Königin sie an.

»Ihre Köpfe sind fort, zu Euer Majestät Befehl!« schrien die Soldaten

als Antwort.

»Das ist gut!« schrie die Königin. »Kannst du Croquet spielen?«

Die Soldaten waren still und sahen Alice an, da die Frage

augenscheinlich an sie gerichtet war.

»Ja!« schrie Alice.

»Dann komm mit!« brüllte die Königin, und Alice schloß sich dem Zuge an,

sehr neugierig, was nun geschehen werde.

»Es ist -- es ist ein sehr schöner Tag!« sagte eine schüchterne Stimme

neben ihr. Sie ging neben dem weißen Kaninchen, das ihr ängstlich in's Gesicht sah.

»Sehr,« sagte Alice; -- »wo ist die Herzogin?«

»Still! still!« sagte das Kaninchen in einem leisen, schnellen Tone. Es

sah dabei ängstlich über seine Schulter, stellte sich dann auf die

Zehen, hielt den Mund dicht an Alice's Ohr und wisperte: »Sie ist zum Tode verurtheilt.«

»Wofür?« fragte diese.

»Sagtest du: wie Schade?« fragte das Kaninchen.

»Nein, das sagte ich nicht,« sagte Alice, »ich finde gar nicht, daß es

Schade ist. Ich sagte: wofür?«

»Sie hat der Königin eine Ohrfeige gegeben --« fing das Kaninchen an.

Alice lachte hörbar. »Oh still!« flüsterte das Kaninchen in sehr

erschreckten Tone. »Die Königin wird dich hören! Sie kam nämlich etwas

spät, und die Königin sagte --«

»Macht, daß ihr an eure Plätze kommt!« donnerte die Königin, und Alle

fingen an in allen Richtungen durcheinander zu laufen, wobei sie Einer

über den Andern stolperten; jedoch nach ein bis zwei Minuten waren sie

in Ordnung, und das Spiel fing an.

[Illustration]

Alice dachte bei sich, ein so merkwürdiges Croquet-Feld habe sie in

ihrem Leben nicht gesehen; es war voller Erhöhungen und Furchen, die

Kugeln waren lebendige Igel, und die Schlägel lebendige Flamingos, und

die Soldaten mußten sich umbiegen und auf Händen und Füßen stehen, um

die Bogen zu bilden.

Die Hauptschwierigkeit, die Alice zuerst fand, war, den Flamingo zu

handhaben; sie konnte zwar ziemlich bequem seinen Körper unter ihrem

Arme festhalten, so daß die Füße herunterhingen, aber wenn sie eben

seinen Hals schön ausgestreckt hatte, und dem Igel nun einen Schlag mit

seinem Kopf geben wollte, so richtete er sich auf und sah ihr mit einem

so verdutzten Ausdruck in's Gesicht, daß sie sich nicht enthalten konnte laut zu lachen. Wenn sie nun seinen Kopf herunter gebogen hatte und eben

wieder anfangen wollte zu spielen, so fand sie zu ihrem großen Verdruß,

daß der Igel sich aufgerollt hatte und eben fortkroch; außerdem war

gewöhnlich eine Erhöhung oder eine Furche gerade da im Wege, wo sie den

Igel hinrollen wollte, und da die umgebogenen Soldaten fortwährend

aufstanden und an eine andere Stelle des Grasplatzes gingen, so kam

Alice bald zu der Ueberzeugung, daß es wirklich ein sehr schweres Spiel

sei.

Die Spieler spielten Alle zugleich, ohne zu warten, bis sie an der Reihe

waren; dabei stritten sie sich immerfort und zankten um die Igel, und in

sehr kurzer Zeit war die Königin in der heftigsten Wuth, stampfte mit

den Füßen und schrie: »Schlagt ihr den Kopf ab!« ungefähr ein Mal jede

Minute.

Alice fing an, sich sehr unbehaglich zu fühlen, sie hatte zwar noch

keinen Streit mit der Königin gehabt, aber sie wußte, daß sie keinen

Augenblick sicher davor war, »und was,« dachte sie, »würde dann aus mir

werden? die Leute hier scheinen schrecklich gern zu köpfen; es ist das

größte Wunder, daß überhaupt noch welche am Leben geblieben sind!« Sie

sah sich nach einem Ausgange um und überlegte, ob sie sich wohl ohne

gesehen zu werden, fortschleichen könne, als sie eine merkwürdige

Erscheinung in der Luft wahrnahm: sie schien ihr zuerst ganz

räthselhaft, aber nachdem sie sie ein Paar Minuten beobachtet hatte,

erkannte sie, daß es ein Grinsen war, und sagte bei sich: »Es ist die

Grinse-Katze; jetzt werde ich Jemand haben, mit dem ich sprechen kann.«

»Wie geht es dir?« sagte die Katze, sobald Mund genug da war, um damit

zu sprechen.

Alice wartete, bis die Augen erschienen, und nickte ihr zu. »Es nützt

nichts mit ihr zu reden,« dachte sie, »bis ihre Ohren gekommen sind,

oder wenigstens eins.« Den nächsten Augenblick erschien der ganze Kopf;

da setzte Alice ihren Flamingo nieder und fing ihren Bericht von dem

Spiele an, sehr froh, daß sie Jemand zum Zuhören hatte. Die Katze

schien zu glauben, daß jetzt genug von ihr sichtbar sei, und es erschien

weiter nichts.

»Ich glaube, sie spielen gar nicht gerecht,« fing Alice in etwas

klagendem Tone an, »und sie zanken sich Alle so entsetzlich, daß man

sein eigenes Wort nicht hören kann -- und dann haben sie gar keine

Spielregeln, wenigstens wenn sie welche haben, so beobachtet sie Niemand

-- und du hast keine Idee, wie es Einen verwirrt, daß alle

Croquet-Sachen lebendig sind; zum Beispiel da ist der Bogen, durch den

ich das nächste Mal spielen muß, und geht am andern Ende des Grasplatzes

spazieren -- und ich hätte den Igel der Königin noch eben _treffen_

können, nur daß er fortrannte, als er meinen kommen sah!«

»Wie gefällt dir die Königin?« fragte die Katze leise.

»Ganz und gar nicht,« sagte Alice, »sie hat so sehr viel --« da bemerkte

sie eben, daß die Königin dicht hinter ihr war und zuhörte, also setzte

sie hinzu: »Aussicht zu gewinnen, daß es kaum der Mühe werth ist, das

Spiel auszuspielen.«

Die Königin lächelte und ging weiter.

»Mit wem redest du da?« sagte der König, indem er an Alice herantrat

und mit großer Neugierde den Katzenkopf ansah.

»Es ist einer meiner Freunde -- ein Grinse-Kater,« sagte Alice;

»erlauben Eure Majestät, daß ich ihn Ihnen vorstelle.«

»Sein Aussehen gefällt mir gar nicht,« sagte der König; »er mag mir

jedoch die Hand küssen, wenn er will.«

»O, lieber nicht!« versetzte der Kater.

»Sei nicht so impertinent,« sagte der König, »und sieh mich nicht so

an!« Er stellte sich hinter Alice, als er dies sagte.

»Der Kater sieht den König an, der König sieht den Kater an,« sagte

Alice, »das habe ich irgendwo gelesen, ich weiß nur nicht mehr wo.«

»Fort muß er,« sagte der König sehr entschieden, und rief der Königin

zu, die gerade vorbeiging: »Meine Liebe! ich wollte, du ließest diesen

Kater fortschaffen!«

Die Königin kannte nur _eine_ Art, alle Schwierigkeiten, große und kleine,

zu beseitigen. »Schlagt ihm den Kopf ab!« sagte sie, ohne sich einmal

umzusehen.

»Ich werde den Henker selbst holen,« sagte der König eifrig und eilte

fort.

Alice dachte, sie wollte lieber zurück gehen und sehen, wie es mit dem

Spiele stehe, da sie in der Entfernung die Stimme der Königin hörte, die

vor Wuth außer sich war. Sie hatte sie schon drei Spieler zum Tode

verurtheilen hören, weil sie ihre Reihe verfehlt hatten, und der Stand

der Dinge behagte ihr gar nicht, da das Spiel in solcher Verwirrung war,

daß sie nie wußte, ob sie an der Reihe sei oder nicht. Sie ging also,

sich nach ihrem Igel umzusehen.

Der Igel war im Kampfe mit einem andern Igel, was Alice eine

vortreffliche Gelegenheit schien, einen mit dem andern zu _treffen_; die

einzige Schwierigkeit war, daß ihr Flamingo nach dem andern Ende des

Gartens gegangen war, wo Alice eben sehen konnte, wie er höchst

ungeschickt versuchte, auf einen Baum zu fliegen.

Als sie den Flamingo gefangen und zurückgebracht hatte, war der Kampf

vorüber und die beiden Igel nirgends zu sehen. »Aber es kommt nicht

drauf an,« dachte Alice, »da alle Bogen auf dieser Seite des Grasplatzes

fortgegangen sind.« Sie steckte also ihren Flamingo unter den Arm, damit

er nicht wieder fortliefe, und ging zurück, um mit ihrem Freunde weiter

zu schwatzen.

Als sie zum Cheshire-Kater zurück kam, war sie sehr erstaunt, einen

großen Auflauf um ihn versammelt zu sehen: es fand ein großer

Wortwechsel statt zwischen dem Henker, dem Könige und der Königin,

welche alle drei zugleich sprachen, während die Uebrigen ganz still

waren und sehr ängstlich aussahen.

Sobald Alice erschien, wurde sie von allen dreien aufgefordert, den

streitigen Punkt zu entscheiden, und sie wiederholten ihr ihre

Beweisgründe, obgleich, da alle zugleich sprachen, man kaum verstehen

konnte, was jeder Einzelne sagte.

[Illustration]

Der Henker behauptete, daß man keinen Kopf abschneiden könne, wo kein

Körper sei, von dem man ihn abschneiden könne; daß er so etwas noch nie

gethan habe, und jetzt über die Jahre hinaus sei, wo man etwas Neues

lerne.

Der König behauptete, daß Alles, was einen Kopf habe, geköpft werden

könne, und daß man nicht so viel Unsinn schwatzen solle.

Die Königin behauptete, daß wenn nicht in weniger als keiner Frist etwas

geschehe, sie die ganze Gesellschaft würde köpfen lassen. (Diese

letztere Bemerkung hatte der Versammlung ein so ernstes und ängstliches

Aussehen gegeben.)

Alice wußte nichts Besseres zu sagen als: "Er gehört der Herzogin, es wäre am besten sie zu fragen." "Sie ist im Gefängnis," sagte die Königin zum Henker, "hole sie her." Und der Henker lief davon wie ein Pfeil.

Da wurde der Kopf des Katers undeutlicher und undeutlicher; und gerade

in dem Augenblicke, als der Henker mit der Herzogin zurück kam,

verschwand er gänzlich; der König und der Henker liefen ganz wild umher,

ihn zu suchen, während die übrige Gesellschaft zum Spiele zurückging.


Achtes Kapitel

Achtes Kapitel.

Das Croquetfeld der Königin.

Ein großer hochstämmiger Rosenstrauch stand nahe bei'm Eingang; die Rosen, die darauf wuchsen, waren weiß, aber drei Gärtner waren damit

beschäftigt, sie roth zu malen. Alice kam dies wunderbar vor, und da sie

näher hinzutrat, um ihnen zuzusehen, hörte sie einen von ihnen sagen:

»Nimm dich in Acht, Fünf! Bespritze mich nicht so mit Farbe!«

»Ich konnte nicht dafür,« sagte Fünf in verdrießlichem Tone; »Sieben hat

mich an den Ellbogen gestoßen.«

Worauf Sieben aufsah und sagte: »Recht so, Fünf! Schiebe immer die

Schuld auf andre Leute!«

»Du sei nur ganz still!« sagte Fünf. »Gestern erst hörte ich die Königin

sagen, du verdientest geköpft zu werden!«

»Wofür?« fragte der, welcher zuerst gesprochen hatte.

»Das geht _dich_ nichts an, Zwei!« sagte Sieben.

»Ja, es _geht_ ihn an!« sagte Fünf, »und ich werde es ihm sagen -- dafür,

daß er dem Koch Tulpenzwiebeln statt Küchenzwiebeln gebracht hat.«

[Illustration]

Sieben warf seinen Pinsel hin und hatte eben angefangen: »Ist je eine

ungerechtere Anschuldigung --« als sein Auge zufällig auf Alice fiel,

die ihnen zuhörte; er hielt plötzlich inne, die andern sahen sich auch

um, und sie verbeugten sich Alle tief.

»Wollen Sie so gut sein, mir zu sagen,« sprach Alice etwas furchtsam,

»warum Sie diese Rosen malen?«

Fünf und Sieben antworteten nichts, sahen aber Zwei an. Zwei fing mit

leiser Stimme an: »Die Wahrheit zu gestehen, Fräulein, dies hätte hier

ein _rother_ Rosenstrauch sein sollen, und wir haben aus Versehen einen

weißen gepflanzt, und wenn die Königin es gewahr würde, würden wir Alle

geköpft werden, müssen Sie wissen. So, sehen Sie Fräulein, versuchen

wir, so gut es geht, ehe sie kommt --« In dem Augenblick rief Fünf, der

ängstlich tiefer in den Garten hinein gesehen hatte: »Die Königin! die

Königin!« und die drei Gärtner warfen sich sogleich flach auf's Gesicht. Es entstand ein Geräusch von vielen Schritten, und Alice blickte

neugierig hin, die Königin zu sehen.

Zuerst kamen zehn Soldaten, mit Keulen bewaffnet, sie hatten alle

dieselbe Gestalt wie die Gärtner, rechteckig und flach, und an den vier

Ecken die Hände und Füße; danach kamen zehn Herren vom Hofe, sie waren

über und über mit Diamanten bedeckt und gingen paarweise, wie die

Soldaten. Nach diesen kamen die königlichen Kinder, es waren ihrer zehn,

und die lieben Kleinen kamen lustig gesprungen Hand in Hand, paarweise,

sie waren ganz mit Herzen geschmückt. Darauf kamen die Gäste, meist

Könige und Königinnen, und unter ihnen erkannte Alice das weiße

Kaninchen; es unterhielt sich in etwas eiliger und aufgeregter Weise,

lächelte bei Allem, was gesagt wurde und ging vorbei, ohne sie zu

bemerken. Darauf folgte der Coeur-Bube, der die königliche Krone auf

einem rothen Sammetkissen trug, und zuletzt in diesem großartigen Zuge

kamen _der Herzenskönig und die Herzenskönigin_.

Alice wußte nicht recht, ob sie sich nicht flach auf's Gesicht legen müsse, wie die drei Gärtner; aber sie konnte sich nicht erinnern, je von

einer solchen Sitte bei Festzügen gehört zu haben. »Und außerdem, wozu

gäbe es überhaupt Aufzüge,« dachte sie, »wenn alle Leute flach auf dem

Gesichte liegen müßten, so daß sie sie nicht sehen könnten?« Sie blieb

also stehen, wo sie war, und wartete.

Als der Zug bei ihr angekommen war, blieben Alle stehen und sahen sie

an, und die Königin sagte strenge: »Wer ist das?« Sie hatte den

Coeur-Buben gefragt, der statt aller Antwort nur lächelte und Kratzfüße

machte.

»Schafskopf!« sagte die Königin, den Kopf ungeduldig zurückwerfend; und

zu Alice gewandt fuhr sie fort: »Wie heißt du, Kind?«

[Illustration]

»Mein Name ist Alice, Euer Majestät zu dienen!« sagte Alice sehr

höflich; aber sie dachte bei sich: »Ach was, es ist ja nur ein Pack

Karten. Ich brauche mich nicht vor ihnen zu fürchten!«

»Und wer sind diese drei?« fuhr die Königin fort, indem sie auf die drei

Gärtner zeigte, die um den Rosenstrauch lagen; denn natürlich, da sie

auf dem Gesichte lagen und das Muster auf ihrer Rückseite dasselbe war

wie für das ganze Pack, so konnte sie nicht wissen, ob es Gärtner oder

Soldaten oder Herren vom Hofe oder drei von ihren eigenen Kindern waren.

»Woher soll ich das wissen?« sagte Alice, indem sie sich selbst über

ihren Muth wunderte. »Es ist nicht meines Amtes.«

Die Königin wurde purpurroth vor Wuth, und nachdem sie sie einen

Augenblick wie ein wildes Thier angestarrt hatte, fing sie an zu

brüllen: »Ihren Kopf ab! ihren Kopf --«

»Unsinn!« sagte Alice sehr laut und bestimmt, und die Königin war still.

Der König legte seine Hand auf ihren Arm und sagte milde: »Bedenke,

meine Liebe, es ist nur ein Kind!«

Die Königin wandte sich ärgerlich von ihm ab und sagte zu dem Buben:

»Dreh' sie um!« Der Bube that es, sehr sorgfältig, mit einem Fuße.

»Steht auf!« schrie die Königin mit durchdringender Stimme, und die drei

Gärtner sprangen sogleich auf und fingen an sich zu verneigen vor dem

König, der Königin, den königlichen Kindern, und Jedermann.

»Laßt das sein!« eiferte die Königin. »Ihr macht mich schwindlig.« Und

dann, sich nach dem Rosenstrauch umdrehend, fuhr sie fort: »Was habt ihr

hier gethan?«

»Euer Majestät zu dienen,« sagte Zwei in sehr demüthigem Tone und sich

auf ein Knie niederlassend, »wir haben versucht --«

»Ich sehe!« sagte die Königin, die unterdessen die Rosen untersucht

hatte.

»Ihre Köpfe ab!« und der Zug bewegte sich fort, während drei von

den Soldaten zurückblieben um die unglücklichen Gärtner zu enthaupten,

welche zu Alice liefen und sie um Schutz baten.

»Ihr sollt nicht getödtet werden!« sagte Alice, und damit steckte sie

sie in einen großen Blumentopf, der in der Nähe stand. Die drei Soldaten

gingen ein Weilchen hier- und dorthin, um sie zu suchen, und dann

schlossen sie sich ruhig wieder den Andern an.

»Sind ihre Köpfe gefallen?« schrie die Königin sie an.

»Ihre Köpfe sind fort, zu Euer Majestät Befehl!« schrien die Soldaten

als Antwort.

»Das ist gut!« schrie die Königin. »Kannst du Croquet spielen?«

Die Soldaten waren still und sahen Alice an, da die Frage

augenscheinlich an sie gerichtet war.

»Ja!« schrie Alice.

»Dann komm mit!« brüllte die Königin, und Alice schloß sich dem Zuge an,

sehr neugierig, was nun geschehen werde.

»Es ist -- es ist ein sehr schöner Tag!« sagte eine schüchterne Stimme

neben ihr. Sie ging neben dem weißen Kaninchen, das ihr ängstlich in's Gesicht sah.

»Sehr,« sagte Alice; -- »wo ist die Herzogin?«

»Still! still!« sagte das Kaninchen in einem leisen, schnellen Tone. Es

sah dabei ängstlich über seine Schulter, stellte sich dann auf die

Zehen, hielt den Mund dicht an Alice's Ohr und wisperte: »Sie ist zum Tode verurtheilt.«

»Wofür?« fragte diese.

»Sagtest du: wie Schade?« fragte das Kaninchen.

»Nein, das sagte ich nicht,« sagte Alice, »ich finde gar nicht, daß es

Schade ist. Ich sagte: wofür?«

»Sie hat der Königin eine Ohrfeige gegeben --« fing das Kaninchen an.

Alice lachte hörbar. »Oh still!« flüsterte das Kaninchen in sehr

erschreckten Tone. »Die Königin wird dich hören! Sie kam nämlich etwas

spät, und die Königin sagte --«

»Macht, daß ihr an eure Plätze kommt!« donnerte die Königin, und Alle

fingen an in allen Richtungen durcheinander zu laufen, wobei sie Einer

über den Andern stolperten; jedoch nach ein bis zwei Minuten waren sie

in Ordnung, und das Spiel fing an.

[Illustration]

Alice dachte bei sich, ein so merkwürdiges Croquet-Feld habe sie in

ihrem Leben nicht gesehen; es war voller Erhöhungen und Furchen, die

Kugeln waren lebendige Igel, und die Schlägel lebendige Flamingos, und

die Soldaten mußten sich umbiegen und auf Händen und Füßen stehen, um

die Bogen zu bilden.

Die Hauptschwierigkeit, die Alice zuerst fand, war, den Flamingo zu

handhaben; sie konnte zwar ziemlich bequem seinen Körper unter ihrem

Arme festhalten, so daß die Füße herunterhingen, aber wenn sie eben

seinen Hals schön ausgestreckt hatte, und dem Igel nun einen Schlag mit

seinem Kopf geben wollte, so richtete er sich auf und sah ihr mit einem

so verdutzten Ausdruck in's Gesicht, daß sie sich nicht enthalten konnte laut zu lachen. Wenn sie nun seinen Kopf herunter gebogen hatte und eben

wieder anfangen wollte zu spielen, so fand sie zu ihrem großen Verdruß,

daß der Igel sich aufgerollt hatte und eben fortkroch; außerdem war

gewöhnlich eine Erhöhung oder eine Furche gerade da im Wege, wo sie den

Igel hinrollen wollte, und da die umgebogenen Soldaten fortwährend

aufstanden und an eine andere Stelle des Grasplatzes gingen, so kam

Alice bald zu der Ueberzeugung, daß es wirklich ein sehr schweres Spiel

sei.

Die Spieler spielten Alle zugleich, ohne zu warten, bis sie an der Reihe

waren; dabei stritten sie sich immerfort und zankten um die Igel, und in

sehr kurzer Zeit war die Königin in der heftigsten Wuth, stampfte mit

den Füßen und schrie: »Schlagt ihr den Kopf ab!« ungefähr ein Mal jede

Minute.

Alice fing an, sich sehr unbehaglich zu fühlen, sie hatte zwar noch

keinen Streit mit der Königin gehabt, aber sie wußte, daß sie keinen

Augenblick sicher davor war, »und was,« dachte sie, »würde dann aus mir

werden? die Leute hier scheinen schrecklich gern zu köpfen; es ist das

größte Wunder, daß überhaupt noch welche am Leben geblieben sind!« Sie

sah sich nach einem Ausgange um und überlegte, ob sie sich wohl ohne

gesehen zu werden, fortschleichen könne, als sie eine merkwürdige

Erscheinung in der Luft wahrnahm: sie schien ihr zuerst ganz

räthselhaft, aber nachdem sie sie ein Paar Minuten beobachtet hatte,

erkannte sie, daß es ein Grinsen war, und sagte bei sich: »Es ist die

Grinse-Katze; jetzt werde ich Jemand haben, mit dem ich sprechen kann.«

»Wie geht es dir?« sagte die Katze, sobald Mund genug da war, um damit

zu sprechen.

Alice wartete, bis die Augen erschienen, und nickte ihr zu. »Es nützt

nichts mit ihr zu reden,« dachte sie, »bis ihre Ohren gekommen sind,

oder wenigstens eins.« Den nächsten Augenblick erschien der ganze Kopf;

da setzte Alice ihren Flamingo nieder und fing ihren Bericht von dem

Spiele an, sehr froh, daß sie Jemand zum Zuhören hatte. Die Katze

schien zu glauben, daß jetzt genug von ihr sichtbar sei, und es erschien

weiter nichts.

»Ich glaube, sie spielen gar nicht gerecht,« fing Alice in etwas

klagendem Tone an, »und sie zanken sich Alle so entsetzlich, daß man

sein eigenes Wort nicht hören kann -- und dann haben sie gar keine

Spielregeln, wenigstens wenn sie welche haben, so beobachtet sie Niemand

-- und du hast keine Idee, wie es Einen verwirrt, daß alle

Croquet-Sachen lebendig sind; zum Beispiel da ist der Bogen, durch den

ich das nächste Mal spielen muß, und geht am andern Ende des Grasplatzes

spazieren -- und ich hätte den Igel der Königin noch eben _treffen_

können, nur daß er fortrannte, als er meinen kommen sah!«

»Wie gefällt dir die Königin?« fragte die Katze leise.

»Ganz und gar nicht,« sagte Alice, »sie hat so sehr viel --« da bemerkte

sie eben, daß die Königin dicht hinter ihr war und zuhörte, also setzte

sie hinzu: »Aussicht zu gewinnen, daß es kaum der Mühe werth ist, das

Spiel auszuspielen.«

Die Königin lächelte und ging weiter.

»Mit wem redest du da?« sagte der König, indem er an Alice herantrat

und mit großer Neugierde den Katzenkopf ansah.

»Es ist einer meiner Freunde -- ein Grinse-Kater,« sagte Alice;

»erlauben Eure Majestät, daß ich ihn Ihnen vorstelle.«

»Sein Aussehen gefällt mir gar nicht,« sagte der König; »er mag mir

jedoch die Hand küssen, wenn er will.«

»O, lieber nicht!« versetzte der Kater.

»Sei nicht so impertinent,« sagte der König, »und sieh mich nicht so

an!« Er stellte sich hinter Alice, als er dies sagte.

»Der Kater sieht den König an, der König sieht den Kater an,« sagte

Alice, »das habe ich irgendwo gelesen, ich weiß nur nicht mehr wo.«

»Fort muß er,« sagte der König sehr entschieden, und rief der Königin

zu, die gerade vorbeiging: »Meine Liebe! ich wollte, du ließest diesen

Kater fortschaffen!«

Die Königin kannte nur _eine_ Art, alle Schwierigkeiten, große und kleine,

zu beseitigen. »Schlagt ihm den Kopf ab!« sagte sie, ohne sich einmal

umzusehen.

»Ich werde den Henker selbst holen,« sagte der König eifrig und eilte

fort.

Alice dachte, sie wollte lieber zurück gehen und sehen, wie es mit dem

Spiele stehe, da sie in der Entfernung die Stimme der Königin hörte, die

vor Wuth außer sich war. Sie hatte sie schon drei Spieler zum Tode

verurtheilen hören, weil sie ihre Reihe verfehlt hatten, und der Stand

der Dinge behagte ihr gar nicht, da das Spiel in solcher Verwirrung war,

daß sie nie wußte, ob sie an der Reihe sei oder nicht. Sie ging also,

sich nach ihrem Igel umzusehen.

Der Igel war im Kampfe mit einem andern Igel, was Alice eine

vortreffliche Gelegenheit schien, einen mit dem andern zu _treffen_; die

einzige Schwierigkeit war, daß ihr Flamingo nach dem andern Ende des

Gartens gegangen war, wo Alice eben sehen konnte, wie er höchst

ungeschickt versuchte, auf einen Baum zu fliegen.

Als sie den Flamingo gefangen und zurückgebracht hatte, war der Kampf

vorüber und die beiden Igel nirgends zu sehen. »Aber es kommt nicht

drauf an,« dachte Alice, »da alle Bogen auf dieser Seite des Grasplatzes

fortgegangen sind.« Sie steckte also ihren Flamingo unter den Arm, damit

er nicht wieder fortliefe, und ging zurück, um mit ihrem Freunde weiter

zu schwatzen.

Als sie zum Cheshire-Kater zurück kam, war sie sehr erstaunt, einen

großen Auflauf um ihn versammelt zu sehen: es fand ein großer

Wortwechsel statt zwischen dem Henker, dem Könige und der Königin,

welche alle drei zugleich sprachen, während die Uebrigen ganz still

waren und sehr ängstlich aussahen.

Sobald Alice erschien, wurde sie von allen dreien aufgefordert, den

streitigen Punkt zu entscheiden, und sie wiederholten ihr ihre

Beweisgründe, obgleich, da alle zugleich sprachen, man kaum verstehen

konnte, was jeder Einzelne sagte.

[Illustration]

Der Henker behauptete, daß man keinen Kopf abschneiden könne, wo kein

Körper sei, von dem man ihn abschneiden könne; daß er so etwas noch nie

gethan habe, und jetzt über die Jahre hinaus sei, wo man etwas Neues

lerne.

Der König behauptete, daß Alles, was einen Kopf habe, geköpft werden

könne, und daß man nicht so viel Unsinn schwatzen solle.

Die Königin behauptete, daß wenn nicht in weniger als keiner Frist etwas

geschehe, sie die ganze Gesellschaft würde köpfen lassen. (Diese

letztere Bemerkung hatte der Versammlung ein so ernstes und ängstliches

Aussehen gegeben.)

Alice wußte nichts Besseres zu sagen als: "Er gehört der Herzogin, es wäre am besten sie zu fragen." "Sie ist im Gefängnis," sagte die Königin zum Henker, "hole sie her." Und der Henker lief davon wie ein Pfeil.

Da wurde der Kopf des Katers undeutlicher und undeutlicher; und gerade

in dem Augenblicke, als der Henker mit der Herzogin zurück kam,

verschwand er gänzlich; der König und der Henker liefen ganz wild umher,

ihn zu suchen, während die übrige Gesellschaft zum Spiele zurückging.